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Streik steht an: Hausärzte in Frankfurt schlagen Alarm

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Am Mittwoch streiken in Frankfurt und Hessen viele Ärzte mit geschlossenen Praxen gegen die Regierungs-Sparpläne. Die Versorgung der Patienten sei massiv gefährdet, warnen sie.

Frankfurt - Viele Frankfurter Arztpraxen werden am kommenden Mittwoch, 30. November, geschlossen bleiben: Hessenweit wollen Haus-, Kinder- und Jugendärzte mit einem Streiktag gegen geplante Leistungskürzungen protestieren.

Hintergrund sind unter anderem die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums, die sogenannte Neupatientenregelung zu streichen. Sie bietet Ärzten seit 2019 besondere finanzielle Anreize, damit sie in ihrer Praxis neue Patienten aufnehmen und kurzfristig zusätzliche Termine anbieten.

Eine Streichung der Regelung würde für die Arztpraxen starke finanzielle Einbußen bedeuten, erklärt Beate Kramer. Sie betreibt mit Martina Voß in der Saalfelder Straße in Zeilsheim eine Hausarztpraxis, unterstützt von der angestellten Ärztin Dr. Christiane Kunz, und wird sich an der Aktion beteiligen. Ein Plakat an der Eingangstür kündigt ihren Patienten schon seit einigen Tagen den Streik an und erklärt die Gründe.

„Wir sind zuversichtlich, dass sie uns verstehen“, sagt Kramer. Denn nicht nur die Ärzte, auch die Patienten werden nach ihren Worten unter einer Neuregelung leiden: „Wenn die Sparpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und den Krankenkassen umgesetzt werden, ist die Versorgung unserer Patienten massiv gefährdet“, warnt sie.

Ärzte in Frankfurt: „Wir kommen kaum in der Wahrnehmung vor“

„Immer geht es nur um die Krankenhäuser, wir kommen in der Wahrnehmung kaum vor“, beklagt Kunz, die die Praxis 30 Jahre selber lang mit ihrem Mann geleitet hatte. Dabei seien es hauptsächlich die Hausärzte gewesen, die nicht nur den Löwenanteil der Impfkampagne gestemmt, sondern auch die meisten Corona-Patienten versorgt und damit die Kliniken entlastet hätten. Das spiegele sich allerdings weder in der Wertschätzung noch der Vergütung wieder. Für die „massiv gestiegenen Praxiskosten“ hatte die Ärzteschaft als Ausgleich gefordert, die Honorarsätze um sechs Prozent zu erhöhen. Dass die Kassen das ablehnten und am Ende nur zwei Prozent Steigerung heraussprangen, nennt Kunz angesichts von zehn Prozent Inflation und gestiegenen Energiekosten „völlig inakzeptabel“.

Das führe wiederum dazu, dass sich immer weniger Ärzte niederlassen wollen. „Die wirtschaftliche Sicherheit dafür fehlt einfach“, sagt Kunz. Die Patienten - über 2000 seien es pro Quartal - erlebten am kommenden Mittwoch an einem Tag also das, was perspektivisch permanent drohe: keinen Mediziner mehr in Laufweite zu haben und so auf die oft weit entfernten medizinischen Versorgungszentren angewiesen zu sein. Das sei vor allem für ältere und gehbehinderte Patienten eine Zumutung.

Doch es gebe noch andere Folgen, wie Voß erklärt: „Dann fehlt der eigene Hausarzt als Vertrauensperson - und auch Hausbesuche werden oft entfallen.“ Die böte ihre Hausarztpraxis weiter an, obwohl es sich nicht lohne.

Schon einmal, am 26. Oktober, hatte unter anderem der Hausärzteverband Hessen die Kollegen im Bundesland zu einem Streiktag aufgerufen. „Damals haben wir noch nicht mitgemacht, weil der Termin zu kurzfristig kam und in den Herbstferien lag“, erklärt Kramer.

Sie wollen ein Zeichen setzen (vl.): Die Zeilsheimer Hausärztinnen Martina Voß, Beate Kramer und Dr. Christiane Kunz.
Sie wollen ein Zeichen setzen (vl.): Die Zeilsheimer Hausärztinnen Martina Voß, Beate Kramer und Dr. Christiane Kunz. © Michael Forst

Streik in Frankfurt: Hausärzte protestieren gegen Sparpläne der Bundesregierung

Auch der Sachsenhäuser Arzt Nils von Hentig will am kommenden Mittwoch mit seiner geschlossenen Gemeinschaftspraxis im Ziegelhüttenweg ein Zeichen setzen: „Diese Reform wird dafür sorgen, dass es die Hausarztmedizin in zehn Jahren in der derzeitigen Form einfach nicht mehr gibt“, prophezeit er. Dass sie „total überlastet“ sei, zeige sich auch darin, dass die Hausärzte in Sachsenhausen schon seit zwei Jahren keine Ausbildungsassistenten mehr fänden. Zudem seien während der Pandemie die Hälfte der Arzthelferinnen abgesprungen, „weil sie einfach die Arbeitslast nicht mehr aushalten“.

Wie viele Praxen in Frankfurt sich dem Streikaufruf anschließen werden, konnte Alexander Kowalski, Sprecher Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, zwar nicht sagen, aber: „Wir gehen davon aus, dass sich aufgrund der hohen Brisanz viele Praxen an der Protestaktion beteiligen werden.“ Die Reaktionen der Patienten auf den Streik sind nach seinen Worten „natürlich gemischt“. Viele haben jedoch Verständnis für die niedergelassenen Ärzte - „vor allem dann, wenn ihnen die Hintergründe bekannt sind“. (Michael Forst)

Auch die Situation bei den Kinderärzten in Frankfurt ist nicht optimal: Die Viertel am Stadtrand Frankfurt sind für Kinder medizinisch immer schlechter versorgt. Am kinderreichen Riedberg fehlt ein Kinderarzt.

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