Frankfurt hat zu wenig Kinderärzte - Ein Vater klagt: „Seit Wochen telefoniere ich herum“

Besonders Neubürger suchen oft vergeblich eine Praxis in Frankfurt, wie der Fall eines Paares mit zwei Töchtern zeigt.
Frankfurt - Mehr als 20 Kinderärzte hat Periklis Kalaitzis nach dem Umzug nach Frankfurt kontaktiert, mit dem Ziel, Termine für Untersuchungen und Impfungen seiner beiden Töchter zu bekommen. Geklappt hat das nicht, auch nicht mit Unterstützung der Stadt Frankfurt und der Kassenärztlichen Vereinigung. Der Fall macht deutlich, dass die Probleme mit der kinderärztlichen Versorgung in Frankfurt nicht gelöst sind, sondern sich verschärfen.
Bei den beiden Mädchen der Familie Kalaitzis stehen die Untersuchungen U4 und U6 an. Ohne sie bekomme man auch keinen Kindergartenplatz, hat Kalaitzis festgestellt. Den aber brauchen berufstätige Eltern. „Seit Wochen telefoniere ich herum“, sagt Kalaitzis. Überall bekomme er die gleiche Auskunft. Neue Patienten können nicht angenommen werden.
Kalaitzis hat sich auch an die Stadt Frankfurt gewandt. Dort kennt man das Phänomen. „Vor allem in den Beratungsgesprächen in den Sozialrathäusern berichten Eltern immer wieder von fehlenden Kapazitäten in der kinderärztlichen Versorgung“, sagt Christian Rupp, Sprecher des Gesundheitsdezernats. Für die Ausweitung der Kapazitäten sei aber die Kassenärztliche Vereinigung zuständig.
„Statistisch ist Frankfurt nahezu überversorgt mit Kinderärzten“
Nun ist das Thema für die Stadt damit nicht erledigt. Denn wenn das dafür zuständige Kindervorsorgezentrum an der Frankfurter Universitätsklinik feststellt, dass die verpflichtenden Untersuchungen nicht wahrgenommen werden, dann geht eine Meldung an das Jugend- und Sozialamt. In einem vorgeschriebenen Verfahren würden die Eltern beraten und gemeinsam nach einer Lösung gesucht. Offenbar funktioniert dies am Ende immer irgendwie, denn über Sanktionsmöglichkeiten sagt die Stadt nichts.
Die Verwaltung bietet sogar eine spezielle Sprechstunde für Familien an, die keinen oder einen ungeklärten Versicherungsschutz haben. Das Angebot sei kostenlos und anonym, auch kinderärztliche Untersuchungen würden vorgenommen. Klar ist nur: Auf diese Weise kann das Defizit bei den niedergelassenen Kinderärzten nicht ausgeglichen werden.
Rein statistisch gibt es nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung dieses Defizit gar nicht. „Mit einem Versorgungsgrad von knapp 110 Prozent ist Frankfurt statistisch nahezu überversorgt mit Kinderärzten“, sagt Alexander Kowalski, stellvertretender Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen. Aber Statistik und Realität decken sich nicht immer, räumt er ein. Beispielsweise besuchen viele Bewohner des Umlandes Frankfurter Arztpraxen - und dies könne bei der Bedarfsplanung nicht berücksichtigt werden.
Kinderärzte in Frankfurt nehmen nur noch Neugeborene an
Dies bestätigt Kinderarzt Burkhard Voigt, der in Bockenheim mit drei angestellten Ärztinnen eine Praxis betreibt. Weil das Team schon am Limit arbeite, nimmt die Praxis derzeit nur noch Neugeborene aus dem festgelegten Einzugsbereich der Praxis auf. Die Patienten von auswärts, das sind Kinder von Eltern, die früher im Quartier gewohnt, irgendwann aber die Stadt verlassen haben.
Denen möchte Voigt einen Arztwechsel nicht zumuten. Er weiß, dass viele Kollegen es genauso handhaben. Und dadurch fallen auch Anfragen wie die der Familie Kalaitzis durchs Raster. Denn es handelt sich nicht um Neugeborene, und sie wohnen nicht im Einzugsbereich. Aber was sollen sie tun, wenn sie aus dem Ausland erst vor kurzer Zeit nach Frankfurt gezogen sind?
Die Kassenärztliche Vereinigung weist auf die Rufnummer 116 117 hin. Das ist die Terminservicestelle, über die man einen Arztbesuch vereinbaren kann. Kalaitzis hat dies versucht und tatsächlich einen Termin bekommen. Die Kinderärzte sind verpflichtet, für diese Anlaufstelle wöchentlich einen Termin freizuhalten. Allerdings sagte die Praxis den Termin wieder ab - weil ungeimpfte Kinder dort nicht behandelt werden könnten. Die Frage ist, wie man zu einer Impfung kommt, wenn kein Termin zu haben ist.
Die Nummer 116 117 hilft - aber auch nicht immer
Aus der Sicht von Kinderarzt Voigt läuft eine Menge falsch. Er würde glatt noch eine weitere Arztstelle in seiner Praxis schaffen, aber die zur Unterstützung notwendigen medizinischen Fachangestellten seien nicht zu bekommen. Von Kinderärzten einmal ganz zu schweigen. Mehr Kinderarzt-Sitze zuzulassen, das wäre demnach zwar notwendig, aber für eine grundlegende Verbesserung nicht ausreichend.
Zudem belege die Statistik, dass Frauen bei den Kinderärzten im Gegensatz zu früheren Jahren deutlich in der Mehrheit sind. Und das macht sich bemerkbar: Die meisten berufstätigen Frauen, auch Kinderärztinnen, kümmerten sich zusätzlich intensiv um die eigenen Familien. Sie könnten daher gar nicht so viele Patienten behandeln wie ihre männlichen Kollegen früherer Jahre, denen meist Ehefrauen den Rücken frei hielten. Es müssten also schon deswegen mehr Arztsitze her.
Insgesamt, so Voigt, müsse einfach mehr Geld für das Gesamtsystem zur Verfügung gestellt werden. Dass die Vergütungen zuletzt deutlich unterhalb der Inflationsrate angehoben worden seien, könne den Mangel an Ärzten und Fachpersonal nur verschärfen. Voigt hat nur wenig Hoffnung, dass sich etwas ändert. Und auch Periklis Kalaitzis macht sich keine Illusionen mehr. Die Familie hat jetzt beschlossen, Impfungen und Untersuchungen privat zu bezahlen. Gut dran ist, wer sich das leisten kann. (Manfred Becht)
In den Frankfurter Stadtteilen gibt es zu wenig Mediziner, zudem ist jeder dritte Arzt in Frankfurt über 60 Jahre alt. Der Preungesheimer Hausarzt Jürgen Burdenski sieht für die Zukunft schwarz.