Holpriger Start für Mehrweg-Verpackungen

Wirte und Lebensmittelhändler müssen das wiederverwendbare Geschirr seit 1. Januar bereit halten. Doch die Nachfrage bleibt aus.
Gastronomen müssen seit Jahresanfang Mehrweg-Verpackungen anbieten. Die Nachfrage seitens der Konsumenten ist in Frankfurt aber noch bescheiden.
„Das passt nicht zur Lebenswirklichkeit der Kunden“, sagt Fleischerinnungs-Obermeister Thomas Reichert. „Es ist alles Augenwischerei.“ Schon seit einem Jahr biete er bei „Haxen-Reichert“ in Höchst Mehrwegverpackungen fürs Essen außer Haus an, bewerbe sie auch, doch die Nachfrage sei gleich null. Die Gäste seien bequem, hätten keine Lust, hin und her zu rennen mit dem schmutzigen Geschirr, glaubt er.
Das geht den Gastronomen ähnlich. Madjid Djamegari, Chef der Initiative Gastronomie Frankfurt, findet es nicht ganz so schlimm wie Reichert, aber auch er ist nicht glücklich. „Wir hatten zwei Jahre Zeit uns vorzubereiten. Für die Gastronomen ist es immer ein Zusatzaufwand. Egal, wie man es löst, welchen Anbieter man wählt, es sind Kosten für den Wirt und für den Gast.“ Trotzdem ist er überzeugt davon, dass alle sich daran gewöhnen. Nach einer gewissen Zeit werde es wie mit dem Dosenpfand. „Man fragt sich, warum wir es nicht schon immer gemacht haben.“
Betroffen von der Neuerung sind auch Einzelhändler. „Sie hatten Zeit sich einzustellen“, sagt Joachim Stoll, Sprecher der Frankfurter Einzelhändler, „und weiten ihre Systeme aus.“
Kunststoffmüll reduzieren
Die Regel soll Kunststoffmüll reduzieren. Also können die Pizzakartons des Fahrradboten weiterhin aus Pappe sein. Die Regel gilt auch nur für Betriebe mit mehr als 80 Quadratmetern Fläche oder mehr als fünf Mitarbeitern. Regina Shiels von der Gaststätte „Höchst Relaxed“ in der Windthorststraße in Höchst ist da knapp davongekommen. Trotzdem ist die Wirtin betroffen: „Wir müssen den Gästen anbieten, ihr eigenes Geschirr zu benutzen. Das gilt seit 1. Januar.“ Ein Problem sei das nicht, im Gegenteil, das Unternehmen spare Geld bei der Verpackung. „Vor Weihnachten sind viele gekommen und haben die Weihnachtsgans im eigenen Bräter abgeholt, mit allen Zutaten. Sie mussten es nur noch in den Backofen schieben zum Aufwärmen“, freut sich Shiels.
Die Schnittstelle zwischen Lebensmittelhygiene und Abfallwirtschaft hingegen bereitet vielen Händlern und Gastronomen Sorgen, glaubt Oliver Kasties, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Dehoga Hessen. „Es kommt zum ungünstigsten Zeitpunkt. Die Energiepreise, der Personalmangel, die Corona-Folgen.“ Hingegen gebe es erste Mehrwegsysteme. „Corona hat da Vorschub geleistet, weil mehr Speisen nach außen verkauft wurden und manche Gastronomen schon auf Mehrweg umgestiegen sind“, sagt Kasties. Andere jedoch seien noch in der Orientierung.
Der Markt ist verwirrend, ähnlich wie bei der Einführung des Dosenpfandes. Verschiedene Systeme konkurrieren, sind jedoch miteinander nicht zu vereinbaren. Vier große Anbieter versorgen Gastronomen mit Mehrweg-Geschirr, das dann in allen angeschlossenen Betrieben zurückgegeben werden kann. Nur wo gibt es einen solchen Betrieb? Faircup etwa, ein norddeutscher Anbieter, hat 2500 Gastronomiebetriebe unter Vertrag. Aber nur 90 im Rhein-Main- und Rhein-Neckar-Raum. Dies sagt Daniel Pfeffer, Geschäftsführer der Darmstädter Niederlassung. „Es kostet pro Standort 20 Euro monatlich“, sagt er. Dafür werde das Mehrweg-Geschirr geliefert. Die Kunden müssten Pfand zahlen, zwischen einem Euro für einen Becher und fünf Euro für eine große Menüschale.
Einwegverpackungen sind teurer
In der Apfelweinkneipe Wagner in der Schweizer Straße hat man sich für das Unternehmen Vytal entschieden. Die Geschirrrückgabe wird über eine App organisiert. „Für uns ist das einfach gewesen. Einfach anmelden und wir zahlen nur für jeden Gast, der das Mehrwegsystem nutzt“, erklärt die Tochter der Inhaber, Pia Wagner. „Unterm Strich zahlen wir für Mehrweg weniger als für die bisherigen recycelten Einwegverpackungen.“
Doch bei Wagner fehlt wie bei Reichert die Nachfrage. Bisher hätte noch kein Kunde das Essen in einer Mehrwegverpackung haben wollen, obwohl immer gefragt wird. Falls sich ein Gast doch mal für die Mehrweg-Boxen entscheiden sollte, muss er zunächst die App Vytal runterladen, erst danach kann er das Essen bestellen und die wiederverwendbaren Behälter über einen QR-Code ausleihen. Ab diesem Tag hat man 14 Tage Zeit, um die Gefäße wieder zurückzubringen. Nach Ablauf der Frist ist eine Strafe fällig. Wichtig ist, dass der Gast die Behälter gereinigt zurückbringt. Es muss aber nicht das gleiche Restaurant sein, aus dem es ist. In der App können sich die Gäste ein Geschäft aussuchen, dass auch bei Vytal mitmacht.
Insgesamt sind das über 100 im gesamten Stadtgebiet und mehr als 1000 in Deutschland. „Theoretisch kann man sichbei uns die Schnitzel holen. In der Nacht nach Hamburg fahren und dort im Restaurant alles wieder zurückgeben“, erklärt Pia Wagner.
Außerdem hätten die festen Behälter den Vorteil, dass der Geschmack besser sei, da sonst normalerweise der weichere Styropor den Geschmack an das Essen weitergäbe. „Hoffentlich gibt es irgendwann nur noch Mehrwegverpackungen. Das ist umweltfreundlicher und kein großer Mehraufwand“, wünscht man sich bei Apfelwein-Wagner.