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Himmlische Tattoos: Künstler sticht Gratis-Tattoos in Frankfurter Liebfrauenkirche

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Von: Sabine Schramek

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Im sakralen Ambiente der Liebfrauenkirche hat der Stuttgarter Tattookünstler Silas Becks Vanessa Sas einen Spruch über Seelenverwandtschaft auf den Arm tätowiert. Heute kann sich dort jeder ein Tattoo stechen lassen. FOTO: Leonhard Hamerski
Im sakralen Ambiente der Liebfrauenkirche hat der Stuttgarter Tattookünstler Silas Becks Vanessa Sas einen Spruch über Seelenverwandtschaft auf den Arm tätowiert. Dann folgte eine ungewöhnliche Aktion. © Leonhard Hamerski

Manche halten sie für Teufelszeug - doch tatsächlich werden Tätowierungen seit Jahrhunderten genutzt, um Bleibendes zu hinterlassen – auch auf dem Jacobsweg. Die Liebfrauenkirche in Frankfurt macht mit.

Frankfurt – Vanessa Sas (26) ist extra aus Mannheim gekommen, um sich in der Liebfrauenkirche von Promi-Tätowierer Silas Becks (39) aus Stuttgart ihr Lieblingszitat auf den linken Unterarm tätowieren zu lassen. „Woraus immer Seelen gemacht sind, seine und meine sind gleich“, ziert nach gut einer Stunde Surren und Kribbeln in filigraner Schrift auf Englisch ihre Haut. „Den Spruch widme ich meinem Seelenverwandten“, sagt Sas, und blickt verliebt zu ihrem Freund Corce (31), der zärtlich ihre Hand hält. „Ich finde es toll“, sagt der junge Mann, der selbst keine Tattoos trägt. Die 26-Jährige hat neben dem Spruch auch Schmetterlinge, Zitate und ein Chakra auf ihrer hellen Haut.

Sas ist eine von zwei Gewinnerinnen einer Instagram-Tattoo-Challenge der Katholischen Erwachsenen Bildung (KEB) vom Bistum Limburg. Leiter Markus Breuer grinst über die erstaunten Gesichter in der Liebfrauenkirche, als der Tätowierer seine Utensilien im lichten Seitenschiff drapiert. „Tätowierung und Religion passen durchaus zusammen“, sagt er. „Man könnte sie als Kathedralen des Selbst bezeichnen.“ Heute gebe es auf dem Jacobsweg nur noch Stempelhefte. Früher seien es bleibende Tätowierungen gewesen. „So kam die Idee auf, den beiden Gewinnerinnen in der Liebfrauenkirche wie im Schaufenster ihr Lieblings-Tattoo stechen zu lassen, und am Samstag ein Tätowier-Walk-In für alle anzubieten.“

Tattoos in der Liebfrauenkirche in Frankfurt: "Es ist toll, hier sein zu dürfen"

Bruder Paulus Terwitte (62) nickt, während er in seiner braunen Kutte Tische, Stühle und Decken an den Seiteneingang der Kirche in Frankfurt trägt. "Christus ist ein Tattoo, das der gesamten Schöpfung eingeprägt wurde. Die Taufe ist ein Tattoo, das nie vergeht. Diese Prägungen gehen niemals verloren. Die Sehnsucht nach Tätowierungen ist eine Sehnsucht nach Unvergänglichem in Zeiten der Wegwerfgesellschaft", ist er überzeugt.

Etwa eine Stunde dauert es, bis das Tattoo von Vanessa Sas in der Liebfrauenkirche in Frankfurt fertig ist.
Etwa eine Stunde dauert es, bis das Tattoo von Vanessa Sas in der Liebfrauenkirche in Frankfurt fertig ist. © Sabine Schrameck

Sas und Becks, der Tattookünstler, lauschen seinen Worten. Direkt unterhalb seiner Kehle trägt Becks eine Bibel als Tätowierung. Auf seinem Arm den „Big Apple“ New York in Form eines knallroten Apfels. „Es ist toll, hier sein zu dürfen“, sagt der Tätowierer, der seit 15 Jahren in diesem Beruf arbeitet und sich auf Kalligrafie spezialisiert hat. „Das mache ich, seit ich fünf Jahre als bin. Ich liebe Schriften“, erzählt er.

Dass er erstmalig in einer Kirche arbeiten darf, macht ihn stolz. „Die Kirche trägt ein enges Hemd. Dass sie sich so weit aufknöpft, ist eine großartige Sache“, findet der gläubige Christ. „Biblische und spirituelle Sprüche sind ein viel größeres Glaubensbekenntnis als alles andere. Ketten mit einem Kreuz kann man ausziehen. Tattoos füllen Dialoge.“ Auch Sas ist gläubig. „Mein Vater ist Ungar und er hat mir den lieben Gott mit auf den Weg gegeben.“

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Das Zitat auf ihrem Arm stammt aus dem Buch „Sturmhöhe“ vom Emily Brontë, das sie berührt hat. „Ich habe das Glück, meinen Seelenverwandten gefunden zu haben und möchte ihn für immer behalten“, sagt sie und drückt wieder die Hand ihres Freundes. Die Tattoo-Maschine surrt leise, ab und zu runzelt Sas ihre Stirn, wenn es zu sehr kribbelt. „Es tut nicht weh, es ist manchmal nur ein bisschen unangenehm“, erklärt sie, und blickt sich mit ihren großen grünen Augen in der malerischen Kirche um. „Sie ist wunderschön und ich bin froh, heute eine der bekanntesten Kirchen Deutschlands kennenzulernen.“ Sas ist glücklich, Becks ist zufrieden. Bruder Paulus Terwitte und Breuer sehen fasziniert zu.

Am Samstag (23.10.2021) zwischen 13 und 15 Uhr sowie von 18.30 Uhr bis circa 21.30 Uhr darf sich jeder beim Walk-In in der Liebfrauenkirche ein Tattoo aus insgesamt acht Kalligrafie-Vorschlägen aussuchen und von Silas Becks stechen lassen. Ob „Jesus“, „My Saints“, „In Nomine Patris“, „Heaven“ oder „Paradise“ - alle Worte erscheinen in perfekter Schriftführung für die Ewigkeit. (Sabine Schramek)

In Frankfurt findet regelmäßig die Internationale Tattoo Convention statt. Dort sind zahlreiche Tätowierer aus aller Welt zu Gast, um ihr Handwerk vorzuführen.

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