Frankfurter SPD fordert ihren OB zum sofortigen Rücktritt auf

Nach sexistischer Äußerung von Peter Feldmann denkt die Koalition auch über eine Abwahl nach
Frankfurt – Jetzt also doch: Die Frankfurter SPD hat am Montag den unter Korruptionsverdacht stehenden Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) zum sofortigen Rücktritt aufgefordert. "Die Würde des Amtes, das Ansehen der Stadt und die Handlungsfähigkeit des Magistrats erfordern dies", begründete Kolja Müller, stellvertretender SPD-Parteichef, den einstimmig gefassten Beschluss des Vorstands auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Krankheitsbedingt konnte der Parteivorsitzende Mike Josef nicht teilnehmen.
Am Wochenende war ein Video in den sozialen Netzwerken aufgetaucht, dass den Oberbürgermeister in einem Flugzeug auf dem Weg zum Europapokalfinale nach Sevilla zeigt. Über das Bordmikrofon teilt er den 200 Eintracht-Fans im Flieger wortwörtlich mit: "Ich habe hier eine Ansage sowohl vom Bodenpersonal als auch hier von den Flugbegleiterinnern, die mich hormonell am Anfang erst einmal außer Gefecht gesetzt haben." Diese Äußerung hat nicht nur bei den Frankfurtern für Empörung gesorgt, wie man aus hunderten Kommentaren bei Facebook, Twitter und Co. schließen kann, sondern auch im Römer.
"Die sexistische Äußerung des Oberbürgermeisters auf dem Flug nach Sevilla ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine zu verurteilende Entgleisung", sagte denn auch Kolja Müller. Und Ina Hartwig, ebenfalls stellvertretende SPD-Parteivorsitzende und Kulturdezernentin der Stadt, fügte hinzu: "Der Oberbürgermeister wirkt im Moment nicht trittsicher. Die Zeit der Herrenwitze ist vorbei."
Die beiden Sozialdemokraten wiesen zudem daraufhin, dass sich "dieses Verhalten in eine Reihe weiterer Fehlleistungen" einreihe. Am vergangenen Donnerstag hatte der Rathauschef beim Empfang der Frankfurter Europapokalsieger für zahlreiche Irritationen gesorgt. So hatte er nicht nur Eintracht-Kapitän Sebastian Rode und Trainer Oliver Glasner den Pokal aus der Hand genommen und ist damit in Richtung Kaisersaal gelaufen, sondern hat als "Eintracht-Fan" mehrere Namen der Spieler falsch ausgesprochen. Eintracht-Vorstandssprecher Axel Hellmann sagte gestern übrigens der Bild-Zeitung: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Peter Feldmann bei unseren Spielen im Stadion noch willkommen ist."
Nicht zu vergessen: Die Staatsanwaltschaft hatte im März Anklage gegen Feldmann wegen eines "hinreichenden Tatverdachts der Vorteilsannahme" erhoben. Seine Frau soll als Leiterin einer Kindertagesstätte der Arbeiterwohlfahrt (Awo) "ohne sachlichen Grund" ein übertarifliches Gehalt bezogen haben.
"Der Oberbürgermeister muss jetzt Verantwortung übernehmen", sagte Hartwig. "Er hat selbst ohne Not seine eigene Handlungsfähigkeit eingeschränkt." Noch im April, kurz nach Bekanntwerden der Anklageerhebung, hatte der SPD-Vorstand Feldmann lediglich aufgefordert, sein Amt niederzulegen, falls das Gericht das Hauptverfahren zulässt - was bisher nicht geschehen ist. "Die Situation hat sich seit dem Wochenende aber geändert", so Hartwig.
Feldmann selbst äußerte sich gestern nicht zu dem neuen Beschluss seiner Partei. Er ließ lediglich über einen Sprecher mitteilen: "Der Oberbürgermeister wird sich zeitnah dazu mit einem Statement äußern."
