Im Heimatmuseum hat erstmals eine Frau das Sagen

Langjähriger Vorsitzender des Bezirksvereins gibt sein Amt an die nächste Generation ab
Werner Hardt hätte noch weitergemacht als Erster Vorsitzender des Bezirksvereins. Aber die Gesundheit erlaubt es nicht mehr. „Außerdem ist es gut, wenn Jüngere das Ruder übernehmen, die sehen viele Dinge anders“, sagt der 81-Jährige.
Zum ersten Mal übernimmt eine Frau den wichtigsten Posten im traditionsreichen Verein: Vorsitzende ist jetzt die langjährige Stellvertreterin Birgit Wende (56), die schon seit Mitte der 1990er aktives Mitglied ist. Bei der Jahreshauptversammlung war vor kurzem der Saal im Hinterhaus des Heimatmuseums gut gefüllt, und alle gaben dem Wachwechsel ihr zustimmendes Votum. Zweiter Vorsitzender wurde Richard Sturm, den viele als Stadtteilhistoriker kennen. „Wir haben zwei neue Beisitzer, ansonsten kann ich dem selben Team weitermachen“, sagt Birgit Wende.
Vieles in Niederrad verändert sich
230 Mitgliedern liegen ihr Heimatstadtteil und das Museum am Herzen. Vielleicht gerade, weil sich so vieles in Niederrad verändert. Die Rennbahn ist Geschichte, das Lyoner Quartier wächst und wächst, während im alten Ortskern immer mehr historische Häuser verloren gehen. Auch das alte Gebäude der Salzmannschule soll abgerissen werden, zum Leidwesen der älteren Niederräder.
Gerade erst war Werner Hardt wieder mit Fotoapparat bewaffnet in der Schwarzwaldstraße und beobachtete den Abriss eines alten Hauses unweit von Niederrads Traditionsgaststätte Apfelwein Gass. Und siehe da, ein alter Bunker kam zum Vorschein. „Ich hab alles dokumentiert. Meinen kleinen Fotoapparat habe ich immer dabei, wenn ich in Niederrad unterwegs bin“, sagt Hardt.
Während seiner 17 Jahre als Vorsitzender ist das Fotoarchiv des Vereins gewaltig angewachsen: Allein von Häusern in der Kelsterbacher Straße gibt es nun 550 Fotos, dazu ist vermerkt, wie alt das jeweilige Gebäude ist, wem es gehört, was sich früher darin befand. Schon Goethe soll sich in den Gaststätten an der früheren Lebensader des Stadtteils wohlgefühlt haben - der Dichterfürst soll Niederrad auch in seinem Gedicht „Osterspaziergang“ erwähnt haben. Etliche Tanzsäle und ein Kino gab es später, und natürlich den denkmalgeschützten Frauenhof aus dem Jahr 1781. Für das Wahrzeichen gibt es Hoffnung, weil der Besitzer gewechselt hat und offenbar eine Sanierung angedacht ist.
Der Bezirksverein konnte dank Spenden im Jahr 2006 sein Heimatmuseum an der Schwanheimer Straße 17 eröffnen, im Obergeschoss sind Büro und Küche. „Wir hatten großes Glück, dass uns einige Häuser vermacht wurden und das Geld da war, um das Museum einzurichten“, erinnert sich Hardt. Der Großteil ist in die 2017 gegründete Förderstiftung geflossen, die Kunst und Kultur, Jugendarbeit und Vereine im Stadtteil unterstützt.
Im Museum soll es weiterhin Führungen vor allem für Grundschüler geben, im Veranstaltungsraum im Hinterhof sind Vorträge und Konzerte geplant, als nächstes eine Jazzmatinee im Juni. Was es zunächst nicht mehr geben soll, sind Sonderausstellungen. „Die waren zuletzt nicht gut besucht“, sagt Birgit Wende. „Der Aufwand ist zu groß für zu wenig Ertrag. Wir wollen lieber mehr Vorträge und Lesungen anbieten“, kündigt sie an.
Außerdem haben Verein und Museum ein neues Logo mit neuer Farbe in Grün und Bordeaux. Das soll den Wiedererkennungswert steigern. „Wir wollen öfter Plakate von Veranstaltungen im Stadtteil aufhängen, auch auf Facebook und anderen Sozialen Medien präsenter werden“, kündigt die neue Vorsitzende an.
Schultheiß-Buch umschreiben
Werner Hardt, der jüngst den Ehrenbrief des Landes Hessen für seine Verdienste verliehen bekam, will erst einmal kürzertreten, jedoch weiterhin im Verein, „in dem ich nur noch normales Mitglied bin“, präsent bleiben.
Drei Bücher über die Geschichte Niederrads hat er bereits verfasst, womöglich wird es in fernerer Zukunft ein viertes geben. Hardt will sich das Schultheiß-Buch vorknöpfen, das im Museum ausgestellt ist. „Das Buch, in dem jeder Bürgermeister von Niederrad über besondere Ereignisse geschrieben hat, ist in Sütterlin geschrieben. Das müsste in lesbares Deutsch umgeschrieben werden“, findet der Heimatforscher. Aber das macht der vierfache Urgroßvater erst, nachdem er sich etwas Ruhe gegönnt hat.
Stefanie Wehr