„Reichsbürger“-Razzia in Frankfurt: Wer ist „Rädelsführer“ Prinz Heinrich Reuß?
„Reichsbürger“ Heinrich Reuß soll einen Staatsstreich vorbereitet haben. In seinem Wohnhaus im Frankfurter Westend wurde er festgenommen.
Frankfurt - Bei der bundesweiten Razzia gegen die Reichsbürgerszene mit 25 Festnahmen in elf Bundesländern hat Frankfurt gestern eine besondere Rolle gespielt. Der Frankfurter Immobilienunternehmer Prinz Reuß, der den Vornamen Heinrich XIII. trägt, wird beschuldigt, Rädelsführer jener Gruppe zu sein, die einen Staatsstreich vorbereitete. Beamte nahmen den 71-Jährigen gestern in seinem Wohnhaus im Westend fest. Auch die Büroräume des Prinzen im Nordend wurden durchsucht.
Der Einsatz begann am frühen Morgen: Um 6.01 Uhr betraten Spezialkräfte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes und des Landeskriminalamtes den unscheinbaren Altbau im Nordend und verschafften sich Zugang zu den Büros im 1. Stock. Dort betreibt Reuß gemeinsam mit zwei Geschäftspartnern eine Firma, die „die Koordination geschäftlicher Interessen“ zur Aufgabe hat. In den Büroräumen finden die Ermittler massenweise Aktenordner, auf deren gelben Rücken die Buchstaben „BRD“ mit dickem schwarzem Edding geschrieben stehen. „Reichsbürger“ verwenden diese Buchstaben für die Bundesrepublik, die sie nicht anerkennen. Den Prinzen finden die Beamten im Nordend indes nicht.
Prinz Heinrich Reuß aus Frankfurt: Höflicher, gepflegter älterer Herr im Fokus der „Reichsbürger“-Razzia
Vom Polizeieinsatz abgesehen ist es eher still in der Straße. Passanten wundern sich über das große Polizeiaufgebot: „Stimmt das, was ich im Radio gehört habe?“, fragt ein Mann. „Reichsbürger? Hier?“ Der ältere Herr? Ausgerechnet? Er sei doch immer so höflich, sagt ein Nachbar fassungslos. „Ich habe unzählige Pakete für ihn angenommen. Wer weiß, was das war“, berichtet ein Mann schockiert.

Ein höflicher älterer Herr mit tadellosem Erscheinungsbild und verschwörungtheoretischem Gedankengut: Bei seiner Festnahme in seinem Wohnhaus, einem Altbau im Westend, trägt Heinrich Reuß eine rostfarbene Cordhose, ein blaues Jeanshemd und ein senffarbenes Tweed-Jackett. Die graumelierten, kinnlangen Haare hat er glatt zurückgekämmt. Er leistet keinen Widerstand.
Reuß’ verschwörungsideologische Gedanken sind in Reden nachzuvollziehen. Darin behauptet er, ganz im Sinne der „Reichsbürger“-Ideologie, Deutschland sei kein souveräner Staat, sondern lediglich ein „vereintes Wirtschaftsgebiet“. Das Deutsche Reich sei „völkerrechtlich nicht untergegangen“.
„Reichsbürger“-Razzia auch in Frankfurt: Staatsstreich im Schloss vorbereitet
Seine Umsturzpläne soll der Prinz nicht nur in Frankfurt geschmiedet haben, sondern vor allem in seinem Jagdschloss an der Saale. Das Anwesen soll den Reichsbürgern für ihre Treffen gedient haben, bei denen sie den Umsturz der Bundesregierung geplant haben sollen.
In Frankfurt trat der Immobilienunternehmer, dem 16 Immobilien in der Stadt gehören sollen, selten öffentlich auf, verhielt sich unauffällig, führte ein scheinbar ganz normales Leben.
Während Polizisten das Gebäude im Frankfurter Westend durchkämmen, tuscheln Passanten. Niemand hält es dort für möglich, dass ein „Reichsbürger“ direkt in ihrer Nachbarschaft lebt, der die Regierung stürzen, den Bundestag stürmen und Politiker entführen will. Nach dem geplanten Staatsstreich hätte der Frankfurter Reuß als Staatsoberhaupt eingesetzt werden sollen, heißt es.
Prinz Reuß in Frankfurt: Kopf eines deutschlandweiten Terrornetzwerks?
Auch im Nordend zieht sich die Durchsuchung bis zum Nachmittag. Polizisten bewachen die Eingangstür. Briefträger, Paketboten und Anwohner werden angehalten und kontrolliert, bevor sie das Gebäude betreten dürfen. Ein Lastenradfahrer fährt schnell an der Immobilie vorbei und ruft: „Wo hier in der Straße sind die Reichsbürger?“
Im Laufe des Tages kommen immer mehr Leute in die sonst ruhige Straße, zeigen mit den Fingern auf das Haus und unterhalten sich über die Razzien. Die Polizei hat die Fenster mittlerweile mit schwarzer Folie abgehängt, um neugierige Blicke abzuschirmen. „Ich will mir gar nicht vorstellen, dass hier so schreckliche Verbrechen geplant wurden“, sagt eine Frau.
Dass der Mann, der „immer mit dem Fahrrad ins Büro kommt und freundlich grüßt“, der Kopf eines deutschlandweiten Terrornetzwerks sein soll, schockiert die Nachbarn. „Er ist leise und eigentlich unauffällig“, sagen sie, allerdings kennt ihn auch niemand näher. (Sabine Schramek/pit/han)