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Nach tödlichem Bahnunfall: So trauern die Menschen in Nied

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Von: Michael Forst

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Tödlicher Bahn-Unfall bei offener Schranke in Frankfurt
Nach tödlichem Bahnunfall: Große Trauer in Nied © Boris Roessler/dpa

Nieder Bürger kämpft seit Jahren vergeblich für die Beseitigung des gefährlichen Bahnübergangs. Bisher hat sich wenig getan.

Frankfurt - „Dieses Unglück hat uns tief erschüttert“, sagt der Nieder Dr. Georg Speck über den tragischen Unfall am Bahnübergang, bei dem am Donnerstagabend eine Fußgängerin starb sowie ein Radfahrer und eine Autofahrerin schwer verletzt wurden, nachdem sie beim Überqueren der Gleise von einem Regionalzug erfasst worden waren. Speck bewegt die Tragödie in mehrfacher Hinsicht: Zum einen wohnte die 16-Jährige, die ums Leben kam, im selben Sechs-Familienhaus in der Oeserstraße wie er - Speck erzählt von der Trauer in der Nachbarschaft und im Stadtteil, von Kerzen und Blumen für die Opfer. Zum anderen hat er selber jahrelang und wiederholt bei der Bahn und der Stadt die Beseitigung des als gefährlich eingestuften Bahnübergangs gefordert.

Anwohner beklagen „unzumutbare Situation“ am Bahnübergang in Frankfurt-Nied

Besonders schlimm in seinen Augen: „Der Übergang funktioniert nur, wenn die Verkehrsteilnehmer die Regeln verletzen.“ So sei das Linksabbiegen an der Kreuzung unvermeidlich: „Die Autofahrer können nicht an der Haltelinie vor dem Bahnübergang warten. Denn dann sind noch viel zu weit weg von dem Punkt, an dem sie links abbiegen - und ziehen sich die Wut der hinter ihnen stehenden Verkehrsteilnehmer auf sich“, erklärt er. Die Situation sei für sie, aber auch den Schrankenwärter am Übergang immer unzumutbarer geworden - auch, weil der Stadtteil so stark gewachsen ist.

Seit 2015 warnt er vor der gefährlichen Kreuzung von Oeserstraße und Regionalbahnstrecke: Dr. Georg Speck.
Seit 2015 warnt er vor der gefährlichen Kreuzung von Oeserstraße und Regionalbahnstrecke: Dr. Georg Speck. © Maik Reuß

Verkehrsministerium machte Druck beim Bahnübergang in Frankfurt-Nied

Um eine Unterführung zu forcieren, nutzte der vor zwei Jahren pensionierte Ingenieur seine guten Verbindungen - Speck absolvierte seine Ausbildung bei der Bundesbahn und leitete später das Eisenbahnreferat im rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium. So schaltete er - die Mail-Korrespondenz liegt der Redaktion vor - im Jahr 2015 das Bundesverkehrsministerium als „Anordnungsbehörde“ ein. Die könne immer dann tätig werden, wenn die „Kreuzungspartner“, in diesem Fall die DB Netz AG und die Stadt Frankfurt, ihrer Pflicht zur Gewährleistung einer verkehrsgerechten und sicheren Anlage nicht nachkommen.

Baubeginn am Bahnübergang in Frankfurt-Nied wohl erst Ende 2026

Zunächst schien der Druck des Ministeriums auch zu fruchten, wie der Ingenieur berichtet: Im Februar 2016 teilte ihm das Ministerium nach einem Ortstermin mit, dass die notwendige Kreuzungsvereinbarung zwischen Bahn und Stadt Anfang 2018 vorgelegt werden könne. Als Termin für die Fertigstellung stellte die Bahn schließlich das Jahr 2023 in Aussicht - der Bau hätte demnach längst begonnen.

Davon ist jetzt nicht mehr die Rede: „Der Magistrat rechnet derzeit mit einem Baubeginn zum Jahresende 2026“, heißt es in einer Stellungnahme an den Ortsbeirat 6 (Frankfurter Westen) vom 3. Februar dieses Jahres. Speck macht das fassungslos: „Als ob sie einen Schwamm drücken: Das Wasser spritzt, dann geht der Schwamm in seine ursprüngliche Form zurück.“

Ist die Stadt Schuld an Verzögerungen beim Bahnübergang in Frankfurt-Nied?

Die Gründe für die Verzögerungen sieht Speck vor allem bei der Stadt und nennt die dafür geltend gemachten Probleme „fadenscheinige Ausreden“. Grundwasserfragen? „In unmittelbarer Nachbarschaft wurden Wohnhäuser mit Tiefgaragen gebaut, ohne dass dabei Grundwasserprobleme bekannt wurden“, sagt Speck. Grundwasser könne sich im sandigen Boden seinen Weg suchen. Zudem würden Probleme durch Warten nicht kleiner. Probleme mit der Honorarordnung für Ingenieurleistungen? „Die würden alle öffentlichen Bauten betreffen“, kontert Speck und ist überzeugt: „Bei gutem Willen könnte man trotzdem bauen.“ Schließlich verweist er auf eine Gesetzesänderung, nach welcher der Bund nun die Kosten für solche Maßnahmen alleine trage. „Die Stadt müsste also gar nichts mehr zahlen“, sagt er. Doch offenbar sei die Planung noch nicht so weit.

Stadt weist Vorwürfe von sich

„Die Vorplanung ist abgeschlossen“, teilt Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) auf Anfrage mit und bestätigt den Baubeginn für 2026 sowie die Fertigstellung drei Jahre später: „Das halte ich auch für realistisch.“ Es könne zwar sein, „dass wir weniger bezahlen müssen als vorgesehen“, sagt Oesterling. Das habe „für den Ablauf der Planungen aber keinerlei Bedeutung“. Den Unmut vieler Bürger über die lange Wartezeit könne er „gut verstehen“ und macht das an dem „immer komplizierter gewordenen Planungsrecht bei uns in Deutschland“ fest.

Dem Vorwurf, die Stadt sei die Bremse bei den Bemühungen um eine Unterführung, begegnet Oesterling knapp mit dem Verweis auf das Zitat eines Bahn-Repräsentanten aus dem Jahr 2016, wonach die Planung einer Unterführung in Nied „für die Bahn keine Priorität“ habe.

Bei einem Unfall am Bahnübergang in Frankfurt-Nied war eine junge Frau gestorben. Den Hergang des Unfalls soll jetzt ein Sonderkommission aufklären*.

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