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Mehr Kriminalität wegen ausgeschalteter Beleuchtung? „Selbst wenn gar nichts ist, fühl man sich weniger sicher“

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Wegen der Energiekrise dreht Frankfurt vielerorts die Straßenbeleuchtung herunter. Sorgt das für mehr Kriminalität und weniger Sicherheit?

Frankfurt - Es ist noch weit vor der Tagesschau, als Denise K., die mit einem Freund am Main entlangspaziert, plötzlich merkwürdige Geräusche hört. „Auf einer Bank am Ufer waren zwei Männer und eine Frau zugange. Das war nicht so cool“, sagt sie. Die Frau wirkt, als ob sie Drogen genommen hat, um zu sehen, ob sie Hilfe braucht, müssen die beiden ziemlich nahe ran. Sie sprechen die Gruppe an, rufen kurz darauf die Polizei, warten dann eine halbe Stunde vergeblich. „Ich war zwar nicht alleine, aber es war trotzdem total schlimm“, sagt die 36-Jährige.

Auch, weil es am Mainufer in Frankfurt in diesem Jahr deutlich dunkler ist als bisher. Seit Anfang November sind die Brücken nicht mehr beleuchtet, auch „nicht sicherheitsrelevante Beleuchtungselemente“ etwa am Mainufer oder in vielen Parks sind abgeschaltet. Dazu kommt, dass 32.000 der rund 60.000 Frankfurter Straßenlaternen dauerhaft gedimmt wurden, statt wie vorher nur zwischen 22 und 6 Uhr. Das spart laut Stadtverwaltung 50 Prozent des verbrauchten Stroms ein. „Aber das subjektive Sicherheitsempfinden leidet. Selbst wenn gar nichts ist, fühl man sich weniger sicher“, sagt Denise K.

Männer in Frankfurt nutzen die Angst von Frauen wegen fehlender Beleuchtung aus

Marie B. (beide Namen der Redaktion bekannt) hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Die 32-Jährige arbeitet in einer Bar in Sachsenhausen, in den Herbst- und Wintermonaten muss sie morgens bei Dunkelheit nach Hause gehen. „Ich bin niemand, der schnell Angst bekommt, sonst könnte ich gar nicht im Nachtleben arbeiten“, sagt sie. Aber manchmal gleiche der Weg durch die betrunkenen Reste des Partyvolks einem Spießrutenlauf.

Mittlerweile komme es auch immer öfter vor, dass ihr nicht nur Anzüglichkeiten hinterhergerufen werden, sondern Einzelne oder Gruppen sie auf ihrem Heimweg begleiten. Das gehe so weit, dass sie manchmal Angst habe, dass Männer ihr durch die Haustür folgen, sodass ihr keine Möglichkeit mehr zur Flucht bleibt. „Die Dunkelheit bietet diesen Leuten mehr Schutz, weil sie nicht direkt sichtbar sind“, sagt Marie B.

Polizei Frankfurt warnt: Mehr Kriminalität bei weniger Beleuchtung erwartet

Die Polizei sieht das genauso. „Die Reduzierung von Straßenbeleuchtung ist aus kriminalpräventiven Gesichtspunkten grundsätzlich nicht zu befürworten, da der Einfluss von Beleuchtung auf Kriminalität im öffentlichen Raum einen wissenschaftlich nachgewiesenen, positiven Effekt hat“, sagt Thomas Hollerbach, Sprecher der Frankfurter Polizei, auf Anfrage. Allerdings sei es in Anbetracht einer drohenden Energieknappheit sinnvoll, dass die Kommune die Interessen gegeneinander abwäge.

„Das subjektive Sicherheitsempfinden unterscheidet sich stark von der tatsächlichen Sachlage“, erklärt Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne) die Entscheidung des Magistrats, die Lampen bis auf Weiteres gedimmt zu lassen. Wie er das herausgefunden hat, bleibt offen.

Subjektives Sicherheitsempfinden in Frankfurt sinkt wegen fehlender Straßenbeleuchtung

Denn zumindest die Polizei kann die Frage, ob die Zahl der Straftaten im öffentlichen Raum seit Anfang November gestiegen ist, nicht beantworten: Ein Verbrechen habe nie nur einen einzigen Grund, weshalb zu dieser Frage „keine valide Aussage“ möglich sei, sagt Polizeisprecher Hollerbach. Es sei aber festzuhalten, dass der Polizei bisher keine „konkreten Anfragen oder Beschwerden im Zusammenhang mit reduzierter Straßenbeleuchtung und einem damit verbundenen gesunkenen Sicherheitsgefühl“ vorliegen.

So richtig will Denise K. dieses Argument nicht gelten lassen: Es gehe nicht um konkrete Situationen, sondern um ein generelles Problem. „Ich habe schon von älteren Leuten gehört, dass sie abends grundsätzlich nicht mehr aus dem Haus gehen.“ Einige ihrer Freundinnen, die bisher nach der Arbeit im Park joggen gingen, hätten mittlerweile aus Angst damit aufgehört. „Einem Teil der Bevölkerung wird durch die Dunkelheit ein großer Teil des öffentlichen Raums genommen. Das finde ich ganz schön krass“, sagt die junge Frau.

Energiesparen sinnvoll: Beleuchtung in Frankfurt bleibt ausgeschaltet

Das ändere nichts daran, dass die Energiesparmaßnahmen „unbedingt sinnvoll“ seien, sagen Majer und Sicherheitsdezernentin Annette Rinn (FDP) unisono. Zum einen, weil die Bundesnetzagentur weiterhin davon ausgehe, dass das Gas in diesem Winter nur reichen wird, wenn 20 Prozent der Energiekosten eingespart würden. Zum anderen, weil §8 der Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung die „Beleuchtung öffentliche Plätze“ sogar ausdrücklich untersage.

Pauluspromenade
In beleuchteten Straßen fühlen sich viele Menschen nachts sicherer. © Sebastian Gollnow/dpa

Doch natürlich sei auch dem Magistrat daran gelegen, „dass sich die Bürgerinnen und Bürger sicher fühlen“, sagt Majer. Deshalb sei zumindest die Beleuchtung innerhalb der Wallanlagen, im Bahnhofsviertel zwischen Münchener Straße und Mainzer Landstraße und zwischen Hauptbahnhof und Galluswarte von den Sparvorgaben ausgenommen.

Um das Sicherheitsgefühl wieder zu erhöhen, begrüßt die Stadt „Initiativen, Frauen Geleitschutz zum Auto oder zur Bahn anzubieten oder auch Angebote eines kostenfreien Heimwegtelefons oder den Taxi-Ruf der VGF“. Eine eigene Initiative sei aber nicht in Planung. (Sarah Bernhard)

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