Große Moschee von Algier hat Frankfurter Wurzeln

Büros aus der Region planten und bauten Afrikas größtes Gotteshaus
Frankfurt/Algier. -Die Djamaâ el Djazaïr-Moschee in Algier ist das größte islamische Gotteshaus des afrikanischen Kontinents und nach Mekka und Medina die drittgrößte Moschee der Welt. Konzipiert wurde die Moschee von dem Frankfurter Architekturbüro KSP Jürgen Engel Architekten, realisiert in Zusammenarbeit mit der Darmstädter Ingenieurgesellschaft Krebs und Kiefer International. Die Arbeitsgemeinschaft erhielt auch den Auftrag für die Generalplanung des Großprojekts. Bauherr war die algerische Regierung. Christen planen eine Moschee? Der staatliche Bauherr Anargema sah das pragmatisch: Beim Bauen gehe es um Technik, nicht um Religion. Mit der Ausführung wurde ein chinesischer Baukonzern beauftragt, dessen Arbeiterkolonnen an vielen Orten Afrikas im Einsatz sind. Die Konstruktion war technisch aufwendig, man orientierte sich an europäischen Baunormen.
Der Entwurf greift Elemente der maghrebinischen Hallenmoscheen auf und ergänzt sie um Einflüsse der Klassischen Moderne. Der von 32 Säulen geprägte große Gebetssaal verweist auf die Säulenhalle der Moschee von Cordoba. Als dekoratives Leitmotiv taucht immer wieder eine filigrane, sehr hohe Säule mit blütenförmig auskragendem Kapitell auf. Mehr als 600 dieser Stützen prägen den Komplex.
Jetzt ist über das am 6. November 2020 erstmals der Öffentlichkeit zum Freitagsgebet zugänglich gemachte Gotteshaus ein Buch erschienen: "The Making of a Mosque": Eine 248 Seiten starke Dokumentation des gigantischen Projekts mit zahlreichen Fotos.
Im Beisein der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und des damaligen algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika fand im Juli 2008 die Vertragsunterzeichnung statt - der offizielle Auftakt für die Planungsarbeit. Mit der Realisierung des Großprojektes mit einer Bruttogrundfläche von insgesamt rund 400 000 Quadratmetern wurde als Generalunternehmer die größte chinesische Baufirma (CSCEC) beauftragt. Auf der multikulturellen Großbaustelle waren bis zu 4000 chinesische und algerische Arbeiter tätig sowie mehr als 300 Architekten und Ingenieure aus Deutschland, Frankreich und China.
Vor allem die Kultur und Bräuche der chinesischen Arbeiter waren präsent. "Überall fanden sich chinesische Schriftzeichen und jeder verfügbare Streifen Land um die Unterkünfte herum wurde zum Anbau von Gemüse und Kräutern benutzt", erinnert sich Engel. Neben der offiziellen Projektsprache Französisch waren viele weitere Sprachen zu hören, darunter Arabisch, Deutsch, Englisch und Chinesisch. Kein Wunder, dass ein wesentlicher Grundstein des Projekterfolgs in der sozialen Kompetenz des Projektmanagement-Teams lag. "Nur mit hoher Bereitschaft, sich auf Fremdes einzulassen, und nur mit der Fähigkeit zur interkulturellen Kommunikation haben wir diese Aufgabe bestanden und sind daran in jeder Hinsicht gewachsen", erklärte Eric Fischer von Ingenieurgesellschaft Krebs und Kiefer das Erfolgsrezept.
Ein Minarett mit
265 Meter Höhe
Der beeindruckende Kulturbau erstreckt sich weit über 600 Meter entlang der Bucht von Algier. Eine 70 Meter hohe Kuppel bedeckt den Gebetssaal, und das 265 Meter hohe Minarett ist noch immer das höchste Gebäude Afrikas und weltweit der höchste Turm für einen Gebetsrufer. Für die Öltanker, welche die Mittelmeer-Häfen der algerischen Hauptstadt ansteuern, wirkt es wie ein Leuchtturm. Neben einer Aussichtsplattform in der verglasten Turmspitze befinden sich im Turm auch ein Museum der islamischen Kultur inklusive Forschungszentrum, Bürobereiche und Skylobbys. Sie dienen ebenfalls als Aussichtspunkte und gliedern den Turm optisch in fünf Segmente analog den fünf Säulen des Islam. Das Minarett wird über Panorama-Aufzüge erschlossen. Der Gebetssaal fasst an religiösen Feiertagen bis zu 36 000 Menschen.
"Bei der Betrachtung des Standortes war uns sofort klar, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den lokalen Gegebenheiten ist: Die Nähe des Meeres, die starke Sonneneinstrahlung, die Bergketten, welche die Bucht von Algier vom Hinterland mit der Wüste trennen. Wir haben diese Großform gewählt, um dem Bau, der zwischen dem Meer und den Bergen liegt, eine starke Präsenz zu verleihen", reflektiert Architekt Jürgen Engel die Überlegungen zu Beginn des Entwurfs- und Planungsprozesses.
Der Bauplatz liegt in einem Erdbebengebiet. Um die Standsicherheit des sehr schlanken Turms mit seiner geringen Grundfläche von 28 mal 28 Meter zu gewährleisten, ist dieser rund 50 Meter tief im Boden auf einem Raster von 1,20 Meter starken Betonwänden verankert. Die Tragstruktur des Hochhauses ist eine Verbundkonstruktion aus Stahl und Beton, die den Belastungen aus Erdbeben optimal standhält.
Auch die Erdbebensicherheit des Gebetssaals wird durch seine Lagerung auf seismischen Isolatoren erzielt. Sie sorgen dafür, dass das Bauwerk sich im Erdbebenfall in alle Richtungen bewegen kann und so weitgehend von den Erdstößen abgekoppelt wird. Dieser seismische Mechanismus soll die Auswirkungen eines Erdbebens der Stärke 9 auf der Richterskala auf die Stärke 3,5 abpuffern.
Bauwerk ist im
Lande umstritten
Der zentrale Gebetssaal ist ein riesiger Kubus mit einer quadratischen Grundfläche von 145 mal 145 Meter und einer Höhe von 22,5 Meter, der bis zu 120 000 Menschen fassen kann.
In Algerien selbst ist die Große Moschee umstritten. Viele Bürger sehen in ihr ein Prestigeprojekt der Regierung, deswegen heißt sie im Volksmund "Bouteflika-Moschee", nach dem algerischen Präsidenten, der das Projekt vorangetrieben hat. Kritiker sind der Ansicht, dass das Geld besser in Schulen und Krankenhäuser investiert worden wäre. Dennoch ziert die Moschee als Wahrzeichen der Stadt seit 2018 sogar den 1000 Dinar-Schein. Er repräsentiert einen Wert von rund 6,70 Euro. Das Bauwerk selbst war deutlich teurer: Die Baukosten werden mit 1,4 Milliarden Euro angegeben. Thomas Remlein