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„Ich hatte endlich keine Angst mehr“

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Von: Sabine Schramek

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Berater Maximilian Weber (links) vom Integrationsfachdienst im Gespräch mit einem Hilfesuchenden.
Berater Maximilian Weber (links) vom Integrationsfachdienst im Gespräch mit einem Hilfesuchenden. © Rüffer, Rainer

Wie beim Integrationsfachdienst (IFD) Brücken für Behinderte am Arbeitsplatz geschlagen werden

Was völlig selbstverständlich sein sollte, ist es nicht. Obwohl 173 000 Unternehmen mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze an Behinderte vergeben müssten, umgehen viele Arbeitgeber diese Pflicht und zahlen eine Ausgleichsabgabe. Dabei ist Inklusion, ob von Menschen mit einem Behindertenausweis oder von Menschen, die von Behinderung bedroht sind, gar nicht so schwer. Der Integrationsfachdienst (IFD) zum Beispiel baut Brücken zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Höheres Arbeitstempo, mehr Aufgaben, steigender Druck, wachsende Erwartungen, große Verantwortung. „Frankfurt ist ein hartes Pflaster mit vielen Wirtschaftszweigen und hoher betrieblicher Dichte“, sagt Antje Bergmann, Leiterin des Integrationsfachdienstes (IFD) in Frankfurt. Seit über 30 Jahren vermittelt der IFD zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn es um Behinderung und Gleichstellung geht. Ob genetisch bedingt oder durch Schicksalsschläge verursachte Behinderung. Was häufig vergessen werde, seien psychische Erkrankungen wie Depressionen. Mit Fachvorträgen klärt der Dienst im Auftrag des Integrationsamtes auf, vermittelt aber auch ganz direkt dort, wo es Schwierigkeiten gibt und hilft beiden Seiten.

Im Teufelskreis gefangen

Michael Neumann, der eigentlich anders heißt, aber anonym bleiben möchte, arbeitet schon lange bei einem großen Dienstleister als Teamleiter. Er besiegte den Krebs. Die Aufgaben im Job wuchsen. „Es kam wie eine Welle. Ich habe nur gemerkt, dass ich dem Druck nicht mehr standhalte. Bis es mich umgehauen hat“, erzählt der 44-Jährige. „Ich wollte, dass der Chef zufrieden ist und einfach nur gut arbeiten. Das ging dann nicht mehr. Ich war fertig, frustriert und hatte Angst, dem gefühlten Ziel nicht gerecht zu werden.“ Mit Burnout ging er in Reha und bekam dort den Hinweis auf den IFD. „Das war meine Rettung“, ist er heute sicher. „Ich konnte hierherkommen und einfach erzählen. Ich hatte endlich keine Angst mehr, weil es Lösungen gab und weil ich Zuspruch bekommen habe.“

Mit Fachberater Maximilian Weber wurden die Schwierigkeiten, die im Job aufkamen, besprochen. Und vermittelt. Mit dem Chef, dem Betriebsrat und einem Job-Coach wurde Neumann langsam wieder betrieblich eingegliedert. Auch jetzt ist Neumann noch erstaunt, was alles möglich ist, wenn nur entsprechend vermittelt wird. „Ich habe gelernt, mehr auf mich selbst zu achten. Mein Chef hat gelernt, mehr Struktur in die Aufgabe zu legen und uns als Mitarbeiter wahrzunehmen. Der Job-Coach hat es geschafft, Fehlzeiten zu reduzieren und einiges so umzustellen, dass allen geholfen ist. Dem Arbeitgeber und den Mitarbeitern“, ist er erleichtert. Er dachte damals, er habe keine Möglichkeiten, anders zu agieren und rutschte immer tiefer in die Verzweiflung. „Jetzt bin ich glücklich. Ich konnte ehrlich bleiben, mein Team ist entlastet und auch der Arbeitgeber ist froh, dass es so gut läuft.“

Weber nickt und lächelt. „Ideal ist es, wenn am Ende alle Seiten zufrieden sind.“ Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber suchen Rat und Hilfe beim IFD. Führungskräfte bekommen Tipps im Umgang mit Mitarbeitern. „Da hilft oft schon, dass manche Aspekte ganz anders wahrgenommen werden.“ Im Endeffekt gehe es darum, Arbeitsplätze zu sichern und zu erhalten. Job Coaches kommen von außen und betrachten neutral die Arbeitsprozesse - in Kenntnis der Schwierigkeiten. Dabei finden sie häufig Lösungen, die relativ einfach umsetzbar sind. „Jeder kann sich ohne Angst äußern. Es ist ja für den Zweck, möglichst gute Lösungen für alle zu finden“, so Bergmann. Dafür braucht es Fingerspitzengefühl und Sachkenntnis. Neumann arbeitet gerne wieder in seinem Job. „Ohne die Hilfe weiß ich nicht, wie es weitergegangen wäre“, sagt er. Der Job ist der Gleiche. Einige Strukturen sind anders. Neumann fühlt sich nicht mehr gehetzt, sondern blickt nach vorn. Er wünscht sich vor allem eines: Dass Behinderungen kein Tabu-Thema mehr sind, dass die Stigmatisierung aufhört. „Viele sind hoch qualifiziert und arbeiten sehr gern. Oft sind es kleine Dinge, die das Arbeitsleben für alle erfolgreich machen. Wenn jeder Betrieb seiner Pflicht nachkäme, Behinderte bei sich arbeiten zu lassen, gäbe es viel weniger Vorurteile.“

Betriebe, die Behinderte beschäftigen und Arbeitnehmer mit Schwerbehindertenausweis oder die von Behinderung bedroht sind, können sich an den IFD wenden. Mehr Infos: www.ifd- frankfurt.de/.

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