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Mike Josef (SPD): „Diese Stadtregierung hat mehr Potenzial“

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Von: Thomas Remlein

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Zwei Kandidaten, zwei Interviews, beinahe identische Fragen – im Gespräch mit dem Frankfurter OB-Kandidaten Mike Josef (SPD).

Frankfurt – Die Entscheidung über den neuen Oberbürgermeister von Frankfurt wird in einer Stichwahl am Sonntag (26. März) fallen. Beim ersten Wahlgang am 5. März kam keiner der Kandidaten auf die erforderliche absolute Mehrheit. Die meisten Stimmen erhielt Uwe Becker (CDU), es folgte Mike Josef (SPD). Beide Kandidaten gehen damit in die Stichwahl.

Wie froh waren Sie, dass Sie knapp vor Manuela Rottmann die Stichwahl erreicht haben?

Das ist ein erstes Ziel gewesen. Das hab’ ich erreicht. Darauf bau’ ich jetzt auf. Das gibt mir Ansporn für das zweite Ziel: Am 26. März Oberbürgermeister dieser Stadt zu werden.

Wie haben Sie die Zeit seitdem erlebt?

Intensiv, bereichernd, mit sehr viel positiver Resonanz und das trägt mich auch.

Gibt es einen Unterschied zum Wahlkampf vor der Stichwahl?

Man merkt schon, dass es in den Debatten etwas schärfer wird; zugespitzter. Ich finde es aber nicht schlecht, um auch die Unterschiede darzustellen. Es geht jetzt darum, die Leute zu überzeugen mit den Themen, die man gesetzt hat. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, der Geradlinigkeit und der Verlässlichkeit. Und dafür stehe ich auch.

Was war Ihr schönstes Wahlkampf-Erlebnis?

Ich habe unheimlich viele Erlebnisse. Allein, wenn man morgens mit der U-Bahn fährt oder zu Fuß zur U-Bahn geht, wird man angesprochen. Egal, ob die Leute sagen: Ich wünsche ihnen viel Erfolg oder sagen: Ich hab’ da mal ’ne Frage. Was mich wirklich berührt hat: Am Wahltag, am 5. März, war ich an der U-Bahn-Station Bornheim Mitte, um Pizza zu holen für die Familie, wir hatten Freunde zu Besuch. Da saß ein junger Mann, der war vielleicht so alt wie ich – obdachlos. Ich bin vorbeigelaufen und er meinte: „Herr Josef, ich erzähle allen, die hier vorbeilaufen und mit denen ich rede, ihre Lebensgeschichte.“

Sie haben es angesprochen: Hatten Sie in den vergangenen drei Monaten überhaupt noch Zeit für Familie und Freunde?

Ganz, ganz wenig. Das ist etwas, was man vermisst.

Holte im ersten Wahlgang 24,0 Prozent der abgegebenen Stimmen: Mike Josef (SPD).
Holte im ersten Wahlgang 24,0 Prozent der abgegebenen Stimmen: Mike Josef (SPD). © Boris Roessler/dpa

Interview mit Frankfurts OB-Kandidat Mike Josef (SPD) vor der Stichwahl

Wo sind Uwe Becker und Sie sich ähnlich?

Na, wir haben beide einen kommunalpolitischen Background. Ich jetzt noch, er nicht mehr. Ansonsten sind wir fair im Umgang. Und wollen durchaus das Beste für die Stadt. Ich glaube, ich habe die besseren Instrumente.

Was können Sie besser als er?

Ich glaube, ich habe eine Beständigkeit, dadurch, dass wir in der Stadtregierung vernünftig und gut zusammenarbeiten und ich einen guten Zugang zu den Kolleginnen und Kollegen im Magistrat habe. Ich habe die Offenheit und die Neugier, die ganze Stadt im Blick zu haben und sie auch zusammenzuhalten.

Was kann Uwe Becker besser als Sie?

Das müssen Sie Uwe Becker fragen.

