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Frankfurter bangen um ihre Familien

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22 Spezialkräfte und zwei Rettungshunde der Hilfsorganisation @fire flogen von Frankfurt nach Istanbul, um bei der Suche zu helfen. FOTO: 5VISION.NEWS
22 Spezialkräfte und zwei Rettungshunde der Hilfsorganisation @fire flogen von Frankfurt nach Istanbul, um bei der Suche zu helfen. © Skander Essadi/5VISION.NEWS

Viele Türken und Syrer aus Frankfurt warten auf Nachricht aus der Heimat oder trauern bereits um ihre Angehörigen.

Frankfurt -Nach dem Erdbeben vom frühen Montagmorgen sitzt der Schock auch bei den Türken in Frankfurt tief. Bis gestern waren rund 5000 Tote bekannt geworden, davon 3400 in der Südtürkei und 1600 in Nordsyrien. Tausende werden noch vermisst. Rettungshunde, Technisches Hilfswerk und medizinische Helfer waren gestern bereits unterwegs ins Krisengebiet, jedoch noch keine größere Delegation aus Frankfurt. „Unsere Organisation hat bundesweit Freiwillige losgeschickt“, sagt etwa Norbert Klein, Sprecher des THW Frankfurt.

Informationen zu bekommen ist noch schwierig

Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen für weitere Hilfsaktionen auf Hochtouren. Etwa für die von Abdulaziz Zähter vom Solidaritätsverein syrischer Kurden in Frankfurt. „Die Kurdengebiete sind genau da, wo das Erdbeben war.“ Die Syrer in Frankfurt versuchten gerade, Informationen zu erhalten, wie es in ihrer Heimat aussehe, welche Angehörigen betroffen sind. Das sei allerdings noch schwierig.

Turan Kuzpinari ist Vorsitzender der Merez-Moscheegemeinde in der Münchener Straße. Sein Telefon klingelt im Moment ständig. „Wir informieren uns gegenseitig“, sagt er, „die Verbindung in die Türkei ist sehr schlecht.“ Zu viele Handy-Masten seien umgestürzt. Kuzpinari macht sich große Sorgen um seine Familie. „Sie leben in einem großen Haus in Gölbasi. Das Haus ist eingestürzt, viele sind verschüttet.“ Wer? „Bruder, Schwester, Cousine, Tante, Onkel“, sagt er. „Zum Glück war die Schwester meiner Frau nicht da. Sie ist im Urlaub.“ Sonst läge sie auch unter den Trümmern, womöglich tot. Kuzpinari schüttelt fassungslos den Kopf und greift wieder zum Telefon.

Im Büro des Vorsitzenden drängen sich Gemeindemitglieder, voller Sorge. Etwa Bital Karakis aus Gaziantep. „Soweit ich weiß, sind keine meiner Angehörigen verschüttet“, sagt er erleichtert. „Jetzt ist alles kalt dort, Winter. Es schneit.“ Die Katastrophe sei unaussprechlich.

Viele Frankfurter geben die Hoffnung noch nicht auf

Draußen, einige Schritte neben der Moschee, betreibt ein Friseur sein Geschäft. Er kommt aus der Südtürkei, er mache sich große Sorgen um seine Verwandtschaft. „Es ist noch zu früh, etwas zu sagen“, meint er höflich. Nein, nicht heute, es sei zu früh. Er habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Am Frankfurter Flughafen haben sich gestern ebenfalls dramatische Szenen abgespielt. Eine Frau stützt ihren Kopf auf den Armen ab. Seit 6 Uhr morgens wartet sie, ständig fielen die Flüge aus, erzählt sie, dabei möchte sie einfach nur im Flieger in die Türkei sitzen.

Drei junge Männer und eine Frau, die ihre Namen ebenfalls nicht nennen wollen, wollen zusammen auf die Suche nach ihren Familien gehen und wissen selbst nicht, was sie vor Ort erwartet. Von der Katastrophe erfuhren sie sowohl von ihren Verwandten vor Ort als auch aus dem Fernsehen. Die Lage sei ungewiss. „Wir wissen nicht, ob alle Verwandten in Sicherheit sind. Wir wissen nicht, wo unsere Hilfe benötigt wird“, sagt einer. Es wäre gut, wenn jemand die Helfer lotsen könnte.

Die vier haben Koffer voll warmer Kleidung dabei, Spenden von Freunden. Auch Babykleidung werde benötigt, Sanitärprodukte, Nahrungsmittel. „Die warme Kleidung werden wir verteilen“, sagt einer der Männer. „Wir haben auch Arbeitshandschuhe eingepackt.“ Sie wollen selbst mit anpacken, Trümmer wegräumen. „Wichtig ist, Verschüttete zu finden.“ Wann sie zurückfliegen, können sie noch nicht sagen. „Wir haben One-Way-Tickets.“ Das Wichtigste sei, jetzt so schnell wie möglich die eigenen Familienangehörigen zu finden.

One-Way-Ticket ins Ungewisse

Baris Ozbicki (44) wäre normalerweise in seiner Heimat gewesen, in Gaziantep. Aber er war auf Geschäftsreise in Deutschland. „So schlimme Erdbeben gab es bei uns in den letzten 500 Jahren nicht“, sagt er. Er macht sich große Sorgen um seine Familie und sein Haus. Nein, verschüttet sei in der Familie niemand. Aber ob das Haus noch steht? Er zuckt mit den Schultern. Die nächste Sorge: Wie soll er überhaupt nach Gaziantep gelangen? Rund herum könnten keine Flugzeuge landen. Straßen und Brücken sind zerstört.

Die meisten Häuser in Gaziantep seien eingestürzt. Selbst neuere Gebäude hätten dem Erbeben nicht standgehalten. Und nach wie vor werden Wohnhäuser durch Nachbeben erschüttert. Die Menschen, habe er gehört, hielten sich deshalb lieber in Fabriken auf als in den Häusern. Fabriken, so Ozbicki, seien viel stabiler und deshalb sicherer als Wohnhäuser. Außerdem gebe es in den Fabriken oft Küchen und die Möglichkeit, Essen zuzubereiten. Das Brot sei knapp. Was auch gebraucht werde, seien Tragen, da die Menschen versuchten, in der betroffenen Provinz Kahramanmas improvisierte Krankenhäuser zu bauen. Auch ausländische Teams helfen, dennoch gäbe es zum jetzigen Zeitpunkt noch immer nicht genug helfende Hände.

Schwiegereltern halten es nicht mehr aus

Esra K. (28) aus Langen begleitet ihre Schwiegereltern zum Flughafen. Die beiden seien zu Besuch in Deutschland, hielten es hier aber nicht mehr aus, seit sie am Montag die Bilder aus der Heimat im Fernsehen gesehen haben. Zum Glück sei keiner ihrer Verwandten verschüttet. Aber in den Städten der Provinz Kahramanmas liegen viele Menschen noch unter den Trümmern. Esra K.s Mann kommt aus Urfa - eines der Gebiete, die betroffen sind. Um den Menschen dort zu helfen, möchte sie Kleider und Geld spenden.

Zum Glück würden noch immer lebende Menschen gefunden, sagt sie, wie etwa erst kürzlich ein zwei Monate altes Baby. Ein Hoffnungsschimmer.

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