Gegen Landminen, für Menschenrechte
„Medico International“ wird in diesem Jahr 50. Ein runder Geburtstag, der heute mit einem Jahresempfang gefeiert wird. Wir stellen die Hilfsorganisation vor.
„Medico International“ ist eine bekannte und renommierte Hilfsorganisation, die unlängst in ein eigenes, mehrstöckiges Bürogebäude in der Lindleystraße ziehen konnte. Möglich wurde der Hausbau durch Unterstützung der gleichnamigen Stiftung medico, welche die Unabhängigkeit der Organisation sichern soll. Dabei fing alles ganz klein an: Vor 50 Jahren, im Mai 1968 wurde Medico gegründet. Es war die Hochzeit der Studentenbewegung. Nur waren es keine Soziologen, Politologen oder Ökonomen. „Es waren Frankfurter Bürger, Medizinstudenten und Ärzte, die Medico gegründet haben“, sagt Anne Jung. Sie ist Gesundheitsreferentin bei Medico.
Vor 50 Jahren sammelten sie Medikamente und schickten sie nach Afrika, nach Biafra. In Frankfurt, dem Gründungsort von Medico International, entsteht in der Hanauer Landstraße ein Lager für Hilfsgüter. Dem Medikamentenversand folgen Personaleinsätze in Katastrophensituationen nach Erdbeben und Überschwemmungen wie 1970 in Peru. Ein Fahrzeugpark wird eingerichtet; werden die Rettungswagen nicht im Ausland gebraucht, fährt man in Kooperation mit dem Arbeiter-Samariter-Bund auch auf deutschen Straßen. Sogar eine Hundestaffel baut Medico auf.
Guter Wille, wenig Ahnung
„Die erste Phase war geprägt von viel gutem Willen und recht wenig Ahnung“, urteilt Dr. Thomas Seibert, Referent für Menschenrechte, der seit 1997 bei Medico arbeitet. „Letztlich nutzten die Medikamente nur wenig, denn die Beipackzettel waren auf Deutsch, niemand konnte sie lesen.“ Es konnte nicht so weitergehen. Medico musste besser werden. Die zweite Phase, das zweite Jahrzehnt von Medico, war geprägt dadurch, dass man sich Partner an Ort und Stelle suchte. „Es gibt Ärzte in Afrika, Südamerika, Asien. Es gibt sie, und sie kennen die Lage viel besser als wir“, sagt Anne Jung. Es kam darauf an, diese Kräfte zu stärken. „Basisgesundheitsdienste“ wurden aufgebaut – finanziert von Medico – und brachten Infrastruktur in Kriegsgebiete: Damals gab es viele Befreiungskriege in Afrika und Südamerika. Medico war immer parteiisch, stellte sich an die Seite der Befreiungsbewegungen und gründete in ihren Gebieten die Gesundheitsdienste. Wegen dieser Parteinahme musste sich auch die Öffentlichkeitsarbeit von Medico wandeln: Vom Spendensammeln, dem Appell an das Mitgefühl, wird Medico zu einer politischen Stimme, die „kritische Solidarität“ mit den Befreiungsbewegungen zeigt.
Crux der Globalisierung
Dass – wie Seibert und Jung einräumen – am Ende nicht alle Blütenträume wahr werden, aus befreiten Ländern keineswegs immer bessere Länder werden, dafür macht Medico die Folgen der Globalisierung mit verantwortlich: „Vertreibung, Hunger, Ausgrenzung. Bei allen Konflikten lässt sich ein Anteil der wirtschaftlichen Globalisierung feststellen“, sagt Anne Jung. Für Seibert liegt das Beispiel auf der Hand – oder am Körper: Die Kleidung, die man für ein paar Euro kaufen kann, ist oft in Pakistan und Bangladesch unter menschenunwürdigen Bedingungen genäht worden. „Der Patron dort beutet seine Leute aus. Aber er wird von unseren Textilketten ausgebeutet. Und wir – die Kunden – haben gar keine andere Möglichkeit, als die Hosen zu kaufen. Die Arbeiter haben keine Wahl, wir haben keine Wahl.“ Den Kampf für eine bessere Globalisierung hat Medico sich auf die Fahnen geschrieben.
„Wir können nicht nur immer die Wunden verbinden“, sagt Anne Jung. „Wir müssen vorher ansetzen.“ Mit diesem Beweggrund startete Medico 1993 eine Kampagne gegen Landminen. „Anfangs hielt man uns für Träumer“, so Jung. „Ein Verein wie ihr kann es doch nicht mit der Waffenlobby aufnehmen.“ Doch die Hartnäckigkeit zahlte sich aus: Mehr als 100 Staaten unterschrieben 1997 den Vertrag zum Verbot von Landminen. Im gleichen Jahr erhielt Medico den Friedensnobelpreis.
Die Organisation arbeitet heute hoch professionell mit 40 festen Mitarbeitern. Das Budget beläuft sich auf rund neun Millionen Euro. Davon gehen rund 90 Prozent an Partnerorganisationen in aller Welt. Der Schwerpunkt liegt im Nahen und Mittleren Osten: Wegen des Palästina-Konflikts und der Kriege in Syrien und im Irak.