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"Ich kann dem Oberbürgermeister keinen Rat geben"

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Von: Julia Lorenz

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Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) ist Frankfurts Bürgermeisterin. Sie leitet zudem das Dezernat für Diversität, Antidiskriminierung und gesellschaftliches Zusammenleben (ehemals Dezernat für Integration).
Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) ist Frankfurts Bürgermeisterin. Sie leitet zudem das Dezernat für Diversität, Antidiskriminierung und gesellschaftliches Zusammenleben (ehemals Dezernat für Integration). © Rainer Rüffer

Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg vertritt gern und öfter Peter Feldmann

Im Jahr 2018 wollte Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) Frankfurts Oberbürgermeisterin werden. Das hat nicht geklappt. Seit fast einem dreiviertel Jahr ist sie jedoch Bürgermeisterin und muss immer häufiger den unter Korruptionsverdacht stehenden Rathauschef Peter Feldmann (SPD) vertreten. Sollte er zurücktreten, steht die 57-Jährige bis zu Neuwahlen ganz an der Spitze der Stadt. Wie stellt sich die Situation für sie dar? Darüber sprach sie mit unserer Redakteurin Julia Lorenz.

Frau Eskandari-Grünberg, seit fast einem dreiviertel Jahr sind Sie Bürgermeisterin der Stadt Frankfurt und Dezernentin für Diversität, Antidiskriminierung und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sind Sie gut angekommen im Römer?

Absolut. Ich bin angekommen. Die Arbeit hat begonnen und es macht mir eine große Freude. Ich bin stolz, Bürgermeisterin der Stadt Frankfurt zu sein.

Warum?

Ich bin Frankfurterin. Frankfurt ist meine Heimat, mein Zuhause. Und ich denke, es ist kein Zufall, dass es mit mir ausgerechnet in Frankfurt eine der wenigen Bürgermeisterinnen mit Migrationsgeschichte gibt. Die Stadt war schon immer international und divers. Hier fühlen sich viele, sehr unterschiedliche Menschen zu Hause.

Im Jahr 2018 wollten Sie Oberbürgermeisterin von Frankfurt werden. Nun müssen Sie diese Rolle möglicherweise unverhofft übernehmen, wenn der unter Korruptionsverdacht stehende Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) doch noch zurücktritt - zumindest bis es Neuwahlen gibt. Wie ist das für Sie?

Ich bin vom Stadtparlament als Bürgermeisterin gewählt worden und diese Aufgabe werde ich auch weiterhin erfüllen. Mir ist es wichtig, professionell zu agieren. Es wird in Frankfurt künftig viele Herausforderungen geben, denen wir gerecht werden müssen. Dazu zählt etwa das Thema Armut. Steigen die Preise noch weiter, wird das für viele Bürgerinnen und Bürger schwer werden. Das ist es, was die Menschen beschäftigt - und dafür müssen wir Antworten finden. Dafür sind wir gewählt. Natürlich werde ich als Vertreterin des Oberbürgermeisters aber auch Termine und Aufgaben von ihm übernehmen, wenn er mich darum bittet.

Sie müssen auch jetzt schon Termine vom Oberbürgermeister übernehmen.

Das stimmt. Und das nehme ich auch ernst. Mir liegt das Wohl der Stadt, die Sorgen und Ängste der Menschen sehr am Herzen.

Sie sprachen davon, dass es in Frankfurt unzählige Themen gibt, die angegangen werden müssen. Seit der Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft gegen den Oberbürgermeister dreht sich aber einfach alles um ihn. Viele Themen bleiben auf der Strecke. Wie sehen Sie das denn?

Nein, die Stadt ist nicht lahmgelegt. Es gibt eine gewählte Koalition und einen gewählten Magistrat. Wir arbeiten alle. Diese Stadt ist nicht ohne Regierung. Deshalb sage ich: Es dreht sich nicht alles um Peter Feldmann.

Aber?

Natürlich ist es problematisch, dass der Oberbürgermeister angeklagt ist. Wir werden alles dafür tun, dass die Stadt keinen Schaden davonträgt. Den Rest müssen die Gerichte entscheiden. Ansonsten werden wir weiterhin professionell mit dem Oberbürgermeister zusammenarbeiten.

Wie ist denn für Sie persönlich unter diesen Umständen die Zusammenarbeit mit dem OB?

Peter Feldmann und ich kennen uns sehr lange und wir haben immer kollegial zusammengearbeitet. Jetzt ist das natürlich schwieriger. Aber ich begegne der Situation nicht mit Wut und Ärger, sondern mit Professionalität. Er hat seine Funktion, ich meine. Dennoch sitzen wir natürlich auch weiterhin zusammen in Aufsichtsräten und Gremien. Das muss reibungsfrei funktionieren.

Feldmann hatte angekündigt, nach den Osterferien mit dem Magistrat zu sprechen, welche Termine er wahrnimmt und welche nicht. Gab es das Gespräch bereits? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Dieses Gespräch steht noch aus. Wir haben aber deutlich gemacht, dass wir das wollen. Uns ist wichtig, dass die Termine nicht beliebig übernommen werden, sondern im Gremium abgesprochen werden - immerhin sind wir ein Kollegialorgan.

