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Verkehrsverbund empfiehlt in Frankfurt: „Gehen Sie zu Fuß“

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Bitte steigen Sie hier an der Hauptwache nicht gleich in die nächste S-Bahn ein, sondern verlassen Sie die Station und gehen Sie 39 Minuten lang zu Fuß nach Bornheim - das empfiehlt der Rhein-Main-Verkehrsverbund in seiner App „RMVgo“.
Bitte steigen Sie hier an der Hauptwache nicht gleich in die nächste S-Bahn ein, sondern verlassen Sie die Station und gehen Sie 39 Minuten lang zu Fuß nach Bornheim - das empfiehlt der Rhein-Main-Verkehrsverbund in seiner App „RMVgo“. © Pfeiffer-Goldmann, Dennis

Einige Fahrgäste, die die neue App „RMVgo“ nutzen, werden überrascht: Mitten in Frankfurt empfiehlt der RMV lange Fußwege statt kurzer Bahnfahrten.

Frankfurt -Gehen Sie zu Fuß, nutzen Sie nicht Bus und Bahn! Diese Empfehlung gibt nicht etwa ein Gesundheitsapostel, sondern der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) in Frankfurt. Ursache dafür ist eine Fehlfunktion in der neuen App „RMVgo“. Die soll ab dem Jahreswechsel allerdings die zentrale Auskunfts- und einzige digitale Fahrscheinkaufstelle sein.

Kurios: Auf dem Bahnsteig der S-Bahn-Station Hauptwache die App „RMVgo“ geöffnet und nach der nächsten Fahrmöglichkeit nach Bornheim Mitte gesucht. Der RMV gibt zur Auskunft: Verlassen Sie sofort die Station und gehen Sie zu Fuß 2,7 Kilometer in 39 Minuten zum Ziel. Dabei soll in Kürze eine S1 zur Konstablerwache einfahren, wo wiederum nach drei Minuten eine U4 nach Bornheim abfährt. Folgt der Kunde der Empfehlung des RMV, ist er deutlich länger unterwegs - er käme erst um 14.46 Uhr an, mit den Bahnen aber bereits um 14.18 Uhr. Zudem bringt sich der RMV mit der Empfehlung auch noch um den Ticket-Verkauf.

RMV: Probleme mit der neuen App „nur in Einzelfällen“

Beim Verbund gibt man sich überrascht über die Fehlfunktion in der mit viel Tamtam vor zwei Monaten eingeführten App. „Der Start von ,RMVgo‘ läuft ohne nennenswerte technische Probleme“, erklärt Sprecherin Vanessa Rehermann. „Das ist bei der Einführung einer komplett neuen App nicht selbstverständlich.“ Rückmeldungen erreichten den Verbund „nur in Einzelfällen zu Problemen von Nutzenden bei Log-in oder Ticketkauf“.

Ansonsten gebe es Rückmeldungen fast nur zu gewünschten Erweiterungen, etwa einer Möglichkeit zum Konfigurieren der Schriftgröße, weiteren Zahlungsmöglichkeiten oder einem dunklen Modus. Auch sind Verbindungsauskünfte weniger kompakt als in der vorigen App dargestellt, wo sie sich noch mit einem einzelnen Screenshot fotografieren und simpel etwa per Whatsapp versenden ließen.

Vom Problem mit den kuriosen Auskünften hingegen wollte der RMV erst auf Anfrage dieser Zeitung gehört haben. Die Ursache für die Falschauskünfte: Die Standardeinstellungen der Routenoptionen sehen bis zu zwei Kilometer lange Fußwege zur ersten und ab der letzten Haltestelle vor sowie bis zu drei Kilometer Fußweg gesamt. Die Einstellungen lassen sich zwar individuell anpassen, doch diese Anpassung vergisst die App, sobald sie geschlossen wird.

Einstellung orientiert sich an Landbevölkerung - nicht an der größten Stadt Frankfurt

Die Grundeinstellung sehr langer Fußwege verteidigt die RMV-Sprecherin: Dass könne „für manche Fahrgäste interessant sein“, was eine Vorstellung von „RMVgo“ im Fahrgastbeirat gezeigt habe. Dort sei unter anderem argumentiert worden, dass es „zum Beispiel im Odenwald den Bedarf gibt, eine mehrere Kilometer entfernt lang führende Buslinie zu beauskunften“. Warum aber orientiert der RMV seine App an einer Minderheit, nämlich den zahlenmäßig wenigen Fahrgästen auf dem Land, statt an der sehr viel größeren Zahl an Kunden in Städten? „Der RMV ist nicht nur Mobilitätsanbieter für die Fahrgäste in den Städten, sondern genauso auch für alle im ländlichen Raum“, sagt Vanessa Rehermann.

Liege die nächstgelegene Haltestelle außerhalb der voreingestellten Fußwegedistanz, zeige die App überhaupt keine Verbindungen an - „und das soll mit den Grundeinstellungen nicht passieren, egal, wo jemand im RMV Bus und Bahn nutzen möchte“, erklärt die Sprecherin. Liege die nächstgelegene Haltestelle hingegen deutlich näher, „schöpft die App die eingestellte maximale Fußwegedistanz auch nicht aus und zeigt kürzere Fußwege“, behauptet Rehermann. Was, siehe Beispiel Hauptwache, jedoch nicht der Fall ist.

Fahrkarten: Ab Januar sind sie nur noch über neue App „RMVgo“ verfügbar

Es gebe aber „auch in der Stadt Menschen, die zum Beispiel zugunsten einer Verbindung mit weniger Umstiegen lieber etwas weiter zu Fuß gehen, als an der nächstgelegenen Haltestelle einzusteigen“, sagt die Sprecherin. „Eine deutlich kürzere Voreinstellung würde auch diesen Bedürfnissen nicht Rechnung tragen.“

Das doppelt Kuriose an der Fehlfunktion: Es gab sie Anfang 2021 schon einmal in der bisherigen App. Auch dort wurden den Kunden Fußwege empfohlen, obwohl sie schon an einer Haltestelle standen und die nächste Bahn zum Ziel in Kürze abfuhr. Warum der Fehler erneut auftritt? Er sei bei internen Tests und einem Testlauf mit 1000 Kunden nicht aufgefallen, so die Sprecherin:

Neue RMV-App schon von 200 000 Nutzern heruntergeladen

In der neuen App tritt die fehlerhafte Auskunft mindestens bei Smartphones mit dem meistverbreiteten Betriebssystem Android auf. 24 Stunden nach Anfrage dieser Zeitung meldet Rehermann, die App-Entwickler hätten die Fehler gefunden und er werde mit dem nächsten Release noch vor Jahresende entfernt. Ab Jahreswechsel wird „RMVgo“ ohnehin zum Zwang: Von da an lassen sich Fahrkarten nur noch über die neue App kaufen.

Darauf müssen sich allerdings noch sehr viele Fahrgäste einstellen. 200 000 Menschen hätten bis 7. Dezember die neue App heruntergeladen, erklärt die RMV-Sprecherin. Das entspricht allerdings erst einem Drittel der Nutzer der alten App, die es zwölf Jahre lang gab. (Dennis Pfeiffer-Goldmann)

Wegen Personalproblemen fahren die einige Bahnen im RMV bis Januar eingeschränkt.

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