Wie sich die Schweizer Straße zum Besseren verändert – und was Anrainer trotzdem stört

Zwischen Schweizer Platz und Schwanthalerstraße bedeutet Wandel ein Mehr an Vielfalt. Wir erklären, woran das liegt - und wieso die Anrainer dennoch berechtigte Klagen haben.
Sachsenhausen - In den Lieblings-Einkaufsstraßen der Frankfurter gehört der Wandel zum Straßenbild. Einzelhändler verschwinden, Bäckereien, Friseure und große Ketten halten Einzug.
Ein neu eröffneter Vietnamese auf der einen, ein Steakhouse auf der anderen Seite - und nirgends vernünftiger Kaffee. Als Raphael Banzhaf und sein Geschäftspartner Marco Siciliano im Frühjahr 2018 beim Vermieter eines kleinen Ladens in der Schweizer Straße anfragen, ist ihnen bereits klar: Ihre Idee passt hier perfekt. Sie wollen eine Kaffeebar eröffnen, und zwar eine, die aussieht, als ob sie direkt aus Italien importiert wurde.
Schweizer Straße: Thaimassage und Kaffee
Jetzt steht Banzhaf zwischen dem grünen, marmornen Tresen und der riesigen Kaffeemaschine, und jongliert mit Tassen, Tellern und italienischen Gebäckteilchen. Es ist später Mittag, die Schlange derer, die für eine Tasse des in Florenz gerösteten Espressos anstehen, reicht bis auf die Straße. Im Radio läuft italienische Musik. "Es ist eine gute Mischung aus Leuten, die vorbeigehen, und Anwohnern", so Banzhaf.

Einen straßenweit neuen Trend will auch Pornphimon Plianklang begründen: Vor einigen Wochen hat die 48-Jährige am Schweizer Platz einen kleinen Thai-Massage-Salon eröffnet - in einem Nebenraum des Friseursalons "New Image". "Es war schwer, eine Unterkunft zu finden, denn viele Leute assoziieren Thai-Massage mit Prostitution, obwohl das gar nicht stimmt", sagt ihr Ehemann David Hänsel. Auch den kleinen Raum bekamen die beiden nur unter der Prämisse, dass sie "keine auffällige Außenwerbung" machen. Stammkunden hat der "Kleine Elefant" trotzdem schon: "Viele, die in den Gaststätten der Schweizer Straße arbeiten, freuen sich, dass jetzt direkt um die Ecke jemand ist, der ihnen nach der Arbeit die Füße oder den Nacken massiert."
Steigende Kosten in der Schweizer Straße
Was im "Kleinen Elefanten" oder im Café Monza klappt, kann aber auch ziemlich schiefgehen, sagt Iris Vec, Inhaberin des Wirtshauses "Zum Gemalten Haus" direkt nebenan. "Gastronomie zum Beispiel hat es in der Regel schwerer als der Einzelhandel. Mal ist eine bestimmte Bar hip, mal israelisches Essen. Dann machen überall israelische Restaurants auf - und dann ist der Trend plötzlich wieder vorbei." Diese Art von Wandel habe es aber immer schon gegeben. "Er ist ein Spiegel der Gesellschaft."

"Enorm" und "unfassbar" sind hingegen die Worte, mit denen die Anrainer der Schweizer Straße die dortigen Mieten beschreiben. Dass sich mittlerweile nicht Kette an Kette reiht, liegt unter anderem daran, dass viele der Häuser noch in Privatbesitz sind. Das Haus etwa, in dem Anja Merscher, geborene Köhler, ihr Wäschegeschäft hat, ist ihr eigenes. Vec gehört nicht nur das Gemalte Haus, sondern noch einige weitere entlang der Straße - für die sich in der Regel vor allem Friseure oder Bäckereien bewerben. "Wenn ich vermiete, achte ich aber darauf, Geschäfte zu bekommen, die passen", sagt Vec. "Man gestaltet die Umwelt, in der man lebt, ja mit."
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Noch gehe das. Doch je beliebter die Straße wieder wird, desto stärker steigen die Mieten. Und die Nebenkosten, etwa für Personal oder Strom. "Es gibt mittlerweile zu wenig versierte Gastronomen, die nicht sofort das Handtuch werfen, wenn es mal nicht läuft", sagt Torsten Schiller, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Schweizer Straße.

Und selbst das kann man nur eine begrenzte Zeit lang durchhalten. "Es gibt Monate, da muss ich noch Geld reinstecken", sagt Merscher, die ihr Wäschegeschäft in der dritten Generation führt. Deshalb sei jetzt schon klar: "Nach mir ist Schluss." Solange sie noch davon leben könne, werde sie weitermachen, sagt die 53-Jährige.
Schweizer Straße: Viele Vorschriften
Gastronomiebetriebe wie Apfelwein Wagner haben ein weiteres Problem: strengere Vorschriften. "An sich ist das ja sinnvoll", sagt Vec. Manchmal sei aber eine Grenze überschritten. Sie müsse zum Beispiel jeden Tag die Temperatur jedes einzelnen Kühlfachs überprüfen und dokumentieren. Auch von dem, in dem nur Bier sei. "Das kann gar nicht schlecht werden. Und ich kann mir sowieso nicht erlauben, warmes Bier zu servieren."

Auch dem Schweizer Straßenfest würden die Vorschriften eher schaden als nützen. "Beim ersten Fest hat jeder was auf den Schweizer Platz gekarrt und alle waren fröhlich. Heute braucht man Genehmigungen, muss Wochen vorher Schilder beantragen, braucht jemand, der die Umleitung überwacht. Kleine Geschäfte haben gar kein Geld, um da noch mitzumachen."
Zudem gibt es einen Mentalitätswandel. Hier scheint es eine Diskrepanz zwischen Gastronomie und Einzelhandel zu geben. Josef Oloumi etwa lobt die "nette, wunderbare Atmosphäre" und die Freundlichkeit der Sachsenhäuser. Sie hätten seine Sandwiches, die er im "Josef" seit dem Frühjahr anbietet, genauso begeistert angenommen wie seinen Kiosk vor 18 Jahren am Schweizer Platz.

Anja Merscher hat in ihrem Wäschegeschäft hingegen festgestellt: "Die Dreistigkeit der jungen Generation nimmt zu." Immer wieder ließen sich Kundinnen beraten, kauften dann aber im Internet. "Und ich hatte eineinhalb Stunden unbezahlte Arbeit." Einmal sei eine Kundin gekommen, die ihren Tchibo-BH von ihr richtig eingestellt haben wollte. "Da hab ich dann gesagt: Also wirklich nicht!"
Sarah Bernhard
Sachsenhausen ist ständig im Wandel. FNP-Redakteur Dieter Sattler, seit 20 Jahren Sachsenhäuser, schreibt über Vergangenes und Neues.
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