Grüne:Auf dem Weg zum neuen Frankfurt stört die Awo-Affäre

Das Abwahlverfahren gegen den ehemaligen Oberbürgermeister lähmte auch die stärkste Kraft im Parlament
„Ein neues Frankfurt gestalten.“ Darunter wollten es die Grünen nicht machen und setzten es als Überschrift unter den 228 Seiten langen Koalitionsvertrag. Die Partei war bei den Kommunalwahlen 2021 mit 24,6 Prozent als stärkste Kraft hervorgegangen. Um aus dem Schatten der CDU herauszutreten, mit der sie seit 2006 durchaus erfolgreich die Stadtpolitik gestaltet hatte, warfen die Grünen den alten Partner aus der Regierung. Bei der Basis der in Frankfurt inzwischen auf rund 1800 Mitgliedern angewachsenen Partei hätte sich für eine Fortsetzung der Bündnisses mit den Konservativen keine Mehrheit gefunden. Und so schlossen sich die machtbewussten Grünen mit dem größten Wahlverlierer SPD (Minus 6,8 Prozent) der FDP und der Newcomer-Partei Volt zusammen.
Langsamer Start ins neue Bündnis
Das schlechte Wahlergebnis der SPD war der Verstrickung ihres inzwischen abgewählten Oberbürgermeisters Peter Feldmann (SPD) in die Awo-Affäre geschuldet. Erste Vorwürfe wurden 2019 laut. Insofern hätten die Grünen wissen können, dass mit dem ohnehin als schwierig geltenden Feldmann und der SPD an der Seite nur wenig in der Stadtpolitik zu gestalten sein würde. Ein vorzeitiger Rücktritt Feldmanns, spätestens als die Staatsanwaltschaft kurz vor der Kommunalwahl im März 2021 die Ermittlungen gegen ihn bekannt gab, hätte der Koalition ganz andere Handlungspielräume verschafft.
Nach der Kommunalwahl kam das Bündnis auch wegen innerparteilicher Querelen der FDP erst sehr spät in die Gänge. Die Wahl der neuen Dezernenten fand erst im September statt. Auch die Fraktion der Grünen, die mit 17 Neulingen startete, musste sich erst für das „Neue Frankfurt“ sortieren. Das dauert. Als Glücksgriff erwies sich die Wahl des neuen Fraktionschefs Dimitrios Bakakis. Bakakis ist ein politisches Naturtalent und bringt seine PS im Parlament und in Sitzungen sicher auf die Straße. Von seiner Ko-Vorsitzenden Tina Zapf-Rodrigez lässt sich das nicht sagen. Gleichwohl hat sie die wichtige Aufgabe, die Neulinge, besonders die jungen ihrer Altersklasse, bei Laune zu halten. Anders formuliert: Bakakis ist für das Politische zuständig, Zapf für die Stimmung in der Fraktion. Das Tandem funktioniert.
Mit der Entscheidung, statt mit der CDU mit der SPD zu koalieren, hatten sich die Grünen allerdings die Awo-Affäre des Oberbürgermeisters und seiner Partei ans Bein gebunden. In seiner Verzweiflung und um von den Ermittlungen und dem Prozess gegen ihn abzulenken, missachtete Feldmann mehrfach die Stadtregierung. So hatte Feldmann noch im Oktober kurz vor seinem Prozessbeginn wegen Vorteilsnahme (Korruption) eine Städtepartnerschaft mit Kiew und dessen Heldenbürgermeister Vitali Klitschko unterzeichnet. Vermutlich in der Hoffnung, dass vom Glanz gemeinsamer Fotos mit Klitschkos etwas für ihn abfallen könnte. Grünen-Chef Bakakis konnte nur seine Missbilligung zu Feldmanns Alleingang äußern.
Die ständige Beschäftigung mit Feldmann lähmte die gesamte Stadtpolitik und logischerweise das Regierungsbündnis mehr als die Opposition. Nachdem das Gericht die Anklage gegen Feldmann zugelassen hatte, musste im Bündnis mit der oppositionellen CDU das mehrstufige Abwahlverfahren in Gang gebracht werden. Dazu hat Grünen-Fraktionschef Bakakis im Römer knapp und präzise gesagt und getan, was gesagt und getan werden musste.
Dennoch zog sich das Verfahren fünf Monate dahin und lähmte die Stadtpolitik weiter. Die Dauer lag in Verfahrensfragen begründet, die außerhalb der Verantwortung der Stadtregierung lagen. Von Versuchen Feldmanns, der Koalition auf der Nase zu tanzen, ließ sich niemand beeindrucken.
Vieles richtig gemacht beim Abwahlverfahren
Beim Abwahlverfahren hat das Bündnis, ergänzt um die oppositionelle CDU, geführt aber von den Grünen, vieles richtig gemacht: Sie ist stets handlungsmächtig geblieben, hat sich von Feldmann nie in die Defensive bringen oder gar mit Versprechungen ködern lassen. Auch die Terminierung der Abwahl während des Prozesses war goldrichtig, weil sich Feldmann im Zuge des Verfahrens zwar nicht strafrechtlich, aber menschlich selbst entlarvte. Es offenbarte sich das Bild eines Politikers, der Menschen, selbst die eigene Tochter, wie Marionetten zum eigenen Vorteil benutzt. Erst das mag die Frankfurter in großer Zahl zur Abwahl bewogen haben.
Politisch haben die Grünen lediglich in der Verkehrspolitik einiges, auch Umstrittenes, wie die Umgestaltung des Oeder Weges, des Grüneburgweges und nun auch Kettenhofweges in Fahrradstraßen vorangebracht.
Dramatisch bleibt die Situation im Bahnhofsviertel. Dort herrschen Drogenelend, Kriminalität und Vermüllung. Der grüne Gesundheitsdezernent Stefan Majer, der nächstes Jahr aus dem Amt schiedet, wartet offenbar nur ab und auf seine Pension. Wer dann seine Zuständigkeit für Gesundheit übernimmt, wird der neue Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin entscheiden, die eine Grüne sein könnte.
Thomas Remlein