CDU, FDP und Volt hatten bereits vor Wochen den Rücktritt Feldmanns gefordert - und bekräftigten dies am Montag abermals. Die Grünen, die das Verhalten des OB als "einen neuen Tiefpunkt" und "zutiefst beschämend" bezeichneten, fordern nun ebenfalls den sofortigen Rücktritt. Zudem wiederholte CDU-Fraktionschef Nils Kößler sein Angebot von Ende März an die Römer-Fraktionen, gemeinsam ein Abwahlverfahren für den OB in die Wege zu leiten, sollte er uneinsichtig bleiben und nicht zurücktreten. "Es zeichnet sich ein Bild einer Person, die den Anforderungen an das Amt deutlich nicht mehr gerecht werden kann", begründete Kößler diesen Schritt.
Eine Abwahl eines vom Volk gewählten Oberbürgermeisters ist allerdings nicht einfach. Laut Hessischer Gemeindeordnung, Paragraf 76, müssen zunächst die Hälfte der Stadtverordneten einem Antrag zur Abwahl zustimmen. Dieser Beschluss wiederum muss mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Politiker abgesegnet werden. Anschließend müssen die Bürger das Stadtoberhaupt abwählen. Das geht aber nur, wenn die Mehrheit der gültigen Stimmen für die Abwahl ist und diese mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten ausmachen. Zu Erinnerung: Die Wahlbeteiligung bei der OB-Stichwahl 2018 lag bei 30,2 Prozent.
"Die Hürde kann genommen werden", sagte Kößler im Gespräch mit dieser Zeitung. Nach den "jüngsten Entgleisungen" Feldmanns sei die Entrüstung bei den Bürgern groß, der Ruf des OB nachhaltig beschädigt. "Wer den Rücktritt fordert, muss auch Taten folgen lassen, wenn dies nicht geschieht. Und da ist die Abwahl der einzige Weg."
Offensichtlich zieht mittlerweile auch die Koalition aus Grüne, SPD, FDP und Volt eine Abwahl in Betracht. Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Yanki Pürsün, sagte, dass die Liberalen "ein breites gesellschaftliches Bündnis anstreben", um Feldmanns Amtszeit zu beenden. Die anderen Koalitionsparteien wollen darüber immerhin diskutieren - auch die SPD. Vom Parteivorstand hieß es dazu: "Wir tauschen uns darüber aus, welche Schritte noch zu gehen sind." Julia Lorenz
Kommentar: Persona non grata
Jetzt kommt es dicke für Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Und das ist gut so! Erst fordert ihn seine SPD zum sofortigen Rücktritt auf, kurze Zeit später sagt Eintracht-Vorstandssprecher Axel Hellmann, der Oberbürgermeister sei nicht mehr willkommen im Eintracht-Stadion. Es wurde Zeit, dass Konsequenzen gezogen werden aus dem irrationalen Handeln Feldmanns.
Erst die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, dann die Anklage wegen des Verdachts der Korruption, Polizei-Besuch im Römer, der hochnotpeinliche Auftritt beim Empfang der Europapokalsieger von Eintracht Frankfurt - und zuletzt das Video, in dem der OB im Flieger nach Sevilla erzählt, das Bodenpersonal und die Flugbegleiterinnen hätten ihn "hormonell außer Gefecht gesetzt". Das Video ging viral, die Entschuldigung Feldmanns verhallte zu Recht - auch in der Römerkoalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt. Alle fordern sie jetzt den Rücktritt des "Stadtoberhaupts".
Die CDU hat das Angebot ans Römerbündnis erneuert, einen Abwahlantrag zu unterschreiben. Doch dort lauert die Gefahr. Die Hürden sind hoch - sehr hoch. Denn nicht nur muss die Mehrheit der abgegebenen Stimmen für die Abwahl des Rathauschefs sein, nein, diese Mehrheit muss auch mindestens 30 Prozent der wahlberechtigten Frankfurter ausmachen. Das ist riskant. Bliebe das Quorum unerreicht, ginge Feldmann gestärkt aus dem Verfahren heraus.
Deshalb ist der Weg, der jetzt angegangen wird, richtig: Der Magistrat, die ehrenamtlichen Stadträte, die Stadtverordneten, die SPD-Ortsvereine, aber auch Vereine, Verbände, Institutionen - sie alle müssen sich von Feldmann distanzieren, müssen ihm den Rücken kehren. Heißt: Keine gemeinsamen Termine, keine Einladungen, keine Fotos. Nichts. Der OB muss es erleben: Er ist eine Persona non grata. Julia Lorenz