Was sind die drei größten Probleme, die Frankfurt im Moment hat?

Bezahlbaren Wohnraum, gute Schulen, die Sauberkeit in unserer Stadt. Das sind die drei größten Herausforderungen. Das kriegen wir nur finanziert mit einer starken Wirtschaft.

Welches dieser drei Probleme werden Sie als Erstes anpacken?

Als Erstes werde ich mich dafür starkmachen, dass wir eine Verordnung gegen spekulativen Leerstand bekommen. Es kann nicht sein, dass fast 10000 Wohnungen leer stehen. Ich will einen Energiehilfefonds auf den Weg bringen, für die Menschen, die sich nicht mehr aus eigener Kraft die Nebenkosten leisten können. Gleiches gilt auch für die Sport- und Kulturvereine. Das werde ich als Erstes angehen. Aber auch das Bewusstsein schaffen, dass die Sauberkeit unserer Stadt uns alle angeht. Ich werde eine Gesellschaft gründen, die Schulen schneller saniert, wo wir Direktvergabe machen können. Das werde ich die ersten 100 Tage umsetzen.

Ein Oberbürgermeister hat gar nicht so viel Macht, wie die Wahlversprechen im Moment unterstellen. Sollte man da nicht realistischer für sich werben?

Ein Oberbürgermeister sollte vor allem ambitioniert sein. Er muss Ambitionen haben; gerade in einer Stadt, die so viel Potenzial hat. Er sollte auch den Anspruch haben, mit viel Spaß und Freude dieses Potenzial zu heben. Ein Oberbürgermeister kann sehr Vieles umsetzen, indem er einen Wertekompass vorgibt, Führung zeigt und zusammenführt.

Interview mit Frankfurts OB-Kandidat Mike Josef (SPD) vor der Stichwahl

Sie wurden laut Wahlanalyse eher von jüngeren Frauen und Männern gewählt. Haben Sie es in einer vielgestaltigen Stadt wie Frankfurt einfacher als Uwe Becker?

Meine Ambition ist es, dass ich so viele Menschen wie möglich erreiche, egal ob jung oder alt, Mann oder Frau. Am Ende geht es darum, dass wir gemeinsam die Stadt zusammenhalten.

Sie haben Ihr Stammwählerpotenzial längst nicht ausgeschöpft. Woran lag das Ihrer Meinung nach?

Das zeigt, dass wir noch Potenzial haben, das wir dann ausschöpfen werden.

Spielte da möglicherweise die Awo-Affäre der SPD eine Rolle?

Das ist jetzt alles sehr spekulativ. Ich habe ja die Leute nicht gefragt. Aber ich habe eines sehr deutlich gemacht: Wenn es eine Anklageerhebung gegen den ehemaligen Oberbürgermeister gibt, werde ich die Reißleine ziehen und seinen Rücktritt fordern. Er wollte nicht zurücktreten. Ich habe mit meiner Entscheidung den Weg frei gemacht für die Abwahl des Oberbürgermeisters. Deswegen schaue ich zuversichtlich in die Zukunft, weil wir ein neues Kapitel aufschlagen wollen, wo es um die Herausforderungen unserer Stadt geht.

Glauben Sie, dass Sie als Teil der SPD und Teil der Koalition, die ja sehr lange mit der Abwahl des Oberbürgermeisters beschäftigt war, Aufbruch vermitteln können?

Ich glaube, dass wir vieles auf den Weg gebracht haben. Auch in der Art der zuverlässigen Zusammenarbeit. Ich will auch deutlich machen, dass im Vergleich zur Koalition vorher ein sehr guter Zugang zueinander vorhanden ist. Dass wir aber auch in der Frage der Wohnungspolitik und der Sozialpolitik mit Elke Voitl vorangekommen sind. Alles in allem machen wir eine gute Arbeit, aber diese Stadtregierung hat mehr Potenzial. Dieses möchte ich heben.

