Generationen-Haus sucht Kapital

Das Wohnprojekt an der Mertonstraße In Frankfurt-Bockenheim braucht noch 500 000 Euro
Die bäuerliche Großfamilie ist schon ewig Geschichte. Die Hälfte aller Ehen hält nicht bis zum Tod, sondern endet vor dem Scheidungsrichter. Im Alter geht es den meisten nicht anders als in jungen Jahren: Alleine, ohne soziales Umfeld, lebt es sich einsam. Der Genossenschaft „AdAptiv“ gehören 60 Frankfurter an, samt 15 Kindern. Die Gruppe plant ein Wohnprojekt für mehrere Generationen. Um die Finanzierung anzuschieben, riefen die Mitglieder die sogenannte „AdAptiv Eigenkapital-Challenge“ ins Leben. Bis Ende August sollen 500 000 Euro an privaten Krediten zusammenkommen.
Nicht mehr als 35 Quadratmeter
„Absichtserklärungen reichen“, betont Gudrun Sachs, mit zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit von AdAptiv. Die ehemalige HR-Redakteurin wohnt selbst noch im Nordend, in einer von Altbauten geprägten Gegend. Was der 66-Jährigen an der Situation auf Dauer nicht mehr gefällt: „Ich lebe alleine, ohne Fahrstuhl im vierten Stock.“ Die Idee der Gruppe sei es, in persönlichen Einheiten zu wohnen, von 25 bis 35 Quadratmetern pro Person, „wir wollen unter dem Frankfurt-Schnitt bleiben, der bei 37 Quadratmetern liegt“.
Das Konzept nennt sich Cluster, die Rede ist „von einer Mischung aus Einzelappartements und Wohngemeinschaften“. Ausgestattet sind die Appartements im Modell mit einem Bad und einer Teeküche, „zwei Herdplatten reichen“. Im Zentrum steht eine großzügige, gut ausgestattete Wohnküche, in der sich die Bewohner treffen. Als weitere Gemeinschaftsfläche soll es eine Lobby im Erdgeschoss geben: „Du kannst dich hinsetzen, miteinander schwätzen, oft zufällig und überraschend, gleichzeitig bist du aber daheim.“ So beschreibt es Gudrun Sachs.
Ein Wohnhaus lediglich für jung gebliebene WG-erfahrene Senioren soll das Wohnprojekt nicht werden. „Ich gehöre zu den Älteren“, betont Sachs. Jeweils ein Drittel der Gruppe sei jünger als 30, zwischen 30 und 50. Oder eben älter.
Die Idee soll sich in Bockenheim realisieren, durch den Umbau der früheren „Akademie der Arbeit“ und einen Teilneubau an der Mertonstraße 30 am Rande des geplanten Kulturcampus. Man wolle „Teil einer lebendigen Nachbarschaft sein“. Im Erdgeschoss und im Souterrain könnten halböffentlich nutzbare Werkstätten und Arbeitsräume und ein Café auch für die Nachbarschaft entstehen. Zurzeit eruiere man die Möglichkeiten, „ob in der Gegend ein Bedarf an Coworking-Plätzen besteht“. Ein Teil der früheren Akademie müsse abgerissen werden. Kostengünstig soll hier etwas Neues entstehen. Insgesamt sollen um die 100 Bewohner einziehen können. Die Gruppe AdAptiv hatte 2020 beim Konzeptverfahren für die ehemalige Akademie der Arbeit von der Stadt den Zuschlag bekommen.
Bleibt die Frage nach den Kosten. Die Schätzungen gehen von 21 Millionen Euro aus. Die Mitglieder stemmen fünf Millionen Euro durch ihre Anteile an der Genossenschaft und geplante Anträge auf Förderungen. Der Rest soll sich durch Bankkredite finanzieren.
„Zinsen von vier Prozent wären normalerweise das Ende für unser Projekt“, betont Gudrun Sachs, „nicht nur für uns, sondern auch für andere Wohnprojekte.“ Man hoffe auf die Unterstützung der Stadt. „Die will aber auch Initiative sehen.“ Deshalb habe man die „Eigenkapital Challenge“ ausgerufen, um an günstige sogenannte Nachrangdarlehen zu kommen. Die anvisierten 500 000 Euro bis Ende August ermöglichten es, mit der Bank aus einer stärkeren Position heraus zu verhandeln. Die Mindesthöhe einer rechtlich nicht bindenden Kreditabsicht liegt bei 1000 Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einer Verzinsung von bis zu 1,5 Prozent.
Das Ziel des gemeinschaftlichen Wohnens beschreibt Gudrun Sachs mit einem Bild aus dem Haus: „Der Weg zum Briefkasten soll lange dauern, weil ich unterwegs mit Leuten rede.“
Stefan Mangold