Frankfurt will Chaos beim Lieferverkehr bändigen

Erstmals gibt es ein Logistikkonzept für Frankfurt. Der Lieferverkehr soll gebändigt werden, es gibt auch irre Ideen wie einen Hyperloop.
Frankfurt - Der Lieferverkehr soll in Frankfurt mehr Platz bekommen und so das Chaos auf vielen Straßen reduziert werden. Die Logistik auf den Straßen dafür zu priorisieren ist zentraler Bestandteil des Logistikkonzepts der Stadt. Erste Vorschläge daraus werden schon umgesetzt.
Berliner Straße, Weißadlergasse, Oeder Weg, bald in der Töngesgasse: Dort lässt die Stadt Lieferparkplätze markieren, auffällig per Symbol gekennzeichnet. Es ist das erste sichtbare Zeichen für einen Sinneswandel: Logistik sei "einer der Verkehre, die sein müssen", sagt Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne). Die Stadt müsse ihr Priorität einräumen, "was heißt, dass andere zurückstehen müssen". Mehr Lieferzonen erhöhten auch die Verkehrssicherheit. Freiwillig halte ja kein Lieferant in der zweiten Reihe oder auf dem Radweg, so Alexander Theiß von der Industrie- und Handelskammer (IHK).
Größte Branche der Stadt: IHK mahnt "zügiges Handeln" in Frankfurt an
Der Vorschlag von mehr Logistikparkplätzen in Geschäftsvierteln innerstädtisch und in Stadtteilzentren sowie für Paketdienste in Wohnquartieren ist im nun vorgestellten Logistikkonzept der Stadt enthalten. Es wurde im vorigen Jahr, noch angestoßen von Majers Vorgänger Klaus Oesterling (SPD), unter Beteiligung von Logistik und Wirtschaft sowie interessierten Bürgern erarbeitet.
Die Belange der Logistik zu berücksichtigen sei essenziell, betont Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst (FDP). Mit 83 000 Beschäftigten sei die Branche die größte und wichtigste der Stadt, noch vor der Finanzbranche. Doch sei Platzmangel das größte Problem der innerstädtischen Logistik, mahnt Stefan Schröder von der Beratungsfirma LNC Consultants. Und der Lieferverkehr nehme noch massiv zu, weil immer kürzere Lieferzyklen - am gleichen Tag, in einer Stunde - geboten würden. Diese Herausforderung gehe die Stadt erstmals konzeptionell an, sagt Stefan Majer. Das Konzept solle Teil des aktuell in der Erarbeitung befindlichen Masterplans Mobilität werden - und nach einem Stadtverordnetenbeschluss dann Leitlinie für die Stadt.
Wissenschaftler zu Frankfurt: Nicht Logistik verstopft die Straßen, sondern Privat-Pkw
"Kein Logistiker fährt aus Spaß einfach in die Stadt", sondern weil Verbraucher etwas bestellt hätten, erinnert Professor Kai-Oliver Schocke von der University of Applied Sciences (UAS). Sein Team hat das Erarbeiten des Konzepts begleitet. Wer Lieferverkehr reduzieren wolle, solle in lokalen Geschäften kaufen, wirbt Schocke. Auch wenn es angesichts Hunderter Lieferfahrzeuge täglich in der Stadt anders wirke: Die Logistik mache nur 15 Prozent des Verkehrs aus. "Das sind nicht die, die die Straßen verstopfen", erinnert der Wissenschaftler - das seien einzeln besetzte Privat-Pkws.
Das Logistikkonzept listet 30 Vorhaben verschiedener Priorität, Kosten und Machbarkeit auf. Dazu gehören diese:
- Mikrodepots , auch kooperative Hubs für mehrere Nutzer zugleich
- Güterverkehrszentrum vor der Stadt und gebündelte Lieferung
- Baustoff-Hub im Osthafen, um Baustellenlogistik zu zentralisieren
- Paketautomaten , die mehrere Anbieter zugleich nutzen können
- Lokale Lieferservices im Quartier
- Lieferzeiten in die verkehrsarmen Zeiten Abend und Nacht verlagern
- Saubere Antriebe fördern wie Wasserstoff- und Elektrofahrzeuge
- Güterstraßenbahn, die zum Beispiel Paketautomaten beliefert
- Logistikboote auf Main zum Beliefern von Logistik-Hubs
Schnell umsetzen lassen sich die Lieferparkplätze. Parkhäuser und Tiefgaragen seien nur zur Hälfte ausgelastet und könnten die Privat-Pkws problemlos aufnehmen, wenn deren Parkplätze umgewidmet werden, erklärt Schocke. Die Stadt wolle die Lieferzonen mittels mehr Kontrollen besser von Falschparkern freihalten, verspricht Majer - auch dank digitaler Unterstützung, die erkennt, ob und wie lange Fahrzeuge dort abgestellt sind.
Mikro-Depot in der Meisengasse Frankfurt: Pilotprojekt-Phase dauert schon fünf Jahre
Kurzfristig umsetzbar seien auch Mikro-Depots, heißt es im Konzept. Seit 2017 betreibt der Paketdienst UPS eines als Pilotprojekt in der Meisengasse am Parkhaus Börse: Lieferwagen bringen Pakete dorthin, Mitarbeiter fahren sie per Lastenfahrrad drumherum aus. "Da kann man langsam einmal etwas Beständiges draus machen", mahnt IHK-Geschäftsführer Theiß. Die Stadt müsse "in zügiges Handeln" kommen und die Logistik schon bei der Stadtplanung mitdenken. Majer und Wüst müssten dafür "ihre Kollegen mitnehmen", fordert Theiß.
"Die Logistik muss im Bewusstsein sein" in Verwaltung und Politik, mahnt Stefan Schröder von der Beratungsfirma LNC Consultants an. Das soll in der Verwaltung ein "Kümmerer" machen, stimmt Stefan Majer zu. Stellen und Geld solle es dafür in den nächsten Jahren geben.
Hyperloop-Warentunnel zum Flughafen Frankfurt
Auch Zukunftsvisionen enthält das Konzept wie einen Hyperloop-Warentunnel oder eine Logistikseilbahn zwischen Flughafen und Innenstadt oder die Lieferung eiliger Waren per Drohne. Realitätsnäher sind da Ideen wie die Güterstraßenbahn, die bereits 2019 getestet und seither für prinzipiell machbar eingeschätzt wird. Über sie könnten eines Tages Pakete zu an Haltestellen installierten Packstationen gefahren werden. Die erste Packstation an der U-Bahn-Haltestelle Heddernheim ist kürzlich in Betrieb gegangen, weitere folgen.
Das Konzept sei eine "Zwischenetappe", sagt Alexander Theiß. Unter anderem die IHK treibe die Verbesserung des Logistikverkehrs schon seit 2013 voran. Nun komme er aus seinem Schattendasein heraus, die Politik verstehe die Wichtigkeit: "Ohne Logistik würde die Stadt nicht funktionieren." (Dennis Pfeiffer-Goldmann)