Sie haben Ihr Potenzial nicht ausgeschöpft im ersten Wahlgang. Wie wollen Sie dieses Mal die SPD-Wähler an die Urne bringen?

Mit vielen direkten Gesprächen, und es muss vor allem deutlich sein: Es wird mit mir die Bezahlbarkeit der Stadt langfristig gesichert. Weil ich aus meinem eigenen Werdegang weiß, wie wichtig es ist, dass sich die Arbeit der Menschen so lohnen muss, dass sie ein Zuhause in dieser Stadt haben, das bezahlbar sein muss.

Interview mit Frankfurts OB-Kandidat Mike Josef (SPD) vor der Stichwahl

Sie werden auch die Wähler der Grünen zum Wahlsieg brauchen. Wie wollen Sie die überzeugen?

Am Ende geht es darum, dass unsere Stadt sozial, ökologisch und wirtschaftlich stark bleibt. Wir fangen ja nicht bei Null an. Es wird demnächst das erste Hochhaus mit über 60 Meter geben in Holzbauweise. Wir haben im Hilgenfeld das erste Mal ein Quartier gebaut, das zu 75 Prozent klimaneutral ist. Zielsetzung ist, dass wir mit dem Ausbau der Fernwärme bis 2035 klimaneutral werden. Das will ich gemeinsam mit meinen grünen Kolleginnen und Kollegen im Magistrat machen. Deswegen habe ich auch nie jemandem angedroht, das Dezernat wegzunehmen.

Das wäre die nächste Frage: Denken Sie darüber nach, die Dezernats-Zuschnitte zu ändern?

Ich werde niemanden ein Dezernat wegnehmen. Ich werde für mich aller Voraussicht nach das Sportdezernat mitnehmen. Weil für mich der Sport nach Corona eine wichtige Anlaufstelle ist.

Noch immer scheint die SPD in die Awo-Affäre verstrickt. Der Hauptamtsleiter Tarkan Akman musste kürzlich gehen. Können Sie da einen Neustart garantieren?

Ganz klar: Ich dulde keine Korruption. Ich habe dem ehemaligen Oberbürgermeister gesagt: Wenn es zur Anklageerhebung kommt, werde ich seinen Rücktritt fordern. Er ist nicht zurückgetreten, wir haben seine Abwahl mit entschieden. Darüber hinaus werde ich das System, das im Hauptamt über den Oberbürgermeister aufgebaut wurde, zerschlagen. Indem ich einen neuen Hauptamtsleiter nach Qualifikation mit einer Ausschreibung einstellen möchte. Ich werde das Presse- und Informationsamt wieder eigenständig mit einer eigenen Amtsleitung besetzen. Ich werde beim Protokoll wieder einen echten Protokollchef/in haben, der/die nach den protokollarischen Vorgaben und Rahmenbedingungen entscheidet und nicht nach der Entscheidung der Person des Oberbürgermeisters. Weder das Protokoll noch das Presse- und Informationsamt noch das Hauptamt sind die Marketing-Maschine des Oberbürgermeisters. Sie haben die Scharnier-Funktion zwischen Stadtverwaltung und Bürgerinnen und Bürgern. Das wird eine meiner ersten Amtshandlungen sein, diese Struktur zu zerschlagen, die das System von Begünstigungen und Fehlentscheidungen mit Blick auf die Korruption unterstützt hat. Dafür stehe ich. Da, wo die Staatsanwaltschaft ermittelt, muss alles auf den Tisch kommen. Das werden wir unterstützen. Es geht um die vielen Anständigen im öffentlichen Dienst, die eine vernünftige Arbeit machen. Da, wo es Fehlverhalten gibt, werden wir dieses klar sanktionieren. Dafür werde ich als Obermeister sorgen.

Und was werden Sie am Tag nach der Wahl tun?

Ganz ehrlich: Einfach mit der Familie frühstücken. Aber spät.

Das Interview führte Thomas Remlein.

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