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RS-Virus in Frankfurt: Unter Kindern tobt ein „Tsunami“ - Bettennot in Kliniken

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Von: Thomas J. Schmidt

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Einige pädiatrische Kliniken in Frankfurt melden bereits Bettennot. Die Lage ist auch wegen Personalmangels angespannt.

Frankfurt - Die Wartezimmer der Kinderärzte in Frankfurt sind voll. „Wir erleben einen Tsunami an Infektionen“, sagt Dr. Burkhard Voigt, der eine Praxis in Bockenheim betreibt. „Es gibt jetzt das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), es gibt Influenza und Parainfluenza, alles gleichzeitig. Das habe ich bislang erst einmal erlebt, während der Schweinegrippe. Aber damals war es nicht so schlimm.“ Voigt kennt das Problem mit den raren Patientenbetten auf Kinderstationen: „Wir müssen dann viel telefonieren“, sagt er. „Aber ich habe Verständnis. Die Krankenhäuser haben die Betten reduziert, weil leere Betten nicht bezahlt werden. Nur war der Mangel programmiert.“

Voigt hat Verständnis für Eltern, die sich bei kranken Kindern Sorgen machen, nur seien diese Sorgen manchmal übertrieben: „Oft genügt bei einer Infektionskrankheit Bettruhe. Wenn das Fieber nach drei Tagen noch nicht weg ist, kann man immer noch zum Arzt gehen.“ Das würde die Situation in seinem Wartezimmer beruhigen.

RS-Virus in Frankfurt: „Oft genügt bei einer Infektionskrankheit Bettruhe“

Aufregung herrscht auch in den Krankenhäusern. Eine Umfrage der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) hat am Donnerstag für Aufsehen gesorgt. Demnach haben etwa die Hälfte aller Krankenhäuser mit Intensiv-Behandlungsplätzen für Kinder innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden Patienten abweisen müssen - insgesamt 116 Kinder.

Auf einer Intensivstation für Kinder kümmert sich ein Pfleger um einen kleinen Patienten. Die grassierenden Viren lassen sich meistens mit Bettruhe in den Griff bekommen. In manchen Fällen aber sorgen sie für schwere Verläufe.
Auf einer Intensivstation für Kinder kümmert sich ein Pfleger um einen kleinen Patienten. Die grassierenden Viren lassen sich meistens mit Bettruhe in den Griff bekommen. In manchen Fällen aber sorgen sie für schwere Verläufe. © picture alliance/dpa

An der Umfrage haben sich 110 Krankenhäuser beteiligt, Stichtag war der 24. November. Die 110 rückmeldenden Häuser weisen insgesamt 607 aufstellbare Betten aus, von denen aber lediglich 367 Betten betrieben werden können. Grund für die Sperrung der anderen ist an 79 Häusern Pflegepersonalmangel. Es gab lediglich 83 freie Betten für Kinder. 47 Kliniken melden null verfügbare Intensivbetten,

RS-Virus in Frankfurt: Drei Krankenhäuser hatten freie Betten

Am Donnerstag früh war die Situation in Frankfurt laut Divi-Register etwas entspannter als im Bund. Drei Krankenhäuser mit Schwerpunkt Kinder sind angegeben: Die Uniklinik, das Clementine Kinderhospital und das Sana Klinikum in Offenbach. Dort waren Plätze frei, sowohl im sogenannten Low-Care, also einfacherer Überwachung und Sauerstoffmaske, als auch im High-Care, was unter anderem künstliche Beatmung einschließt. Ecmo-Plätze mit der höchsten Überwachung hat das Sana Klinikum nicht.

An der Uniklinik hingegen gab es im Low-Care nur eine begrenzte Verfügbarkeit, freie Plätze im High-Care und im Ecmo. Das Clementine wies im Low-Care eine begrenzte Verfügbarkeit aus, hatte jedoch im High-Care keine Plätze mehr frei. Ecmo bietet auch das Clementine nicht an.

Für die Notfallversorgung in Frankfurt ist die Situation nicht ungewöhnlich: „Es kommt öfter vor, dass wir Patienten ins Umland bringen müssen“, sagt Feuerwehr-Sprecher Andreas Mohn. Dies betreffe alle Altersgruppen, nicht nur Kinder.

RS-Virus in Frankfurt: „Doppelte bis dreifache Anzahl von Patienten versorgen“

In der Kinderklinik des Klinikums Höchst sind laut Sprecherin Petra Fleischer „gegenwärtig alle verfügbaren Betten belegt“, dies gelte jedoch nicht für die Plätze für Früh- und Neugeborene. Trotz täglich vieler Entlassungen kleiner Patienten seien die Betten rasch wieder voll belegt. „In enger Abstimmung mit der Klinik für Kinderchirurgie nutzen wir daher auch Betten dieser Klinik mit“, sagte Fleischer. Trotz des hohen Krankenstands bei den Pflegekräften mussten noch keine Betten geschlossen werden. Dies sei der außergewöhnlichen Einsatzbereitschaft der Pfleger zu verdanken. Derzeit betreut das Klinikum mehr als 40 Patienten mit RS-Viruserkrankung. Besonders für sehr kleine Kinder kann dieses Virus lebensbedrohlich sein. „Aufgrund der aktuellen Infektionswellen muss in diesen Tagen die doppelte bis dreifache Anzahl der Patienten versorgt werden, verglichen mit der Situation vor der Covid-Pandemie“, ergänzte die Sprecherin.

Im Clementinen Kinderhospital liegen derzeit 16 Kinder mit einer durch RS-Viren ausgelösten Bronchiolitis. Zusätzlich dazu gebe es viele ambulante Fälle, berichtet Sprecher Silvio Wagner. „Wir bewegen uns seit rund zwei Wochen an der Grenze unserer Behandlungskapazitäten.“ Es gebe einen regulären Austausch mit umliegenden Krankenhäusern. „Im Falle akuter Engpässe nehmen wir zu behandelnde Patienten anderer Einrichtungen auf, bzw. verlegen an andere Kliniken.“ Die Situation bleibe wohl noch weitere zwei Wochen kritisch.

An der Uniklinik ist die Situation nicht besser, berichtet der Ärztliche Direktor Prof. Jürgen Graf. „Aktuell ist die Lage auf den pädiatrischen Stationen angespannt. Das gilt sowohl für uns hier am Universitätsklinikum als auch für viele andere Kliniken in der Region, mit denen wir im Austausch sind.“ Ursache sei die hohe Infektionszahl und eine angespannte Personalsituation. „Zahlreiche Betten auf verschiedenen Stationen können derzeit nicht betrieben werden“, so Graf. Dadurch könne es zu Einschränkungen bei der Versorgung kommen. (Thomas J. Schmidt)

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