Sperrung oder Öffnung? Streit über Mainkai-Pläne in Frankfurt

Ein Abend, der als Dialog geplant war, zeigt die Spaltung in Frankfurter Verkehrsfragen. Nicht alle Teilnehmenden begrüßen den autofreien Mainkai.
Frankfurt - Ist es nun eine Sperrung oder eine Öffnung? Da verselbstständigt sich die Sprache immer noch, wenn vom Frankfurter Mainkai die Rede ist, selbst bei denen, die sich freuen, wenn auf der Uferstraße in der Frankfurter Altstadt keine Autos fahren. Und die Emotionen gehen hoch – vor allem bei denen, die für Autos auf dem Mainkai sind.
Freitagabend, Bürgerinnen- und Bürgerdialog im Historischen Museum. Thema: „Wie wollen wir den Mainkai nutzen und beschatten?“ Ums Beschatten geht es eher wenig im Dialog, ums Fahren mehr. Seit 2019 hat die Stadt mehrmals getestet, was passiert, wenn die 900 Meter Flussuferstraße den täglich 12 000 Kraftfahrzeugen für einige Zeit nicht zur Verfügung stehen.
Streit über autofreien Mainkai in Frankfurt
„Der Verkehr fährt in meinem Wohnzimmer“, sagt eine Sachsenhäuserin. „Eine Wahnsinnsbelastung“, sagt ein Sachsenhäuser. „Sie lenken die Verkehrsmasse in die einzige Zufahrt zum Krankenhaus – das werden einige Leute nicht überleben“, sagt ein Mitglied der Initiative „Sachsenhausen wehrt sich“. Es geht also für manche um Leben und Tod beim Mainkai. Damit müssen sich auf dem Podium drei Menschen auseinandersetzen, die allesamt dafür verantwortlich sind: Planungsdezernent Marcus Gwechenberger (SPD), Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne) und Grünflächenamtsleiterin Heike Appel.
Sie erwarten deutlich mehr Leben als Tod. Eine große Chance sei es für Frankfurt, sagt Appel, den Mainkai zu nutzen, um das Mainufer zu verbreitern und den Menschen mehr Freiraum zu geben, denn: „Die Grünanlage kommt an ihre Grenzen.“ Der Mainkai werde ein Stadtraum bleiben, „in dem sich Menschen von A nach B bewegen können“, sagt Siefert, nur halt ohne Auto. Fachleute aus Barcelona hätten sich darüber amüsiert, „wie man so lang über 900 Meter Straße diskutieren kann“.
Das Stadtentwicklungskonzept sehe vor, das Mainufer zugänglich zu machen, sagt Gwechenberger. Historisch bestehe ein enger Bezug der Innenstadt zum Fluss. Es gelte, den alten Hafen zu rekonstruieren, Grünflächen zu erweitern, denn: Wenn die Stadt durch den immensen Zuzug dichter wird, „brauchen wir auch neue Freiräume – und das wird insgesamt der Innenstadt guttun“.
Interesse erstaunlich gering für die große Aufregung
Davon sind nicht alle überzeugt. „Ich gebe ihnen gerne einen Platz in meiner Wohnung und einen Kaffee, dann sehen sie, dass alle Straßen zu sind“, sagt Herbert Brunner, Anwohner des verkehrsgünstig gelegenen Übergangs der Untermainbrücke in die Schweizer Straße und umgekehrt. Dass die Auto-Fahrzeit sich um nur eine bis zweieinhalb Minuten verlängere, wenn der Mainkai nicht zur Verfügung steht, wie es die städtische Untersuchung zutage förderte: für Brunner ein Märchen.
Die Mainufer beidseitig neu denken, nicht nur den Mainkai, fordern die Gestressten. Tunnel bauen, um all die Autos unterzubringen. Es geht hoch her. Dabei ist das Interesse erstaunlich gering für die große Aufregung. 30 Leute im Saal, 20 in der Online-Übertragung. Und es gibt durchaus Freunde des autofreien Kais. „Dinge verändern sich“, sagt Otto Gebhardt. „Wir brauchen deutlich weniger Autoverkehr. Mein Traum wäre, auch den Schaumainkai zuzumachen.“ Also gegenüber, dribbdebach. Und Andreas Bürger von der Initiative „Mainkai für alle“: Die Fakten seien doch klar, die Mehrheit sei für den autofreien Mainkai. „Wir sollten die Energie darauf verwenden, für Sachsenhausen auch was Tolles zu machen.“
Bis 2035 will Stadt Frankfurt den Autoverkehr um zehn Prozent reduzieren
Für Sachsenhausen seien Maßnahmen in Planung, sagt Siefert. Es gebe eine gewisse Mehrbelastung dort, ja, aber Auslöser für „die schwierigen Tage“ seien die Großereignisse, Mainfest, Museumsuferfest, nicht die Mainkai-Öffnung/Sperrung. Bis 2035 wolle die Stadt den Autoverkehr um zehn Prozent reduzieren zugunsten anderer Verkehrsmittel. „Dann wird es für alle besser.“ Vor allem für die ohne Auto: „Wir wollen dem Fuß- und Radverkehr endlich die Fläche zuweisen, die sie verdient haben“, sagt Siefert. „Es ist einfach wichtig, dass wir Angebote schaffen, damit sich jeder sicher zu Fuß oder mit dem Rad in dieser Stadt bewegen kann.“
Der Applaus, den er dafür erhält, zeigt: Auch im Saal ist die Mehrheit an diesem Abend für die Öffnung. Oder Sperrung. Je nachdem. (Thomas Stillbauer)