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Müll, Moder und Mumien-Hund: Horror-Haus in Frankfurt bleibt sich selbst überlassen

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Von: Michael Forst

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Seit Jahrzehnten steht das Häuschen am Roten Weg leer. Über die große Lücke im Zaun ist es leicht für jedermann zugänglich.
Modergeruch schlägt Neugierigen aus dem Schlafzimmerfenster entgegen. © Michael Forst

Ein leerstehendes Haus in Frankfurt verkommt zum „Horror-Haus“. Der Müll stapelt sich auf dem Grundstück am Klärwerk - nachts tummeln sich dort die Ratten.

Frankfurt - Ein süßlich-fauliger Modergeruch steigt in die Nase, noch ehe der Blick durch das eingeschlagene Fenster in das kleine gemauerte Häuschen in den Sindlinger Wingerten fällt. Schräg gegenüber der Kläranlage am Roten Weg gelegen, steht es seit Jahrzehnten leer, doch das Schlaf- und Wohnzimmer sieht immer noch so aus, als habe es jemand in großer Eile gerade erst verlassen: Ein Hut liegt auf einem Stuhl, auf dem Schrankregal ein aufgeschlagenes Möbelmagazin, das Bettlaken auf der Schlafcouch ist zerwühlt.

Hier machte die Sindlingerin Angelika Schubert vor gut zwei Jahren ebenfalls beim Blick durchs Fenster eine grausame Entdeckung: Auf dem Bett lag ein mumifizierter, offenbar zu Tode gehungerter Hund. Der von ihr alarmierte Ortsbeirat Albrecht Fribolin (CDU) schaltete damals das Ordnungsamt ein, das den Kadaver entsorgen ließ.

Anwohnerin bittet darum, wenigstens das Fenster zuzunageln - Stadt Frankfurt sieht sich nicht dafür zuständig

Doch wurde nach Aussage Schuberts „weder die eingeschlagene Scheibe gesichert noch irgendetwas unternommen, um den Müll zu entfernen und das Haus und das Grundstück zu sichern“. In der Tat: Zwar haben der wilde Garten, die Büsche und Bäume das kleine Gebäude beinahe überwuchert. Betreten kann man das Grundstück dennoch problemlos. „Dabei wäre es doch völlig unkompliziert, wenigstens das Fenster zuzunageln, damit da keine spielenden Kinder einsteigen oder sich Tiere dort verirren können“, sagt Angelika Schubert.

Lapidar habe es damals seitens der Stadt geheißen, dass man dafür nicht zuständig sei; der Besitzer sei nicht auffindbar. Schubert hat dafür kein Verständnis: „Deshalb kann man doch hier nicht eine gefährliche Müllkippe sich selbst überlassen.“ Ein Gartennachbar versuche immer wieder, Müll mitzunehmen und über seine privaten Tonnen zu entsorgen, damit das Ganze nicht überhand nehme, aber: „Das kann nicht die Antwort sein“, findet sie.

Eltern aus Frankfurt warnten Kinder schon vor Jahren vor „Horror-Häuschen“

Dass das Haus nicht nur unheimlich ist, sondern sich längst zum Schandfleck entwickelt hat, bestätigt eine Stippvisite: Rundherum haben sich Müllberge angesammelt, seit kurzem steht sogar ein Stapel Baustoffplatten vor dem Haus. „Und nachts tummeln sich hier die Ratten“, erzählt Angelika Schubert. Sie wohnt seit 1986 in Sindlingen und erinnert sich, dass das Häuschen damals noch bewohnt war. Menschen hat sie aber nie gesehen. Und damals schon hätten Sindlinger Eltern ihre Kinder gewarnt, dem „Horror-Häuschen“ zu nahe zu kommen.

Die vor dem Haus gestapelten Platten sind entgegen erster Befürchtungen nicht aus Asbest.
Die vor dem Haus gestapelten Platten sind entgegen erster Befürchtungen nicht aus Asbest. © Michael Forst

Immerhin: Auf Angelika Schuberts Hinweis hin haben die Behörden schnell reagiert, Beamte der Stadtpolizei kamen, checkten die Platten - und fuhren wieder. „Ihre Überprüfung hat ergeben, dass das Flurstücke zwar stark vermüllt ist, sich darunter jedoch keine umweltgefährlichen Abfälle befinden“, erklärt Michael Jenisch, Sprecher des Ordnungsamtes, auf Anfrage. Bei den Dämmplatten im Garten handele es sich um sogenannte Odenwaldplatten, die aus Perlit bestünden, einem natürlichen Gesteins-Dämmstoff vulkanischen Ursprungs.

Doch die Hinweise von Angelika Schubert haben das Ordnungsamt noch weiter in Bewegung gebracht: „Da der Eigentümer des Flurstücks ohne deutsche Wohnanschrift ist, wurde das Umweltamt, Abteilung Abfallwirtschaft, zwecks Prüfung in Kenntnis gesetzt, ob die amtliche Beseitigung der Abfälle verfügt werden kann“, berichtet Jenisch. Die Stadtpolizei sei bereits vor genau zwei Jahren mit der Örtlichkeit befasst gewesen, bezieht er sich auf die erwähnte Beseitigung der Hunde-Mumie. Wegen der damaligen Zustände habe man die „zuständigen Behörden“ um eine Lösung des Problems gebeten.

Warum tut sich nichts im Fall Horror-Haus Frankfurt? Zu viele Verstöße - zu wenig Personal

Die Erklärung, warum sich seither nichts weiter getan hat, verblüfft: Zwar befinde sich das Grundstück in der Schutzzone I des Landschaftsschutzgebietes „Grüngürtel und Grünzüge in der Stadt Frankfurt am Main“. Einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan gebe es hierfür nicht, sprich: Das Grundstück wird widerrechtlich genutzt. Abfall abzulagern sei dort ebenfalls nicht erlaubt - eigentlich ein Fall für die Untere Naturschutzbehörde. Doch wenn die diesen Verstoß ahnde, müsse sie sich „im Sinne einer Gleichbehandlung“ auch die nach seinen Worten zahlreichen anderen, ebenfalls illegalen, Gebäude in den Sindlinger Wingerten vorknöpfen - und das sei „mit den Personalressourcen derzeit leider nicht machbar“. Was den Müll angehe, treffe nun das Umweltamt „alle weiteren Maßnahmen“, kündigt Jenisch an. Michael Forst

Ein anderer „Lost Place“ in Frankfurt soll nun nach mehr als 20 Jahren verwandelt werden - in ein Prestige-Wohnquartier.

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