1. Startseite
  2. Frankfurt

Der Frankfurter Giftmischer, der das Morden revolutionierte

Kommentare

null
Karl Hopf als "Athos" im Frankfurter Schumann-Theater. Den Apfel auf der Kehle seiner Assistentin zerteilt er mit einem Hieb. © Archiv

Wally Hopfs Anfälle kommen aus dem Nichts. Immer wieder wird die junge Frau von heftigen Bauchkrämpfen, blutigem Durchfall und stechenden Kopfschmerzen heimgesucht. Sie bleibt dann im Bett, ihr Mann kümmert sich aufopferungsvoll um sie. Karl kocht und macht kalte Umschläge, er wechselt die schweißgetränkte Laken und sitzt an Wallys Seite, wenn sie sich vor Schmerzen windet.

Wally Hopfs Anfälle kommen aus dem Nichts. Immer wieder wird die junge Frau von heftigen Bauchkrämpfen, blutigem Durchfall und stechenden Kopfschmerzen heimgesucht. Sie bleibt dann im Bett, ihr Mann kümmert sich aufopferungsvoll um sie. Karl kocht und macht kalte Umschläge, er wechselt die schweißgetränkte Laken und sitzt an Wallys Seite, wenn sie sich vor Schmerzen windet.  

Erst viel später wird Wally Hopf die Ursache ihres Leidens erfahren: Sie wurde vergiftet. Monatelang hat Karl ihr mit dem Nervengift Arsen versetzte Getränke gegeben, ihre Wäsche mit tödlichen Viren bestrichen. Sie wird erfahren, dass sie Glück hatte. Als einzige – denn der Mann an ihrer Seite ist ein Serienmörder. Karl Hopf hat seine Eltern getötet, seine Kinder, seine vorigen Frauen. Dass Wally seine Anschläge überlebt hat, hat sie ihrer zähen Natur und dem Zufall zu verdanken.

Den Säbel an der Kehle

Dabei ist Karl Hopf nicht etwa ein eigenbrötlerischer Sonderling, sondern ein gefeierter Star im Frankfurt der 1910er: Unternehmer, Hundezüchter und sogar Weltmeister im Säbelfechten. Mit einem einzigen Hieb zerteilt der dunkelhaarige, stattliche Mann einen Apfel auf der Kehle seiner Assistentin. Sie trägt keinen Kratzer davon. Die Menge tobt.

Hopf, geboren in 1863, kommt rum. Mit 23 Jahren zieht es ihn weg aus der Geburtsstadt Frankfurt. Er lebt und arbeitet in London, Indien, Marokko, Brüssel. Finanziell unterstützt von seinem Vater, eröffnet er mehrere Geschäfte. Schließlich kehrt er zurück nach Deutschland und gründet in Wörsdorf bei Idstein 1890 ein Unternehmen, das Futtermittel vertreibt. Hopf ist den Frauen zugetan, hat eine Affäre mit seiner Haushälterin. Diese bringt einen unehelichen Sohn zur Welt. Das Kind stirbt nach wenigen Wochen, aber das ist nichts Ungewöhnliches in diesen Zeiten.  1898 verkauft Hopf sein Geschäft und gründet eine Hundezucht in Niederhöchstadt. Nach einem Jahr heiratet er Josefa Henel. Sein Geschäft scheint gut zu laufen, für ein Prachtexemplar von einem Bernhardiner bekommt er über 10.000 Goldmark. Eine stattliche Summe. Aber das Glück hält nicht lange: 1902 stirbt seine Frau, nach einer kurzen Krankheit.

Der Tüftler Hopf

Neben seiner Arbeit widmet Hopf sich der Wissenschaft. Er experimentiert mit Giften und Krankheitserregern,  entwickelt ein Gegenmittel für die Hundestaupe, eine Viruserkrankung beim Hund.

  Das biologische Material, welches er dafür braucht, bekommt er von einem bakteriologischen Institut in Wien. Die Österreicher lässt er im Glauben, sie verkauften an ein „bakteriologisches Laboratorium“. Das steht auf den Briefbögen, die Hopf verschickt. Dass sie hochansteckende Typhus- und Cholerabakterien an einen Privatmann liefern, wissen die Verkäufer anscheinend nicht. Später beschwert Hopf sich über die Bakterien des Instituts – wegen ihrer „sehr mangelhaften Wirkung beim Menschen“, schreibt er. Da hätte man als Verkäufer stutzig werden können. Allerdings kommt Hopf seine unleserliche Handschrift zu Gute: Die Betreiber des bakteriologischen Instituts lesen „Meerschweinchen“ statt „Mensch“.

