Frankfurter Bahnhofsviertel: Mit diesen Schritten begegnet die Stadt den Problemen
Am Erscheinungsbild des Frankfurter Problemviertels hat sich bisher wenig verändert, doch hinter den Kulissen kommen Dinge in Gang.
Frankfurt - Man sieht es noch kaum, aber im Bahnhofsviertel tut sich was: Die zwei zum Jahresanfang geschaffenen Stellen bei der aufsuchenden Sozialarbeit OSSIP sind besetzt. Ein Platz zur Bündelung der privaten Essensausgaben ist gefunden. Das Hygienecenter wird angenommen. Und: Die Stadt ist in die aktive Suche nach einem Platz für einen sogenannten Expressrauchraum eingestiegen, der Crack-Konsumenten von der Straße holen soll.
Diese Maßnahme ist zentral, seit sich der Drogenkonsum in Frankfurt gewandelt hat. Denn im Moment gibt es in den vier Frankfurter Drogenhilfeeinrichtungen 37 Plätze für den intravenösen Konsum und 15 Rauchplätze. Vor 2012, als noch Heroin die dominante Droge war, war dieses Verhältnis sinnvoll. Heute dominiert Crack, und das wurde 2022 laut der Szenestudie des Frankfurter Centres for Drug Research von fast drei Vierteln der Befragten ausschließlich geraucht.
Konsum vor allem öffentlich in Frankfurt: Mehr Rauchräume nötig
Es bräuchte also mehr Rauchräume, insbesondere sogenannte Expressrauchräume. Beim Verein Freiraum in Hamburg gibt es einen solchen Expressrauchraum bereits, es ist ein Zimmer mit Tisch und vier Stühlen. „Die Leute gehen rein, rauchen, und gehen wieder“, sagt Fritz Hofmann, der dort seit 1998 als Sozialarbeiter tätig ist. Auch im Hof sei der Konsum möglich. Wer beim Dealen erwischt wird, bekommt einen Tag lang Hausverbot. „Die Polizei ist damit einverstanden, sie steht voll auf unserer Seite“, sagt Hofmann.

In Frankfurt geht das so schon mal nicht. Erstens wollen Polizei und Staatsanwaltschaft unter den gegebenen Bedingungen beim Kleinsthandel in den Einrichtungen kein Auge zudrücken. Und zweitens müssen in Hessen laut der „Verordnung über die Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen“ jeder Konsument und jeder Konsumvorgang pseudonymisiert registriert werden. Eine Konsumeinrichtung zu betreten, ist für Drogenabhängige also auf jeden Fall mit Aufwand verbunden, oft gibt es Warteschlangen. Eine Crack-Pfeife zu rauchen dauert jedoch nur Sekunden, der Kick hält nicht einmal eine Stunde, so dass man Crack viel häufiger konsumieren muss als etwa Heroin. Und Süchtige, die einen neue Dosis brauchen, sind nicht für ihre Geduld bekannt. Also rauchen sie meist weiter im öffentlichen Raum, wo es keinen Aufwand bedeutet, sich eine Pfeife anzustecken.
Expressrauchraum in bestehender Einrichtung - Drogenhilfe im Frankfurter Bahnhofsviertel
Um das zu ändern, zeigt sich das Land zumindest beim zweiten Punkt mittlerweile gesprächsbereit: Einen „zu einer Konsumeinrichtung gehörenden, vom öffentlichen Raum abgegrenzten Konsumraum-Annex“, also einen Expressrauchraum innerhalb einer Einrichtung, würde es laut Magistratsbericht - anders als den Ameisenhandel und ein Modellprojekt zur kontrollierten Cannabis-Abgabe - unterstützen.
Das Gesundheitsdezernat sieht in dieser Lösung weitere Vorteile: Die notwendige Infrastruktur sei bereits vorhanden. Zudem sei es „zielführend, wenn gerade die Crack-Konsumenten nicht nur einen Ort für den relativ schnellen Konsum hätten, sondern auch einen Rückzugsraum, um zur Ruhe zu kommen“, sagt Kirsten Gerstner, Sprecherin von Noch-Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne). Deshalb will die Stadt den künftigen Expressrauchraum an eine der zwei Drogenhilfeeinrichtungen im Bahnhofsviertel andocken. Aus dem gleichen Grund werden gerade zehn zusätzliche Tagesbetten geschaffen.
Frankfurter OSSIP-Stellen sind besetzt: Mehr Sozialarbeiter für das Bahnhofsviertel
Eine weitere Möglichkeit, die Menschen dazu zu bewegen, den öffentlichen Raum zu verlassen, ist, ihnen nachhaltig zu helfen. Dafür gibt es in Frankfurt unter anderem die Offensive Sozialarbeit, kurz OSSIP. Sie wurde am Jahresanfang von 7,5 auf 9,5 Stellen aufgestockt, nun wurden auch passende Bewerber für die aufgrund des Fachkräftemangels bisher vakanten Stellen gefunden: 1,5 Stellen sind seit Anfang dieses Monats besetzt, die fehlende halbe folgt im August.
Auch das neue Hygienecenter findet Anklang: Seit der Eröffnung vor drei Monaten hat sich die Nachfrage nach Duschmöglichkeiten und frischer Unterwäsche und Socken verdoppelt, die Zahl der Toilettenbesuche verdreifacht.
Essensverteilung: Platz ist gefunden - weniger Müll im Frankfurter Bahnhofsviertel
Dem Müllproblem will die Stadt unter anderem begegnen, indem die privaten Essensausgaben an einem zentralen Platz gebündelt werden, so dass Verpackungen und Essensreste nicht überall verstreut liegen. Mittlerweile habe das Koordinierungsbüro „einen geeigneten Platz direkt im Bahnhofsviertel gefunden, der die notwendigen Anforderungen erfüllt“, erklärt Christian Rupp, Sprecher von Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne). Im Moment liefen Gespräche, um die Essensverteiler auf die Änderung hinzuweisen. Um es den Bedürftigen, deren Gehirn vom Konsum oft geschädigt ist, einfacher zu machen, bereitet das Koordinierungsbüro außerdem eine Karte vor, auf der alle Essensausgaben verzeichnet sind. Die Daten seien gesammelt, der Druck stünde unmittelbar bevor, sagt Rupp.
Die Maßnahmen schließen an eine Reihe von Entwicklungen an: Im September haben Ordnungsamt und Polizei die Zahl Streifen erhöht, so dass auch die Zahl der entdeckten Verstöße stieg. Anfang des Jahres wurde ein Koordinierungsbüro gegründet, das als Bindeglied und Ansprechpartner für alle dient. Im April wurde ein Interims-Hygienecenter eröffnet. Und vor zwei Wochen gab es zum ersten Mal überhaupt ein Vernetzungstreffen von mehr als 50 städtischen Mitarbeitern, die bei ihrer Arbeit mit dem Viertel in Berührung kommen. (Sarah Bernhard)