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Frankfurter Neujahrsempfang im Zeichen des Irans

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Von: Thomas Remlein

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Sowohl der Schriftsteller Navid Kermani, der 2015 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, als auch Oberbürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg haben Wurzeln im Iran. FOTO: Rolf Oeser
Sowohl der Schriftsteller Navid Kermani, der 2015 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, als auch Oberbürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg haben Wurzeln im Iran. © Rolf Oeser

Rund 1200 Gäste feiern die Rede des deutsch-iranischen Schriftstellers Navid Kermani, bevor die Bürgermeisterin 2022 Revue passieren lässt.

Frankfurt -Es war der erste Neujahrsempfang nach zwei Corona-Jahren: Rund 1200 Gäste waren nach der erzwungen Pause zu einer Veranstaltung in den Römer gekommen, die ganz im Zeichen des Irans stand. Das lag an der amtierenden Oberbürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne), die 1985 als 20-Jährige aus dem Iran nach Frankfurt floh, und dem Gastredner, dem Schriftsteller Navid Kermani.

Kermani ist in Frankfurt kein Unbekannter: 2015 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Der 55-Jährige, der sowohl die deutsche als auch die iranische Staatsbürgerschaft besitzt, schilderte, wie sich „alle Iraner in Deutschland fühlen: Wir gehen durch die deutsche Realität wie Schlafwandler“. Als Beispiel schilderte er, wie er mit seiner Tochter beim Skifahren in den Bergen war. Selbst da verfolgte er auf dem Handy die Nachrichten aus dem Iran und erfuhr, dass zwei weitere Menschen hingerichtet worden seien.

Hingerichteter schrieb über die Liebe

Einer von ihnen, Mohammed Hosseini, sei ein einfacher Arbeiter in einer Hähnchenfabrik gewesen und als Waise aufgewachsen. Im Römer verlas Kermani einen Abschiedsbrief des Hingerichteten, in dem dieser von seiner Liebe zu den Menschen und der Natur schrieb. „Ob den über Whatsapp verbreiteten Text Hosseini oder ein anderer geschrieben hat, ist nach Ansicht Kermanis gleich. Denn: „Man wird sich nicht an die Henker erinnern, sondern an die Menschen, die über die Liebe schreiben.“

Der Schriftsteller forderte, die Aufmerksamkeit und den Druck auf das Mullah-Regime in Teheran hoch zu halten. Selbst in Regierungsumfragen sympathisierten 85 Prozent der Iraner mit den Protesten. „Für einen, der auf die Straße geht, stehen Zehntausende, die sich nicht trauen.“ Um das System zu erhalten, müsse es in „einem Meer von Blut waten“. Kermani sagt: „Es gibt kein Zurück für die Herrschenden.“ Den Iran sieht er „ökonomisch und ökologisch ruiniert“. Ein Land, das für sein Bewässerungssystem berühmt war, sei ausgetrocknet.

Für die dortige Situation habe es in Deutschland erst nach vierwöchigen Protesten Aufmerksamkeit gegeben - anders als für die Ukraine. Für die Lage in Afghanistan gebe es in Deutschland bis heute keine Aufmerksamkeit.

Auch Frankfurter Bürgermeisterin kommt aus dem Iran

Kermani erinnerte daran, dass Eskandari-Grünberg im Iran aufgewachsen ist und eine politische Gefangene gewesen sei, und verwies auf „den überraschenden Beginn ihrer Amtszeit“. Seit 12. November vertritt Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg den abgewählten Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) bis zur Neuwahl eines Stadtoberhauptes im März.

Eskandari-Grünberg würdigte die Stadt Frankfurt, die sich zum sicheren Hafen erklärt habe. Die Stadt habe 10 000 geflüchtete Menschen aufgenommen, zuletzt, wegen Putins brutalen Angriffskriegs, viele Ukrainer.

Auch die Bürgermeisterin kritisierte „die Politik von Tod und Folter des Mullah-Regimes“. Über die Protestierenden sagte sie: „Ich applaudiere diesen Frauen und Männern, die sich nicht einschüchtern lassen.“ Frankfurt sei eine Stimme für diese Menschen und sei in die Geschehnisse eingebunden.

„Ich bin stolz auf diese Stadt“

In der Corona-Zeit hätten die Menschen Abstand halten müssen, es sei aber keine soziale Distanz entstanden. Ältere seien nicht allein gelassen worden. „Ich bin stolz auf diese Stadt“, sagte die Bürgermeisterin mehrmals, als sie das vergangene Jahr Revue passieren ließ. Sie kündigte an, das Bahnhofsviertel „besser zu gestalten“. Die Drogenabhängigen dürften nicht alleingelassen werden. Für Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Antiziganismus sei in Frankfurt kein Platz.

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