Höchste Eisenbahn: Verein sucht Mitglieder

Beim Mitmachtag durften Fans an alten Loks schrauben - Krankheitsbedingte Ausfälle
Das fast armdicke Prüfgerät ist nicht gerade ein Leichtgewicht. Doch Petra Aufsatz packt beherzt zu, als ihr Klaus Weitzel den stählernen Knüppel in die Hand drückt. Mit dem Gerät kann sie die Druckluftbremse des alten Eisenbahnwagens testen, den beide inspizieren: „Damit gucken wir, ob die Bremsleitungen dicht sind“, erklärt Weitzel, der dem Verein Historische Eisenbahn Frankfurt (HEF) angehört.
Petra Aufsatz nimmt beim Mitmachtag teil, den der Verein jetzt auf seinem Gelände am Osthafen veranstaltet hat, um Einblicke in seine Arbeit zu geben und eventuell neue Mitglieder zu gewinnen. Von zehn Interessenten, die sich dafür angemeldet haben, sind aber nur drei erschienen, bedauert Vorsitzende Siegrid Zscherneck. Einige hätten sich wegen Krankheit abgemeldet, andere seien einfach nicht aufgetaucht.
Verdrießen lassen sich die Mitglieder davon ebenso wenig wie Petra Aufsatz, die für den Mitmachtag extra aus ihrem Heimatort Wöllstadt in der Wetterau gekommen ist. „Ich liebe alte Eisenbahnen und Dampfloks und bin schon in vielen alten Zügen mitgefahren“, erzählt sie. Deshalb ist sie auch gleich dabei, als Weitzel sie nach der Bremsen-Prüfung zum Prunkstück des Vereins mitnimmt: in den Führerstand der Dampflokomotive 524867, die aus dem Jahr 1943 stammt. Dort zeigt er beispielsweise den etwa unterarmlangen Hebel, der dem Lokführer als Gaspedal dient. Oder die verschiedenen Druckanzeigen. Normalerweise, erklärt Weitzel, herrsche im Kessel ein Arbeitsdruck von 15 Bar. Steige die Anzeige jedoch weiter, könne das hörbare Folgen haben: „Bei Überdruck wird’s richtig laut, da fliegen einem die Ohren weg.“
Gutachter nimmt Lok ins Visier
Rings um den schwarzen Koloss herrscht an diesem Tag reges Treiben. Etwa ein Dutzend Vereinsmitglieder werkeln an der ehemaligen Güterzuglokomotive. Das Kreischen einer Flex durchschneidet die Luft, weil im Tender gerade undichte Stellen repariert werden. Denn für die Lok steht am nächsten Freitag ein wichtiger Termin an: Dann wird sie von einem Gutachter überprüft, bei voller Fahrt. Alle acht Jahre steht diese Hauptuntersuchung an, die dem Verein in den vergangenen Monaten etliche Sorgen bereitet hat. Vor allem wegen der damit verbundenen Kosten, die im niedrigen sechsstelligen Bereich liegen, sagt Florian Faust, Zweiter Vorsitzender der HEF.
Zwar versuchen die Mitglieder, dafür so viel wie möglich selbst zu machen. In den vergangenen Monaten bauten sie zum Beispiel Achsen und Treibstangen aus, überprüften die Lager und etliches mehr. Doch viele Teile mussten von extra dafür zertifizierten Betrieben aufgearbeitet werden, erklärt Faust. Da kommen schnell etliche Tausend Euro zusammen. Was den Verein umso schmerzlicher trifft, da in den vergangenen zwei Jahren wegen der Corona-Pandemie viele Touren mit den historischen Fahrzeugen ausfallen mussten, aus denen die HEF einen Großteil ihrer Einnahmen erwirtschaftet. Umso erleichterter ist man darüber, dass man auch mit Hilfe einer Spendenaktion die finanziellen Mittel für den Eisenbahn-TÜV zusammenkratzen konnte. Zumal in der Vorweihnachtszeit mehrere Fahrten mit der Dampflok nach Michelstadt und Rüdesheim sowie auf der Frankfurter Hafenbahn anstehen, die zum Teil schon so gut wie ausgebucht sind. Jetzt muss nur noch der Prüftermin am Freitag bewältigt werden. „Aber wir sind zuversichtlich, dass wir das schaffen“, sagt Faust.
Unter den rund 15 Mitgliedern, die an diesem Tag auf dem Vereinsgelände herumwuseln, sind auch mehrere Jugendliche. Zum Beispiel der 13-jährige Liam aus Bischofsheim. Sein Onkel sei einer der Dampflokfahrer und habe ihn vor gut zwei Jahren erstmals zur HEF mitgenommen, sagt er. Seitdem ist er begeistert bei der Sache. Zumal das Interesse für Eisenbahnen bei ihm in der Familie liegt: „Mein Uropa war der letzte Dampflokführer in Bischofsheim.“
Petra Aufsatz hingegen werden die Eisenbahnfreunde an diesem Tag nicht als neues Mitglied gewinnen. Zwar gefällt ihr die Arbeit, aber aus Zeitgründen könne sie sich nicht weiter engagieren, bedauert sie. Aber, ergänzt sie: „In den Zügen des Vereins mitfahren, das will ich in Zukunft auf jeden Fall.“ Brigitte Degelmann