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Frankfurter Polizei zeigt jungen Flüchtlingen, wie man sicher radelt

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Von: Sabine Schramek

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Bei einem Verkehrskurs der Polizei für Radfahrer mit Geflüchteten zeigt Kolja Schönebach, wie es geht.
Bei einem Verkehrskurs der Polizei für Radfahrer mit Geflüchteten zeigt Kolja Schönebach, wie es geht. © Enrico Sauda

Der Kurs verfolgt noch ein Ziel: die aus der Heimat mitgebrachte Angst vor der Polizei abbauen.

Frankfurt -Kolja Schönbach sieht nur ein bisschen aus wie ein Polizist. Statt Uniform trägt der Polizeioberkommissar einen leichten blauen Blazer mit der Aufschrift „Polizei“. Die fünf Jugendlichen mit Fahrradhelmen, die gegenüberstehen, wirken schüchtern. Sie alle sind mutterseelenallein vor den Taliban in Afghanistan oder vor dem Krieg in Syrien geflohen, haben Schreckliches erlebt, leben seit ein und zwei Jahren geschützt in einer Wohngruppe und werden von Sozialarbeitern betreut. Sie machen Sprachkurse, dennoch sind Dolmetscher für Paschtu und Arabisch dabei. Die Fachbegriffe für Verkehrszeichen in der praktischen Anwendung auf Fahrrädern im Gewusel auf dem Verkehrsübungsplatz am Grüneburgpark wären sonst schwer zu vermitteln. Schönbach strahlt die 15- bis 18-Jährigen an und macht Scherze, um ihnen die Scheu zu nehmen.

Gelernt wird mehr als nur Verkehrsregeln

„Viele haben in ihren Heimatländern die Polizei als Feind und nicht als Freund und Helfer kennengelernt. Hier können sie gleichzeitig Verkehrsregeln lernen und erleben, dass die Polizei Ansprechpartner ist, wenn es Probleme gibt“, so der Beamte, der den Jungs die Fahrräder zeigt, auf denen sie nach der Theorie die Praxis üben.

Dann deutet er auf das Vorfahrtschild für die nächste Kreuzung. „Wer hat Vorfahrt?“, fragt der Polizist. Die jungen Männer rätseln. Nur einer weiß es. Die anderen interpretieren den dicken Pfeil mit den beiden Spitzen unten und den Strichen an der Seite als Rakete und damit als Stopp-Zeichen. Schönberg überrascht das nicht: „Sie alle haben schlimme Erinnerungen und Erlebnisse hinter sich, die wir nicht haben. Auch das muss man wissen.“

Seit 2015 gibt es Verkehrskurse fürs Radfahren, die sich gezielt an unbegleitete minderjährige Flüchtlinge richten, zusätzlich zu den Jugendverkehrskursen für Schüler, die von insgesamt sechs Teams der Verkehrspolizei angeboten werden. Schönbach macht beides. Die beiden Mohammeds (15 und 16), Faizula (17), Ayaz und Shazad (18) hören konzentriert zu. Sie stehen verteilt an einer Kreuzung, Schönberg zeigt Verkehrszeichen. Und fragt. „Wer hat hier Vorfahrt?“, „Worauf muss ich beim Abbiegen achten?“, „Wer muss stehenbleiben?“. Spielerisch wird fast ein Quiz draus, auf das sich alle einlassen. Auf Rädern geht es weiter. Handzeichen zum Abbiegen, Schulterblick, einfädeln, Vorfahrt achten. Erst unsicher, dann immer fröhlicher radeln die Teilnehmer die wie echt wirkenden Kreisel und Straßen lang, werden korrigiert und bekommen immer wieder andere Verkehrszeichen zu sehen. Einige kommen aus Gegenden ohne Straßen und ohne Verkehrsschilder. Auf dem Rad sind sie in Deutschland noch nicht gefahren.

Bis auf einen der Jugendlichen besuchen alle die Schule. „Es dauert leider sehr lange, bis Schulplätze für die Wohngruppen frei sind“, erzählt Sozialarbeiterin Kerstin Heß. „Es gibt zu wenig Lehrer und zu wenig Plätze. Dabei sind die Jungs so motiviert und wollen so gerne lernen. Das lässt natürlich nach, sie werden müde, wenn sie ein Jahr warten und rumsitzen müssen.“ Mohammed (15) wartet seit mehr als einem Jahr auf einen Schulplatz. Er ist blitzgescheit, stellt beim Verkehrskurs kluge Fragen.

Alle haben Spaß, auch dank Schönbachs Humor und Empathie. „Vor allem die Ampeln“ mögen die Geflüchteten, „das Radfahren an sich“ und „die Verkehrszeichen“. Wenn sie könnten, wie sie wollten, würden sie gerne neue Orte mit dem Rad entdecken. Eigene Fahrräder haben sie noch nicht. Aber nach dem Kurs eine Urkunde, die sie stolz macht. Das Wohnheim kann damit Räder bezuschussen lassen. Heß fragt, wer mit ihr eine Radtour im Sommer machen möchte. Alle strahlen und wollen dabei sein. Die Schüchternheit ist weg. Die Gesichter der jungen Männer sind entspannt. Sie lächeln und bedanken sich ohne Scheu bei Schönbach. „Das war schön. Gute Polizei. Danke.“

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