Gefahr für die Grüne Soße - Gärtnereien haben Nachwuchsprobleme

Wer baut in zehn Jahren die Kräuter für die Frankfurter Grüne Soße an? In Oberrad macht sich Sorge um den Gärtner- Nachwuchs breit.
Frankfurt - "In zehn oder fünfzehn Jahren gibt es vielleicht keine Grüne-Soße-Gärtner mehr", malt Reinhold Scondo den Teufel an die Wand. Sein Betrieb leide darunter, dass ihm von den Behörden immer wieder neue Hürden in den Weg gelegt werden. Scondo baut nur noch kleine Mengen Grüne-Soße-Kräuter an, ist vor Jahren auf Blumenanbau umgestiegen.
Doch in wenigen Jahren werde er seinen Betrieb schließen. Übernehmen wolle ihn bis jetzt keiner. "Von Gemüse und Kräutern kann ein Oberräder Gärtner nicht mehr leben", sagt Scondo. In den 60er Jahren war das noch anders, "da gab es 80 Gärtnereien, die gut davon leben konnten. Heute schaffen es nur noch die großen. Ich sehe schwarz für die Zukunft", sagt er ernüchtert.
Von den ehemals Hunderten Gemüse- und Kräuter-Gärtnern in Frankfurts "Gärtnerdorf" Oberrad sind heute noch neun übrig geblieben. In den vergangenen zwei Jahren schlossen einige Betriebe, darunter die von Wolfgang Kremer und Peter Jung; der Gärtner Karl Hardt verstarb. Wenn es so weitergeht, bleiben in ein paar Jahren noch drei Betriebe, schätzt Kräutergärtner Rainer Schecker. Er baut nur noch Grüne-Soße-Kräuter an, auf den Feldern unterhalb von Oberrad und in Gewächshäusern oben in der Teller-Siedlung.
Fläche bleibt erhalten
Aber die Felder gingen mit den Betriebsschließungen nicht verloren, erklärt Schecker. Denn: "Kleinere Betriebe, die keinen Nachwuchs finden und schließen, geben ihr Land an die großen Gärtnereien ab." So habe er vor kurzem gut acht Hektar Anbaufläche hinzugewonnen. Mehr Fläche zur Verfügung zu haben, sei für Gärtner grundsätzlich von Vorteil, weil man auf diese Weise die Fruchtfolge verändern könne - was sich positiv auf die Bodenqualität auswirke. "Ich werde zum Beispiel mehr Weizen anbauen. Die Böden können sich regenerieren und auch mal ein Jahr lang ruhen. Das ist wichtig."
Das Nachwuchsproblem sieht Schecker noch recht entspannt. "Das wird sich regeln, wir arbeiten daran. Mein Sohn ist jetzt zehn Jahre alt, er will unbedingt Gärtner werden." Ob es bei dem Wunsch bleibe, werde sich zeigen.
Ähnlich sieht es sein Kollege Thomas Jung. Er baut auf den Feldern an der Bahnlinie außer den Grüne-Soße-Kräutern viele verschiedene Kulturen an, vom Kohlrabi bis zum Salat. Jung hat zwei Söhne, die zwar noch klein sind, aber drauf und dran sind, Gärtner zu werden: "Mein jüngster Sohn will schon jetzt sein eigenes Feld haben und Kulturen pflanzen", sagt Jung und lacht. Thomas Jung selbst hat erst vor drei Jahren den Betrieb seines Vaters Willi übernommen. "Mit mir fängt die nächste Generation gerade an. Ich bin momentan mit 41 Jahren der jüngste Gärtner in Oberrad."
Keine Auszubildenden
Gärtnermeister Horst Krämer, spezialisiert auf Grüne-Soße-Kräuter, essbare Blumen und Wildkräuter, sieht die Zukunft zwar nicht rosig, aber "ich bin auch kein Pessimist. Irgendwie wird es weitergehen", sagt Krämer. "Leider will heute niemand mehr diesen Job machen. Kräuteranbau bedeutet viel Arbeit und nicht allzu viel Gewinn."
Früher habe er noch jedes Jahr Gemüsegärtner ausgebildet. Seit zehn Jahren aber ruht die Ausbildung. Das liege vor allem daran, dass er sehr viel damit beschäftigt sei, die polnischen und rumänischen Helfer anzuleiten. Diese seien selbst nicht mehr so gut ausgebildet wie früher. Ein riesiges Problem ist in Oberrad der Ernteklau. Es kommt aber nicht nur massenweise Gemüse weg, auch Gerätschaften wie Pumpen, Schläuche und Beregnungsanlagen verschwinden über Nacht, berichtet Thomas Jung.
Der Ernteausfall pro Jahr bedingt durch Klau auf den Feldern liegt bei bis zu 5000 Euro, schätzt Jung - allein in seinem Betrieb. Deshalb wünschen sich die Gärtner dringend einen Feldschütz, der auf den Feldern patrouilliert und auch Hundehalter anspricht, die ihre Tiere einfach in den Kräutern herumlaufen lassen - "ein absolut rücksichtsloses Verhalten", findet Rainer Schecker.
VON STEFANIE WEHR