So führt er seine Experimente unbehelligt fort. Er heiratet zwei Jahre später wieder, 1906 bekommt seine Frau Christine ein Kind. Aber auch hier scheint es das Schicksal nicht gut zu meinen: Die kleine Elsa stirbt bereits nach fünf Wochen.

null
Karl Hopf © Archiv

Die Mutter wird misstrauisch. Wieso ist das gesunde Mädchen so plötzlich tot? Und wieso wird Christine selbst jedes Mal krank, wenn sie zuhause bei ihrem Mann ist, fühlt sich aber deutlich besser, sobald sie ihre Eltern in Frankfurt besucht? Auch die Nachbarn tuscheln.  Spätestens, als Christine sich von Karl trennt, geht das Gerücht um, dass der junge Unternehmer mit dem ausgeprägten Interesse an chemischen Experimenten seine Frauen vergiftet. Sogar die Zeitung berichtet darüber. Trotzdem  passiert nichts, Hopf schafft es, allen den Mund zu verbieten. Er ist ein wohlhabender, einflussreicher Mann und kann es sich leisten, alle, die die Gerüchte aussprechen, wegen Verleumdung zu verklagen.  Seine Ex-Frau hält sich von ihm fern und heiratet erneut, stirbt aber im darauffolgenden Jahr. Angeblich an Schwindsucht. Ihre Eltern klagen Hopf wegen Giftmordes an, allerdings stellt die Staatsanwaltschaft Wiesbaden das Verfahren ein.

Vertrag mit dem Tod

Karl Hopf sattelt wieder um, wahrscheinlich weil ihm die Gerüchte um seine Person langsam zu heiß werden. Er verlässt Niederhöchstadt, gibt die Zucht auf, überlässt seine Sammlung an Hundeschädeln dem Senckenberg-Museum. Er zieht nach Frankfurt und legt sich mit dem Artist „Athos“ ein Alter-Ego zu. Mit seinen Säbelkünsten, die er während seiner Auslandsreisen perfektioniert hat, begeistert er das Publikum im Schumann-Theater.

An Ruhm mangelt es Hopf also nicht, das Geld ist trotzdem knapp. Er geht pleite und muss einen Offenbarungseid leisten. Wie praktisch, dass ein knappes Jahr später seine Mutter stirbt und ihm ein Vermögen von schätzungsweise 80.000 Mark hinterlässt. Eine stattliche Summe.

1912 heiratet Hopf zum dritten Mal. Seine Auserwählte heißt Wally Siewiec, eine Österreicherin. Sie wird ihm zum Verhängnis werden. Gleich nach der Hochzeit schließt Karl Hopf für sich und seine Frau eine Lebensversicherung ab: Beim Tod eines Ehepartners werden dem Hinterbliebenen 80.000 Mark ausgezahlt. Wally kommt das seltsam vor, trotzdem unterzeichnet sie die Police. Als ihr Mann ihr aber noch ein Schriftstück vorlegt, bei dem sie mit ihrer Unterschrift zustimmt, nach dem Tod verbrannt zu werden, protestiert Wally. Sie unterschreibt nicht.

Die Geister der Vergangenheit

Kurz darauf wird auch sie krank. Die Beschwerden setzen ein, nachdem sie eine Tasse Tee trinkt. Als sie anschließend ein Glas Sekt zur Besserung trinkt, verschlimmern sie sich. Das Seltsame: Auch das Dienstmädchen, die Putzfrau und die Pflegeschwester erkranken. Karl Hopf ist stets an ihrer Seite. Der Hausarzt ist ganz gerührt von seiner Hingabe. Auf die Idee, Wally in ein Krankenhaus zu überweisen, kommt er scheinbar nicht. Und ohnehin: Ihr Mann hält nichts von Krankenhäusern und besteht energisch darauf, seine Frau zuhause zu pflegen. Ein Todesurteil.

Dass Wally überlebt, hat sie dem Zufall zu verdanken: Ihr Hausarzt wird Anfang 1913 von einem Kollegen vertreten. Dieser erkennt Wallys Symptome als Vergiftungserscheinungen und schickt sie sofort ins Diakonissenkrankenhaus.

