1. Startseite
  2. Frankfurt

Polizistinnen hoch zu Ross: „Wenn 600-Kilo-Pferde auf Leute zugehen, wirkt es“

Erstellt:

Von: Sabine Schramek

Kommentare

Polizeipferde beim Training (Symbolbild)
Polizeipferde dürfen sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. (Symbolbild) © Uwe Anspach/dpa

Viel Mist, großes Vertrauen, starke Nerven: ein ganz normaler Tag bei der Reiterstaffel der Polizei in Frankfurt.

Frankfurt - Polizeipferde sind besondere Pferde. Nur starker Charakter und absolutes Vertrauen macht es möglich, dass sie bei Demos, Fußballspielen und in Menschenmengen souverän bleiben und nicht in Panik geraten. In Sachsenhausen ganz nah am Stadtwald wohnen die 16 Wallache, die für die Bereitschaftspolizei in ganz Hessen im Einsatz sind. Zehn Amazonen kümmern sich um ihr Wohlsein, ihre Ausbildung und die Einsätze. Immer mit Schippe im Schlepptau.

Dampfende Pferdeäpfel fliegen um 7 Uhr morgens mit Schwung aus Boxen in Schubkarren. Leises Schnauben auf der Stallgasse quittiert jede Mistgabel, die in der Karre landet. Nicht irgendwer mistet aus, sondern Polizeihauptkommissare, Polizeioberkommissare und Polizeikommissare. Dem riesigen Casiro gefällt das. Wann immer Annette Gnielka (38) aus seiner Doppelbox tritt, knabbert er mit den Lippen sanft an ihrer Jacke. Wenn sie innehält, legt er seinen Kopf auf ihre Schulter und fordert Streicheleinheiten. „Wenn man draufsitzt, wirkt es gar nicht so, als sei er so groß“, sagt die Polizeibeamtin lachend und muss ihren Arm weit strecken, um seinen Widerrist zu kraulen.

Reiterstaffel der Polizei Frankfurt: Beamte kümmern sich selbst um die Tiere

Insgesamt 16 Boxen misten Polizeibeamtinnen am frühen Morgen aus und versenken den Mist in einen tiefen Container, der wöchentlich geleert und getauscht wird. Der Hof, in dem bis vor gut 20 Jahren die Brauereipferde von Henninger gelebt haben, wirkt in der Oktobersonne ein bisschen wie „Immenhof“. Auf Weiden lässt Morgensonne das Fell der Wallache glänzen. Nur nicht bei denen, die sich gerade auf in Sand wälzen und später warm geduscht und im Solarium getrocknet werden.

Im Stall hat sich Cooper ins frische Stroh gelegt und lässt sich dösend von ihren Polizistinnen zwischen den Ohren kraulen. „Sie kennen uns und wir kennen sie in- und auswendig“, so Gnielka, die seit vier Jahren bei der Reiterstaffel ist. Carla Struck (24) ist seit einem halben Jahr dabei und striegelt Lio. Gnielka putzt Ramino für das Training. „Wir haben zwar alle unsere Einsatzpferde, aber es ist wichtig, dass jeder mit jedem Pferd gut zurechtkommt“, erklärt sie. Dazu gehört die gesamte Pflege ebenso wie die Ausbildung von Pferd und Reiter.

Dreimal am Tag wird mit Heu und Kraftfutter gefüttert. Die Pferde werden für Objektschutz, Flugsicherung, bei Fußballspielen, Faschingsumzügen und Demos eingesetzt. „Die Pferde kommen schnell dahin, wo es für Einsatzwagen schwierig wird“, sagt Ausbilderin Christine Henniger. Bis 2004 gab es noch vier Reiterstaffeln in Hessen. Jetzt werden alle Einsätze von Frankfurt aus betreut. Wer zur Reiterstaffel will, muss bereits reiten können. Die Spezialausbildung nach dem Polizeistudium dauert sechs Wochen und endet mit einer Prüfung in vier Disziplinen.

