Gewerbevereine geißeln Anti-Auto-Politik

Offener Brief: Betriebe fürchten ausbleibende Kunden bei Umbau von Einkaufs- zu Fahrradstraßen
Die Frankfurter Gewerbevereine stemmen sich gegen einen Umbau von Einkaufsstraßen in fahrradfreundliche Straßen. In einem Offenen Brief an Magistrat, Stadtverordnete und Ortsbeiräte lehnen sie die „politisch verfolgte Verdrängung des Autoverkehrs“ ab. Den Brief haben der Dachverband sowie die Gewerbevereine Bockenheim aktiv und Bornheim Mitte, die Aktionsgemeinschaften Schillerstraße / Eschenheimer Turm und Schweizer Straße sowie der Geschäftsring Dornbusch und die Interessengemeinschaft „Untere Bergerstraße“ unterzeichnet.
„Mit Besorgnis“ sähen sie die Pläne, Einkaufsstraßen wie Berger, Leipziger und Schweizer Straße zu fahrradfreundlichen Straßen umzubauen, wodurch diese „nicht mehr mit dem Auto erreichbar sein sollen“. Das dränge „kaufkraftstarke autofahrende Kunden, einige davon aus dem nahen Taunus“, heraus. „Sollte die Umwandlung in Fahrradstraßen weiterverfolgt werden, würde dieses Segment der Kundschaft für viele von uns komplett wegfallen“, befürchten die Händler.
Den Offenen Brief haben Ernst Schwarz und Kaweh Nemati unterzeichnet, Vorsitzender und Vize des Dachverbands. Im bereits umgestalteten Oeder Weg gebe es Beispiele, bei denen die „Verkehrsberuhigung sich in einigen Fällen in bis zu 50 Prozent Umsatzverlust niedergeschlagen haben“. Das habe „entgegen der Überzeugung vieler politischer Entscheidungsträger“ nicht von radfahrender Kundschaft kompensiert werden können. Die Stadt bringe „nicht zuletzt unsere eigene Existenz als Unternehmen in Gefahr“, warnen die Gewerbeleute.
Auch führten die Umbauten nicht zu einer Verkehrsentlastung. Würden Einkaufsstraßen für den Autoverkehr gesperrt, werde Verkehr „lediglich auf die umliegenden Straßen umgeleitet“. Die Gewerbevereine fordern, dass die Stadt Entscheidungen nicht pauschal treffe, sondern „individuell für jede Einkaufsstraße“. Dabei müssten Erreichbarkeit, Aufenthaltsqualität und die wirtschaftliche Fähigkeit der Einkaufsstraßen gewährleistet bleiben. Das Vorgehen müsse in ein Gesamtkonzept eingebettet sein. Es müsse „einen engen strukturierten Dialog“ mit örtlich Betroffenen geben. Denn oft „findet kein strukturierter Austausch zwischen Dezernaten, Ortsbeiräten und Gewerbevereinen statt“, kritisieren die Gewerbetreibenden.
„Es ist uns ein dringendes Anliegen, die Belange der Wirtschaft und insbesondere des Einzelhandels und der Gastronomie in unseren Quartiersstraßen als Anker der öffentlichen Nutzung und lebendige Begegnungsorte zu erhalten“, betont Wolfgang Siefert, persönlicher Referent von Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne). „Wir stimmen uns dabei fortlaufend und eng mit dem Wirtschaftsdezernat ab“ - das geführt wird von Stephanie Wüst (FDP). Über diesen Weg habe man zum Beispiel in der Schweizer Straße die Anliegen der Gewerbetreibenden abgefragt.
FDP will Thema in der Koalition besprechen
Konkret in der Schweizer Straße sei der Kontakt mit dem Gewerbeverein konstruktiv, lobt Wolfgang Siefert. Die Stadt trete überall dort, wo etwas an den Straßen verändert werde, mit den jeweiligen Gewerbevereinen in Kontakt und binde sie ein.
Erst im Juni hatten Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, der Speditions- und Logistikverband und der Automobilclub ADAC in einem Brandbrief an die Politik kritisiert, dass die Interessen des motorisierten Verkehr zu wenig berücksichtigt würden im seit Jahresbeginn laufende Prozess zum Erstellen des stadtweiten Masterplans Mobilität. Hatte Dezernent Majer die Kritik noch weggewischt, kommt sie nun bei Koalitionspartner FDP aber an. Der Offene Brief zeige, „dass sich die Gewerbetreibenden zu Recht Sorgen machen“, erklärt Uwe Schulz, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. „Es gibt einfach Kunden, die mit dem Auto von weither kommen oder kommen müssen.“
Die FDP stehe zum Ausbau der Infrastruktur für den Radverkehr, da dieser stark zugenommen habe. „Aber es müssen alle Verkehrsteilnehmer Berücksichtigung finden, auch die Autofahrer“, findet Schulz. Über den Offenen Brief will er beim nächsten Treffen der verkehrspolitischer Sprecher der Koalitionsfraktionen von Grünen, SPD, FDP und Volt sprechen. Ergebnis? Offen. Denn der Liberalen-Politiker gesteht ein: „Die Verkehrspolitik war auch schon im Koalitionsvertrag das schwierigste Kapitel.“