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Frankfurt bittet um „Notfamilien“: Jugendamt-Mitarbeiter sollen Kinder bei sich aufnehmen

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Die Inobhutnahme für Mädchen in Bornheim ist eine stationäre Einrichtung zur Unterbringung von weiblichen Jugendlichen in Frankfurt.
Die Inobhutnahme für Mädchen in Bornheim ist eine stationäre Einrichtung zur Unterbringung von weiblichen Jugendlichen in Frankfurt. © Rolf Oeser

Weil Plätze für Inobhutnahmen fehlen, bittet die Stadt Frankfurt ihre Beschäftigten um Mithilfe. Manche fühlen sich davon unter Druck gesetzt.

Frankfurt - Die Stadt Frankfurt versucht mit sogenannten Notfamilien präventiv Kapazitäten vorzuhalten, falls Kinder und Jugendliche in der Inobhutnahme keinen stationären Platz bekommen, sondern kurzfristig in einer Familie untergebracht werden müssen. Dazu informierte die Amtsleitung des Jugend- und Sozialamts vor wenigen Tagen die Beschäftigten in einem Rundschreiben über die „aktuelle krisenhafte Situation bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen im Inobhutnahmebereich“. Gleichzeitig bat sie „interessierte und geeignete Personen“ darum, sich zu melden, um selbst als „Notfamilie“ zu fungieren.

Beschäftigte des Jugend- und Sozialamts haben sich daraufhin an die Presse gewandt, um die Probleme öffentlich zu machen. Anscheinend fühlen sie sich moralisch unter Druck gesetzt, eine solche Verantwortung übernehmen zu müssen – immer unter der Prämisse, dass die Personallage im Jugend- und Sozialamt schon generell schwierig sei.

Programm „Notfamilie“ in Frankfurt: Dezernentin will „keinen moralischen Druck“ aufbauen

Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) meldete sich aus ihrem Urlaub, um das Thema einzuordnen. Es wäre ihr unrecht, wenn der Eindruck eines moralischen Drucks entstehe, erläuterte sie im Gespräch mit der FR. Es sei eine vollkommen freiwillige Entscheidung, sich am Programm „Notfamilie“ zu beteiligen. Gleichwohl nannte Voitl die Lage angespannt. Jede Notfamilie sei eine vorsorgliche Sicherheit, sollte es in diesem Bereich zu Engpässen kommen.

Tatsächlich sei es in der Vergangenheit auch schon vorgekommen, dass Kinder oder Jugendliche in eine Notfamilie kamen. Meist für einen Tag, maximal sei dies bisher für eine Woche geschehen. „Das Konzept ist auf höchstens zehn Tage angelegt“, sagte Voitl. Derzeit habe man sechs Notfamilien von Beschäftigten aus dem Jugend- und Sozialamt. Momentan sei aber kein Kind in einer Notfamilie.

Frankfurt bittet um „Notfamilien“: Auch Hamburg und München schlagen Alarm

Das Konzept hatte Voitl mit der Amsleitung initiiert, weil Städte wie Hamburg und München schon vor längerer Zeit Alarm geschlagen hätten, dass die Plätze für Inobhutnahmen nicht mehr reichten. Voitl wollte Frankfurt auf eine solche Situation vorbereitet wissen. Das Konzept sieht vor, dass die Beschäftigten dann vom Dienst freigestellt sind, um sich um die jungen Menschen zu kümmern. Ihr Gehalt werde weitergezahlt, zudem gebe es eine Vergütung für die Aufnahme. Auch rechtlich sei die Familie abgesichert.

Um die Situation im Jugendschutz weiter zu entschärfen, hat die Dezernentin 22 neue Stellen geschaffen. Nun gehe es darum, diese auch zu besetzen. In einigen Fällen sei dies bereits gelungen, doch Fachpersonal zu gewinnen, sei schwierig.

Jugendamt-Mitarbeiter in Frankfurt sollen Kinder bei sich aufnehmen

Was die Situation bei den Inobhutnahmen so angespannt mache, seien nicht die Inobhutnahmen selbst. Diese lagen 2019 mit 635 auf einem Höchststand. Seitdem sinken sie kontinuierlich – 2022 waren es 535. Zugenommen hätten allerdings die niedrigschwelligen Hilfen, sagte Voitl. Diese umfassen alle Schritte, die vor einer Inobhutnahme zu gehen sind – die Wegnahme des Kindes sei das letzte Mittel. Dazu zählen unter anderem Hilfen zur Erziehung mit Beratungen, Betreuungshelfer:innen oder auch Familienhilfe.

In der Regel werden die aus der Familie genommenen Kinder in stationären Einrichtungen untergebracht. 64 Plätze für die Inobhutnahme von 0- bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen gibt es in Frankfurt, hinzu kommen 14 außerhalb der Stadtgrenzen. Reicht dieses Kontingent nicht aus, greife das Amt auf die Notfamilien zurück. Ein weiterer Pfeiler sind die Bereitschaftspflegefamilien, die die Kinder temporär (meist zwischen einer Woche und vier Monaten) aufnehmen. Derzeit sind auf diese Weise 57 junge Menschen untergebracht.

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