Polizei Frankfurt: Pferde und Reiter müssen sich blind aufeinander verlassen können

Bis die Pferde komplett einsatzbereit sind, kann es bis zu 1,5 Jahren dauern. Demnächst fangen zwei weitere Frauen bei der Staffel an, eine Reiterin ist in Mutterschutz. „Die Pferde dürfen keine Angst haben vor Menschenmassen und Geschrei, und auch nicht schreckhaft sein“, so Henniger über die Tiere, die eigentlich Fluchttiere sind. „Solche Pferde zu finden, ist schwierig, aber es gibt sie“, meint sie lächelnd und lässt die Reiterinnen ihre Pferde warmreiten. „Ramino ist 18 und perfekt als Leitpferd. Ihn schreckt nichts und er liebt Action und Einsätze. Lio ist 12, geht nicht gerne voran, aber überall mit.“

Die individuellen Eigenheiten der Tiere sind wichtig und ergänzen sich im Einsatz. Henniger zündet Pyro und die Halle steht plötzlich unter rotem, gelbem und grünem Rauch. Ramino galoppiert weiter als sei gar nichts, Lio macht es ihm nach, guckt aber aufmerksam nach den Rauchschwaden. Ein Schuss lässt Lio leicht zucken, Ramino nicht. Die Reiterinnen nehmen Fahnen in die Hand und schwenken sie im Trab und Galopp. Die Pferde traben und galoppieren ruhig auf den Zirkel. Auch dann, wenn ihre Reiterinnen ihnen die Augen mit den Fahnen verdecken.

Henniger korrigiert mit freundlicher Stimme, lobt und lässt sie die Gangarten wechseln. Die Pferde wissen, dass sie sich auf ihre Reiterinnen blind verlassen können. Große Gummibälle fliegen auf die Pferde zu. Sie bleiben stoisch. Auch als Henniger mit einem schweren Ball auf sie zukommt und die Vorderbeine damit berührt, gehen sie einfach weiter, als sei nichts. „Wenn sechs 600-Kilo-Pferde nebeneinander auf Leute zugehen, wirkt es“, so die Trainerin. Die Leute weichen aus. Die Pferde gehen weiter.

Arbeit bei der Reiterstaffel in Frankfurt: „Kann mir nichts schöneres vorstellen“

Gnielka und Struck loben die Pferde, Leckerli gibt es sowieso. Beide sind ebenso durchtrainiert wie die Tiere. Reiten ist anstrengend und nicht umsonst olympische Disziplin. Die Pferde trotten zurück in den Stall, die Frauen putzen Grey (9) und Utrillo (18). Mit ihnen geht es auf Streife. Vier Stunden lang durch die ganze Stadt. Über Brücken mit fließendem Verkehr und durch Grünanlagen. Wer sie sieht, lächelt, filmt und macht Selfies. Bei Pausen werden Fragen beantwortet und manchmal darf ein Kind auch eines der Pferde streicheln.

Der kleine Grey ist frech und mutig, Utrillo groß und stoisch. Vor der Alten Oper passiert das, was die Reiterinnen bereits vorher wussten. Utrillo äppelt direkt vor das ehrwürdige Gebäude. „Er macht das immer“, so Gnielka leicht beschämt, während Struck absteigt, aus einer Tasche neben dem Sattel eine kleine Schippe und einen Handbesen holt und die Pferdeäpfel entsorgt.

Am Main entlang geht es zurück Richtung Stall. Plumpe Anmache von Fußgängern lächeln die Frauen weg. Die Pferde schnauben leise. Gnielka hat noch lange nicht Feierabend. Zu Hause bei ihr stehen zwei Polizeipferde, die in Rente sind. „Die wollen jetzt auch beschäftigt und geknuddelt werden“, sagt sie lachend. Struck hat noch keine eigenen Pferde. „Dafür habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich kann mir nichts schöneres vorstellen.“ (Sabine Schramek)

Neben Pferden sind auch zahlreiche Hunde für die Polizei Frankfurt im Einsatz.

Auch interessant

Kommentare