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Frankfurt und sein Gas: Die Hintergründe der aktuellen Krise

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Von: Sarah Bernhard

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Der Weg vom Gas-Förderfeld bis zur Frankfurter Wohnung ist lang. Wir erklären, wer wofür zuständig ist und wie die Energieversorgung funktioniert.

Wie kommt das Gas nach Frankfurt?

Physisch – logisch – durch meist unterirdische Leitungen. In den großen Hochdruckpipelines aus Ländern wie Norwegen oder den Niederlanden, durch die das Gas in normalen Zeiten mit etwa 20 Kilometern pro Stunde fließt, herrscht mit 100 bis 220 bar in etwa der gleiche Druck wie in 1000 bis 2200 Metern Meerestiefe. In Deutschland wird der Druck auf 15 bis 30 bar verringert und das Gas durch kleinere Transportrohre in die Leitungen der lokalen Energieversorger weitergeleitet.

Die Mainova-Tochter Netzdienste Rhein-Main (NRM) versorgt in Frankfurt rund 60 Prozent der Häuser direkt mit Gas. Ein weiteres Viertel der Haushalte nutzt Fernwärme, für die allerdings ebenfalls Gas gebraucht wird: Rund 41 Prozent der Wärme, die die Mainova 2021 produziert hat, kam aus Gaskraftwerken. Wie man heizt, hängt davon ab, wo man wohnt: Gas- und Fernwärmenetz liegen in der Regel nicht parallel, letzteres ist vor allem in der Innenstadt und rund um die verschiedenen Heizkraftwerke verfügbar.

Wie beschafft die Mainova Gas?

Das Unternehmen kauft nicht direkt bei den Förderländern ein, sondern auf einem virtuellen Marktplatz, der Gasbörse, von Importeuren oder Speicherbetreibern. Dazu hat die Mainova einen eigenen Trading-Floor, auf dem ein mehr als zehnköpfiges Team versucht, möglichst günstig Gas zu ergattern. Normalerweise auf dem Terminmarkt, wo jetzt Verträge für eine spätere Lieferung abgeschlossen werden: „Für 2023 sind wir schon fast vollständig eingedeckt und wir kaufen auch schon für 2024“, sagt Mainova-Sprecher Thomas Kögler. Wenn sich jene, die den Bedarf prognostizieren, verschätzt haben, etwa weil der Winter kälter ist als gedacht oder, wie im vergangenen Winter, kurzfristig Kunden von pleitegegangenen Billigversorgern übernommen werden müssen, muss am sogenannten Spotmarkt heute Gas für morgen nachgekauft werden.

Weil hier keine Zeit und kein Spielraum für cleveres Handeln bleibt, sind die Preise deutlich höher. Als klar wurde, dass künftig weniger Gas aus Russland kommen würde, stiegen die Preise auf beiden Märkten enorm. Auf dem Spotmarkt sanken sie zuletzt wieder deutlich, weil wegen des warmen Wetters das Gas-Angebot hoch war. Auf dem Terminmarkt gibt es hingegen kaum Entspannung, unter anderem, weil die Versorgung mittels Tankern teurer ist als die durch Pipelines. „Die Endkunden müssen sich deshalb leider auf weiter steigende Preise einstellen“, sagt Kögler.

Damit das Gas mit dem passenden Druck in den Haushalten und Kraftwerken ankommt, wird dieser an verschiedenen Stellen im Gasnetz - wie hier in der Solmsstraße - angepasst. FOTO: mainova
Damit das Gas mit dem passenden Druck in den Haushalten und Kraftwerken ankommt, wird dieser an verschiedenen Stellen im Gasnetz – wie hier in der Solmsstraße – angepasst. © Mainova

Energiekrise in Frankfurt: Der Energieverbrauch der Frankfurterinnen und Frankfurter

Verbrauchen die Frankfurter besonders viel Gas?

Ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt in Frankfurt verbraucht in einem durchschnittlichen Jahr etwa 12.000 Kilowattstunden (kWh), im Umland sind es 17.000 kWh. Das bedeutet aber nicht, dass die Frankfurter besonders motivierte Sparfüchse sind, sondern liegt unter anderem daran, dass es im Umland mehr frei stehende Häuser gibt, die schon allein wegen ihrer vielen Außenflächen stärker geheizt werden müssen.

Was man sagen kann: Während in Frankfurt rund 60 Prozent der Haushalte mit Gas heizen, sind es im Bundesgebiet nach Angaben des Branchenverbands BDEW zehn Prozent weniger. Ob das besser oder schlechter ist, liegt im Auge des Betrachters: Stattdessen heizen deutschlandweit 25 Prozent der Haushalte (Frankfurt: 15 Prozent) mit Öl, 14 Prozent (Frankfurt: 26 Prozent) mit Fernwärme, sechs Prozent mit alternativen Brennstoffen wie Holz (Frankfurt: unter einem Prozent) und fünf Prozent mit Strom oder Wärmepumpen (Frankfurt: unter einem Prozent).

Können wir nicht einfach mehr Müll oder Biomasse verbrennen, wenn das Gas knapp wird?

Theoretisch ist es möglich, den Haushalten, die direkt mit Gas heizen, das Gas zu überlassen, und die Fernwärmeversorgung auf die Verbrennung anderer Stoffe umzustellen. Zwar arbeitet die Mainova daran, praktisch reichen die Kapazitäten dafür aber noch nicht aus: Im Jahr 2021 kamen 29 Prozent der Fernwärme aus Steinkohle, 21 Prozent aus der Verbrennung von Müll, 7 Prozent aus Biomasse und 2 Prozent aus Öl. In einem kalten Winter, in dem die Kraftwerke sowieso schon auf Volllast gefahren werden, könnten nicht einmal alle zusammen ihre Kapazitäten so sehr ausweiten, dass sie die fehlenden 41 Prozent Wärme aus der Gasverbrennung ersetzen könnten. Deshalb ist es auf jeden Fall weiterhin sinnvoll, Gas zu sparen.

Der Frankfurter Energieversorger Mainova hat für das erste Halbjahr trotz der Energiekrise gute Geschäfte gemacht.

Macht die Mainova durch die kürzlich erfolgten Preiserhöhungen Super-Gewinne?

Nein, sagt Konzernsprecher Kögler. Erstens seien ja auch die Beschaffungskosten gestiegen. Zweitens vergrößerten die instabilen Märkte auch das Risiko, hohe Verluste zu machen. Und drittens käme mit den staatlichen Maßnahmen viel Mehrarbeit auf die Mainova zu. Etwa wegen des Gasdeckels: Vom 1. März an sollen 80 Prozent des prognostizierten Verbrauchs eines Haushalts 12 Cent pro kWh kosten, für die übrigen 20 Prozent wird der tatsächliche Preis fällig. „Wir haben unterschiedliche Vertragstypen, für die wir diese Regelung umsetzen müssen, und es wird sicherlich ein erhöhtes Serviceaufkommen geben“, sagt Kögler. Dasselbe gelte für den Strom, dessen Preis ebenfalls gedeckelt werden soll. „Das wird uns viel abverlangen und in der Kürze der Zeit eine riesige Herausforderung werden.“ (Sarah Bernhard)

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