Parteipolitik stärker zurückstellen und uns darauf konzentrieren, was das Beste für die Stadt ist.
Warum hat es eigentlich nicht früher geklappt mit der OB-Kandidatur?
Ich habe erst jetzt meinen Wunsch so deutlich klargemacht. Ich hätte mir das auch schon früher vorstellen können, aber letztes Mal dachte ich, dass die Chancen gegen Peter Feldmann höher sind, wenn nicht sein Stellvertreter gegen ihn ins Rennen geht. Doch gerade jetzt nach Abwahl, Skandalen und mit Stillstand und Streit im Römer sehe ich es als Chance, die Stadt in anderer Form, mit Integrität, Herz und Verstand zu führen.
Ihr Stammwählerpotenzial haben Sie quasi ausgeschöpft. Wie bekommen Sie am Sonntag, trotz anderslautender Wahlempfehlung, die Stimmen der Grünen-Wähler?
Ich habe nicht nur die erste schwarz-grüne Koalition in Frankfurt verhandelt, sondern muss mich auch bei den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht erst erfinden. Zum Beispiel habe ich über Jahre die Investitionen der Mainova in Windkraft und Fernwärme vorangetrieben. Und ich habe Kinder und möchte, dass sie in einer gesunden Umwelt ihr Leben gestalten können. Die Grünen-Wähler haben ja auch für einen Aufbruch gestimmt, und den sehe ich eher bei mir. Ich erinnere außerdem daran, dass die Grünen 2016 ohne das Engagement von Uwe Becker nicht im Magistrat geblieben wären. Nun gibt es in der Politik keine Dankbarkeit, aber man kann durchaus die Frage stellen, wer glaubwürdiger Brücken baut.
Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber viele der jüngeren Grünen-Wähler halten Sie vermutlich für einen „alten weißen Mann“, der ...
Ich bin kein alter weißer Mann, sondern ein dynamischer Frankfurter, der schon als Jugendtrainer mit jungen Menschen im Team an sportlichen Zielen gearbeitet hat. Und wir haben jetzt eine ganze Reihe gesellschaftlicher Themen vor uns, die nur gemeinsam mit Menschen unter 45 zu erreichen sind.
Verstehen Sie denn, wenn junge Menschen sagen: Ihr habt das Jahrzehnte lang verbockt, es reicht jetzt?
Wir haben es ja nicht nur verbockt, sondern auch Positives erreicht, etwa den Kohleausstieg im Heizkraftwerk West. Aber ich kann verstehen, dass die junge Generation da noch ungeduldiger ist und energischer darauf drängt, dass wir uns den Zukunftsfragen im Klimaschutz zuwenden. Aber man muss auch darüber sprechen, wie man Dinge vernünftig entwickelt in einer Stadt, die Wirtschaftsstandort, unter anderem für die Pharmaindustrie, und ein großer Verkehrsknoten ist. Extreme helfen da nicht, es braucht einen Ausgleich.
In der Zeit der schwarz-grünen Mehrheit mit Peter Feldmann als Bürgermeister gab es immer wieder Attacken gegen ihn. Haben Sie Angst vor einer möglichen Rache der SPD?
Nein. Ich bringe die charakterlichen Voraussetzungen mit, die für eine gute Zusammenarbeit wichtig sind, und das konnte ich von der damaligen Konstellation nicht sagen. Ich werde schnell deutlich machen, dass mir viel an gemeinsamem Arbeiten liegt.
Denken Sie darüber nach, als OB die Dezernats-Zuschnitte zu verändern?
Ich sehe, dass wir eine Großbaustelle im Bildungsbereich haben, wo erkennbar nichts vorangeht, sondern im Gegenteil, Neubau und Sanierung immer schleppender werden. Da will ich genau hinsehen, ob das vielleicht in anderen Händen besser läuft, aber das will ich erst in Gesprächen sondieren.
Gönnen Sie sich nach Sonntag eine Belohnung für die viele Arbeit, die Sie in den Wahlkampf gesteckt haben?
(lacht) Wenn die Frankfurter mich zum Oberbürgermeister wählen, ist das Belohnung genug. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als die Chance zu haben, meine Heimatstadt gestalten zu können.
Zurück zur Frage, was Mike Josef besser kann als Sie.
(er überlegt wieder lange)
Sagen Sie doch einfach: Nichts?!
Nein, das wäre arrogant. Es gibt sicher Dinge, die er besser kann, die mir gerade nicht einfallen.
Das Interview führte Sarah Bernhard.