Derzeit absolviert der OB noch ziemlich viele Termine, trotz seiner Ankündigung, sich öffentlich etwas zurückhalten zu wollen. Wie sehen Sie das? Tritt er noch zu häufig öffentlich auf?

Wissen Sie, wir müssen als Politiker unsere Rolle, unsere Funktion erfüllen. Es ist aber auch wichtig, dass wir selbst als Person darüber nachdenken, wie wir diese Sache machen. Das ist häufig eine subjektive Entscheidung. Aber ich erwarte, dass wir Augenmaß walten lassen. Das heißt: Ich rate jedem von uns, zu überprüfen, was man macht, wie man handelt und wie das ankommt. Das gilt auch für den Oberbürgermeister. Und wenn ich das Gefühl habe, dass es ein Unbehagen gibt, dann ist es in der Politik auch nicht schlecht, wenn man sich ein paar Schritte zurückzieht. Das ist manchmal viel wirksamer. Aber ich kann dem Oberbürgermeister natürlich keinen Rat geben.

Haben Sie denn überhaupt Zeit, zusätzliche Termine vom Oberbürgermeister zu übernehmen? Ihr Tag hat ja auch nur 24 Stunden.

Immerhin ( lacht ). Ich übernehme die Termine gerne. Für mich gibt es aber auch nicht meine oder seine Termine. Es sind Termine der Stadt. Es sind Termine für Bürger oder Institutionen, für Menschen, die etwas von uns wollen. Deshalb müssen wir uns dafür Zeit nehmen. Bis jetzt konnte ich das einrichten. Das wird auch in Zukunft klappen. Da bin ich mir sicher.

Warum?

Eines meiner wenigen Talente ist Organisation. Ich komme auch nie zu spät, bin immer pünktlich. Da lege ich Wert drauf und deshalb ist es mir auch so wichtig, dass man Termine gemeinsam abspricht und im Voraus plant. Denn ich will mich auch auf Termine vorbereiten können. Darauf werde ich auch noch einmal beharren. Langfristig geplante Termine, die der OB nicht wahrnimmt, müssen rechtzeitig auf meinen Tisch kommen.

Wie viele Termine haben Sie denn bereits für den Oberbürgermeister übernommen?

Bisher waren es sicher ein gutes Dutzend. Unter anderem der Sportabend in der Paulskirche, der Empfang zum Nouruz-Fest im Kaisersaal und einige andere mehr, die da auch noch kommen werden.

Gibt es Termine, die sie nicht übernehmen wollen?

Als Politikerin sage ich natürlich nein, die gibt es nicht. Alle Termine sind wichtig. Ich picke mir keine Rosinen heraus.

Die nächste OB-Wahl ist eigentlich erst 2024. Doch die Grünen - und die anderen Parteien - müssen sich schon jetzt Gedanken darüber machen, wen Sie ins Rennen schicken, sollte Feldmann doch vorzeitig zurücktreten. Treten Sie noch einmal an?

Das muss nicht ich entscheiden, sondern meine Partei. Ich bin als Bürgermeisterin gewählt und diese Aufgabe will ich, so wie alles in meinem Leben, gut machen. Ich bin kein Termin-Junkie, und ich war auch noch nie ein Job-Junkie.

Gäbe es denn andere Kandidaten, die Sie sich vorstellen könnten?

Ich glaube nicht, dass im Moment überhaupt schon im Detail über Kandidaten gesprochen wird. Im Moment ist es wichtiger, dass die Koalition funktioniert, dass die Stadtregierung funktioniert. Denn es gibt ganz andere Sorgen in der Stadt, die derzeit wichtiger sind, und um die wir uns kümmern müssen. Alles andere steht noch nicht zur Debatte.

Kommen wir noch einmal zurück zu Ihrer Aufgabe als Bürgermeisterin und Dezernentin: Was konnten Sie denn für Frankfurt in den vergangenen Monaten schon erreichen?

Jeder, der meinen politischen Werdegang verfolgt hat, weiß: Ich bin niemand, die sich hübsch anzieht, auf Termine geht, Hände schüttelt und wieder geht. Ich bin jemand, die inhaltlich etwas bewegen will.

Und das wäre?

Zum Beispiel habe ich gemeinsam mit Stadträtin Annette Rinn (FDP) die Schulung in interkultureller Kompetenz für die Stadtpolizei wieder eingeführt. Zudem haben wir mehr als 7000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Zusammen mit meinen Magistratskolleginnen haben wir eine Anlaufstelle für ukrainische Geflüchtete im "Stadtraum Frankfurt" geschaffen. Wichtig ist aber, dass wir keine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Geflüchteten schaffen. Wir müssen allen Menschen helfen. Niemand verlässt sein Heimatland freiwillig. Es ist für jeden ein schmerzvoller Gang. Daher war meine Aufgabe in den vergangenen Monaten klarzumachen, dass wir den Menschen eine Perspektive, eine Chance für ein besseres Leben bieten müssen. Sie müssen sich willkommen fühlen. Dafür kämpfe ich.

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