Frankfurter Lohnbetrügern auf der Spur

Wer zahlt kein Mindestlohn? Zoll, Polizei und Finanzamt haben im großen Stil Firmen kontrolliert
Frankfurt -Die Wagenkolonne kommt um 9.06 Uhr leise und zielstrebig. Etwa 20 Fahnder in Zivil, von Zollamt, Polizei und Finanzamt, fahren am Donnerstagmorgen direkt auf den Hof der Autowerkstatt im Riederwald, steigen schnell aus und gehen, ohne zu zögern, in den Betrieb, in dem geschraubt und repariert wird. „Guten Tag, wir sind vom Hauptzollamt Frankfurt und machen jetzt eine verdachtsunabhängige Kontrolle“, wird der überraschte Firmeninhaber vom Einsatzleiter, dem Zollamtsrat Andreas R. (53), begrüßt. Seit 21 Jahren bekämpft er illegale Beschäftigung.
Nach dem ersten Schrecken und „leichtem Durcheinander“ zeigt der Firmenchef den Beamten die Papiere und Unterlagen für die insgesamt fünf Leute, die hier arbeiten, darunter ein Schüler- und ein Jahrespraktikant. Etwa eine Stunde lang sprechen die Fahnder mit ihnen und gehen Unterlagen durch.
Mal Freude, mal Beschimpfungen
„Gern gesehen werden wir nicht“, sagt R. „Meist geht die Kontrolle aber ruhig und friedlich ab.“ Einmal sei er wüst beschimpft worden, Drohungen, Beleidigungen und auch Angriffe kämen durchaus vor. Es gebe aber auch viele Firmenchefs, die froh über die Kontrollen seien - „vor allem, weil Schwarzarbeit den Wettbewerb verzerrt“, so R. „Die Sozialversicherung ist wichtig für Arbeitnehmer. Für Arbeitgeber ist sie ein Kostenfaktor. Manche nehmen deswegen Bußgelder billigend in Kauf, obwohl sie in unappetitliche Höhen bis in den sechsstelligen Bereich gehen können.“
Bei der bundesweiten Kontrolle werden allein in Frankfurt 17 Firmen mit 53 Mitarbeitern überprüft - verdachtsunabhängig. Die insgesamt 47 Fahnder, die an diesem Tag unterwegs sind, konzentrieren sich auf Autowerkstätten, Gastronomiebetriebe, Einzelhändler und Nagelstudios. Ihnen geht es vor allem um den gesetzlichen Mindestlohn, der 2015 eingeführt wurde und im Oktober 2022 auf zwölf Euro brutto erhöht wurde. „Es gibt viele Tricks und Kniffe, den Mindestlohn zu verschleiern“, so Christine Straß, Pressesprecherin am Hauptzollamt Frankfurt. „Arbeitnehmer werden gezwungen, unbezahlte Überstunden zu machen. Die Tätigkeit wird falsch beschrieben, oder Arbeitnehmer werden als Praktikanten oder Selbstständige dargestellt. Es kommt auch vor, dass Arbeitnehmer aus Angst um ihren Arbeitsplatz dem Zoll gegenüber nur behaupten, den Mindestlohn zu bekommen“, erzählt sie, während die Kontrolleure den nächsten Betrieb anfahren. Das Mindestlohngesetz (Milog) sei hilfreich für die Behörden, „da es eine feste Untergrenze gibt“, sagt der Einsatzleiter. Früher habe man nur Mittelwerte annehmen können, was heikel gewesen sei.
Kleinteilige Arbeit über Monate hinweg
Die Papiere aller Mitarbeiter werden in einem speziellen Wagen, der als Datenstation dient, überprüft und abgeglichen mit Zentralregister, Arbeitsamt, Sozialversicherung und Finanzamt. Genauere Überprüfungen erfolgen später. „Je nach Firmengröße kann das Monate dauern. Das ist sehr kleinteilige Arbeit“, so die Fahnder. Die Wagenkolonne rollt weiter zum nächsten Hof. Auch hier wird der Chef überrascht. Zwei Arbeitnehmer und zwei Praktikanten sind hier beschäftigt. Sie bleiben ebenfalls gelassen. Eine Stunde dauern die Gespräche und Kontrollen. Grundsätzlich finde man in allen Branchen Betriebe, die keinen Mindestlohn zahlten, sagt R., bevor die nächste Firma angesteuert wird. Hier ist nur der Chef von zwei Angestellten vor Ort. Seine Papiere hat er im Wagen außerhalb des Geländes, drei Beamte begleiten ihn dorthin. Dann telefoniert er mit dem Steuerberater, damit dieser Unterlagen schickt.
Die Ergebnisse der Kontrollen stehen erst später fest, wenn die Prüfungen und Nachermittlungen bei Verdachtsfällen weitere Ergebnisse liefern. „Wir sind ständig unterwegs und haben leider viel zu tun, weil auch Schwarzarbeit weit verbreitet ist“, so R.
2022 hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamtes 472 Arbeitgeber und 3952 Arbeitsverhältnisse überprüft. Die Schadensumme lag bei etwa 5,3 Millionen Euro. 2231 Strafverfahren wurden eingeleitet, von denen 1538 abgeschlossen wurden. In 896 Bußgeldverfahren wurden 79 Mindestlohnverstöße festgestellt, von denen 684 Verfahren abgeschlossen sind. Darunter fallen 57 Verstöße bei der Mindestlohnbezahlung.