Beweglich nach Schlaganfall – Frankfurter Klinik hat Erfolg mit Spezial-Therapie

Eine Studie am Klinikum Höchst in Frankfurt zeigt erstaunliche Erfolge einer speziellen Therapie bei Schlaganfall-Patienten.
Frankfurt – Jedes Jahr erleiden mehr als 250.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Er gilt als eine der häufigsten Todesursachen und ist einer der Hauptgründe für Behinderung und Invalidität. Halbseitige Lähmungen sind häufige Folgen. Am Klinikum Frankfurt Höchst belegt eine wissenschaftliche Studie, dass durch die Anwendung der „Vojta-Therapie“ blockierte angeborene Bewegungen unkompliziert wieder möglich gemacht werden.
Die Patientin versucht alles, um ihre rechte Hand zum Kinn zu führen. Sie steht aufrecht und schafft es mit geballter Kraft, den hängenden Arm bis zum Bauchnabel zu bewegen. Vor sechs Monaten erlitt sie einen Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung. Mit Physiotherapie lernt sie, ein wenig Bewegung möglich zu machen. Dann wird sie 30 Minuten lang nach dem Prinzip der „Vojta“-Therapie behandelt und soll es wieder versuchen, den Arm zu heben. Er bewegt sich nach oben, die rechte Hand berührt das Kinn. Die Frau strahlt fassungslos.
Behandlung nach Schlaganfall am Klinikum Höchst in Frankfurt: Vojta bekannt aus der Kinderheilkunde
„Eigentlich ist Vojta aus der Kinderheilkunde bekannt und wird zur Behandlung bei Störungen des zentralen Nervensystems und des Haltungs- und Bewegungsapparates angewendet. Die Therapie funktioniert allerdings auch bei Schlaganfällen“, sagt Prof. Thorsten Steiner. Er ist Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Frankfurt Höchst. Etwa 1100 bis 1200 Schlaganfallpatienten kommen jedes Jahr nach Höchst in die „Stroke Unit“, die spezialisierte Abteilung für schnelle und fächerübergreifende Behandlung durch ein Team verschiedener Fachärzte für Patienten mit Schlaganfall oder Verdacht auf Schlaganfall.
Professor Steiner kannte die Drucktherapie des tschechischen Kinderneurologen Václav Vojta. In den 1960er-Jahren hatte dieser zufällig herausgefunden, dass durch Druckstimulation bestimmter Punkte reflexartig angeborene Bewegungsmuster mobilisiert werden können. „Es gab bisher keine wissenschaftliche Untersuchung zur Vojta-Therapie bei Schlaganfällen“, so Prof. Steiner. Die Beobachtungen von ihm und seinem Team haben sie auf die Idee zur Studie gebracht.
Frankfurt: Vojta-Therapie am Klinikum Höchst erzielt eindeutige Erfolge bei Schlaganfall-Patienten
Gemeinsam mit der Neurologin Dr. Corina Epple, die mittlerweile Oberärztin in Hanau ist, und mit Marie Carmen Lichti, Fachärztin für Neurologie in Höchst, haben sie eine zweijährige Studie an 40 Schlaganfallpatienten im Alter zwischen 60 und 88 Jahren durchgeführt. „Das Ergebnis ist eindeutig“, so Epple.
„Anfangs hat eine Hälfte der Patienten, die bis zu 72 Stunden vorher einen Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung einer Extremität erlitt, täglich eine Vojta-Anwendung bekommen. Die andere Hälfte der Patienten bekam die herkömmliche Physiotherapie. Nach neun Tagen haben wir bei allen Patienten die Kontrolle über ihren Oberkörper und ihre Arm- und Handbeweglichkeit untersucht. Bei den Patienten, die die Vojta-Therapie erhalten haben, konnten wir deutliche Verbesserungen beobachten.“
Schlaganfall: Daumendruck sorgt bei Vojta-Therapie in Frankfurt für Stimulation
„Der Vorteil ist, dass die Patienten völlig passiv bleiben können. Der Therapeut ist speziell darin ausgebildet, durch Daumendruck auf ganz bestimmte Punkte die motorischen Bewegungsabläufe zu stimulieren. Das tut nicht weh, sondern der Patient spürt nur unangenehmen Druck. Er liegt dabei in einer Winkelstellung und gleichzeitig tritt die Verbesserung der Haltung der Rumpfmuskulatur ein. Jede Bewegung bedarf Haltung, die angeboren ist. Sonst könnte sich zum Beispiel ein Kind beim Krabbeln nicht mit den Händen abstützen. Bei einem Schlaganfall kann Haltung blockiert werden. Durch den Druck kommt es zur Spontanbewegung und es ist, als würde ein Tor zur Mobilität aufgestoßen.“
Das Forscher-Team hat festgestellt, dass die Vojta-Patienten nicht nur Vorteile für ihre Bewegungen haben, sondern auch bei der Ergotherapie. „Es gab bisher keine wissenschaftliche Studie dazu“, erklärt Prof. Steiner. „Und damit auch keine geprüfte Therapie. Das Gute daran ist, dass sie sehr früh eingesetzt werden kann, weil Patienten selbst nicht aktiv sein müssen. Die Therapie kann sogar zu Hause durch Angehörige durchgeführt werden.“ Die Ärzte halten Vojta für eine „ideale Ergänzung zur Physiotherapie“.
Frankfurt: Klinikum Höchst hat Vojta-Therapeuten für Schlaganfall-Therapie ausgebildet
Mittlerweile gibt es im Klinikum Höchst sechs ausgebildete Vojta-Therapeuten. Die Ärzte möchten nach ihrer erfolgreichen Pilotstudie weiterforschen und eine große Studie machen. Dazu brauchen sie allerdings Sponsoren, da wissenschaftliche Studien sehr kostenintensiv sind. „Die Lebensqualität der Patienten steigt enorm mit einfachen Mitteln. Das möchten wir gerne fördern“, so Epple. Ein Allheilmittel sei die Therapie nicht, aber eine hervorragende Unterstützung zur üblichen Physiotherapie. In Hanau, wo sie jetzt arbeitet, wird Vojta nicht angewendet. „Ich denke mir dort oft, dass es vielen Patienten mit Vojta besser ginge.“
Auch Professor Steiner ist völlig überzeugt, denn: „Ich sehe es in der täglichen Praxis bei der Visite“, wie er berichtet. Ganz oft höre er von Patienten, die gerade mit Vojta therapiert wurden, dass es ihnen deutlich besser gehe, „seit der Therapeut gedrückt hat“. Mit der Pilotstudie, ist sich der Mediziner sicher, habe man nun „etwas in der Hand, was die Reha für die Patienten ganz weit nach vorne bringen kann, ihnen Leidensdruck nimmt und die Genesung vorantreibt.“ Wie bei der Patientin, die ihren Arm plötzlich bis ans Kinn hebt. (Sabine Schramek)
Medizinischen Laien soll eine App dabei helfen, Schlaganfälle zu erkennen.