Weiterhin kümmert Hopf sich um seine Frau – besucht sie, macht Geschenke. Auf einem Strauß Blumen weisen Gerichtsmediziner später Typhus-Bazillen nach. Hopf hat die Blumen damit bestäubt, um Wally endlich unter die Erde zu bringen. Aber die erweist sich als zäh, ihr Zustand bessert sich. Nun hört der Anwalt, der vor Jahren die wegen Verleumdung verklagten Personen in Niederhöchstadt vertreten hat, von Wallys „Krankheit“. Er schaltet den Staatsanwalt ein. Polizeibeamte durchsuchen Hopfs Wohnung und nehmen den Frankfurter Serienmörder am 14. April 1913 fest.

Der Giftschrank im Haus

Die Hausdurchsuchung fördert Erstaunliches zu Tage: Einen ganzen Giftschrank finden die Polizisten, dazu Reinkulturen von Typhus-, Hautwurm- und Cholerabakterien. Hopf gibt an, damit Hundemedizin entwickeln zu wollen. Außerdem fallen den Ermittlern Bilder und Gegenstände in die Hände, die erkennen lassen, dass er sadistische Neigungen hat. Diese lebte er an Prostituierten aus, vermutlich einer der Gründe, warum er ständig in Geldnot war. Außerdem betätigte Karl Hopf sich anscheinend als Heiratsvermittler und bot an, Abtreibungen vorzunehmen. Von dieser Seite ihres Mannes hatte Wally Hopf wohl bis dahin keine Ahnung. Als sie das Krankenhaus wieder verlassen kann, zieht sie nach Dresden – weit weg von ihm. Später wird sie vor Gericht gegen ihren Mann aussagen.

Es kommt heraus, dass Hopf sie mit Arsen vergiftete, das er in Getränke mischte. Mit den Bazillen wollte er nachhelfen. Er gesteht, dass er die Medizin durch Fingerhutgift ersetzt hat. Außerdem trug er ein Fläschchen Zyankali bei sich, dass er im Falle einer Verhaftung nehmen wollte. Allerdings überraschten ihn die Polizeibeamten bei der Festnahme derart, dass es nicht mehr dazu kam.

Nun werden die Gerichtsmediziner aktiv. Die Leichen der Mutter, des Vaters, seiner ersten Frau und seiner Kinder werden ausgegraben und untersucht. Georg Popp, ein renommierter Chemiker aus Frankfurt, findet in allen Leichen Arsen. Der Kriminalfall erregt großes Aufsehen, immerhin ist es weltweit das erste Mal, dass Gerichtsmediziner Gift in  Leichen nachweisen. Jetzt wird die ganze Tragweite des Falles klar – der Varieté-Star Hopf ist ein Serienmörder. Jedes seiner Opfer starb zu Hopfs Vorteil. Beim Ableben seiner ersten Frau kassiert er die Versicherungssumme, durch das kurze Leben der Kinder spart er den Unterhalt. Nach dem Tod seiner Eltern erbt er.

Das Ende des Giftmörders

Das viele Geld nützt ihm aber nichts. In einem aufsehenerregenden Prozess spricht das Gericht ihn des mehrfachen Mordes schuldig. Unter anderem sagen die Mutter der getöteten Christine und seine Ehefrau Wally gegen ihn aus. Hopf verteidigt sich mit fadenscheinigen Ausreden: Seiner Tochter Elsa habe er beispielsweise erst nach dem Tod Arsen gespritzt. Elise Schneider, die Mutter Christines, entkräftet diese Behauptung im Gerichtssaal: „Meine Tochter hatte die Überzeugung, dass sie und das Kind vergiftet worden seien.“ Bei der Urteilsverkündung spricht der Richter von einer „neuen, wissenschaftlichen Art des Mordens“.

Weder Hopfs Geld noch sein sozialer Status können ihm jetzt noch helfen. Er wird zum Tode verurteilt. Am 23. März 1914 wird Karl Hopf im Hof des königlichen Strafgefängnisses Preungesheim hingerichtet. Er nimmt das mit kalter Gelassenheit hin. Am Tag der Vollstreckung schickt er den Pfarrer weg, beschwert sich über das schlechte Essen. Um sieben Uhr morgens trennt das Fallbeil den Kopf des Giftmörders vom Körper.  Karl Hopf stirbt binnen Sekunden im Hof des Strafgefängnisses Frankfurt-Preungesheim – ein viel schnellerer Tod, als er seinen Opfern zugestand. Beerdigen will seinen Leichnam niemand. Also wird er Marburger Studierenden zu Lehrzwecken zur Verfügung gestellt. Karl Hopfs gesammelte Hundeschädeln liegen übrigens bis heute in der wissenschaftlichen Sammlung des Senckenberg-Museums.

Auch interessant

Kommentare