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Im Rhönrad ist Lars der sichere Sieger - weil er keine Gegner hat

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Erst seit einem Jahr turnt Lars beim TuS Nieder-Eschbach im Rhönrad und bot beim Nachwuchslandesfinale eine tolle Leistung. Mangels männlicher Konkurrenz stand sein Sieg vorher fest.
Erst seit einem Jahr turnt Lars beim TuS Nieder-Eschbach im Rhönrad und bot beim Nachwuchslandesfinale eine tolle Leistung. Mangels männlicher Konkurrenz stand sein Sieg vorher fest. © Rüffer

Der TuS Nieder-Eschbach richtete das Nachwuchslandesfinale aus - mit 89 Mädchen und einem Jungen.

Lars nahm Haltung an. Nach einem kurzen Handgruß an die Kampfrichter griff der Neunjährige nach oben, nach einem der beiden Reifen des Rhönrads, das vor ihm stand. Dann zog er sich selbst mit gestrecktem Körper in das Gerät hinein, beugte sich kurz nach unten, um seine Füße auf den schmalen Brettern in den Bindungen genannten Riemen zurechtzuschieben. Schließlich richtete sich der kleine Turner in seinem weiß-blauen Ganzkörpertrikot wieder auf und begann langsam und konzentriert damit, das Rad ins Rollen zu bringen.

Was schon sehr professionell aussah, hat der Schüler innerhalb nur eines Jahres gelernt. Beim Turn- und Sportverein (TuS) Nieder-Eschbach, wo Lars früher als Leichtathlet und Geräteturner trainierte, hatte er mehrmals Kinder und Jugendliche im Rhönrad gesehen und wollte sich selbst mal darin ausprobieren.

Am Sonntag durfte sich der Debütant beim hessischen Nachwuchslandesfinale in der alten Sporthalle der Otto-Hahn-Schule vorstellen. 89 Mädchen in verschiedenen Altersklassen nahmen teil - und Lars, als einziger Junge. Mit 4,10 Punkten für seine Kür im Geradeturnen, einer von drei Disziplinen dieser nicht-olympischen Turnsportart neben Spirale und Sprung, sicherte er sich den mangels Konkurrenz von Beginn an feststehenden Sieg. Aber auch ein großes Lob seiner Trainerin Janika Heidecke. „So ordentlich habe ich das bei ihm noch nie gesehen“, kommentierte die Nieder-Eschbacher Spartenleiterin.

Nur ein Triumph für die Gastgeber

Es sollte der einzige Triumph für den ausrichtenden Verein bei dem Wettkampf bleiben, der für Breitensportler bis zum Alter von 14 Jahren ausgeschrieben ist und keinen Qualifikationscharakter besitzt. Die Zulassung zum Deutschland-Cup, dem nationalen Entscheid in diesem Bereich, können sich die Turnerinnen und Turner ab elf Jahren bei drei anderen Wettbewerben sichern. Zudem gibt es noch die Leistungsklassen, bei denen sich ambitioniertere Talente bei Meisterschaften miteinander messen.

Beim TuS Nieder-Eschbach sind beide Bereiche vertreten. Etwa 50 Rhönradturnerinnen und -turner zählen zu der Sparte, die Wartelisten auf einen Platz im Übungsbetrieb sind laut Trainerin Mareike Stroh lang. Obwohl sich fünf Übungsleiter und etwa zehn Helfer darum kümmern, den Aktiven neue Elemente beizubringen, und sie dabei unterstützen, diese zu den geforderten Übungen zusammenzustellen, sind die Kapazitäten begrenzt. Elfeinhalb Stunden in der Woche steht den Rhönradgruppen die Trainingshalle zur Verfügung. Besondere Werbeaktionen sparen sich die Verantwortlichen. Nachwuchs, der ab sechs oder sieben Jahren einsteigen kann, sei in der Randsportart genügend vorhanden. Auch weil nicht viele Vereine diese Möglichkeit anbieten: in Frankfurt nur noch der TV Zeilsheim.

Zu denen, die mit ihrer Kunst im rollenden Turngerät auch außerhalb der eigenen Szene bekannt geworden sind, zählt der Taunussteiner Wolfgang Bientzle. Mister Rhönrad, wie der 56-Jährige genannt wird, war nicht nur Weltmeister, sondern tanzte auch bei Holiday on Ice und beim Cirque du Soleil mit dem Rad. Dennoch ist die Sportart, wie andere Turndisziplinen, eher eine Frauendomäne.

Mit einem Freund wäre es lustiger, sagt Lars

Beim TuS Nieder-Eschbach habe es schon mal mehr männliche Interessenten gegeben, erzählt Heidecke. Aber mittlerweile sei Lars der Einzige. „Wenn die Jungen es machen, sind sie ernsthafter dabei“, so die Fachfrau. Mädchen könnten sich oft schwerer entscheiden, ob sie ihre Freizeit diesem einen Hobby opfern.

Lars hätte gerne andere Jungen an seiner Seite. Auf die Frage, wie es als Hahn im Korb, als einziger Junge unter lauter Mädchen sei, antwortet er mit wenig Begeisterung. Vielleicht hat sich jedoch schon eine Lösung gefunden: Noah, der in der Michael-Grzimek-Schule die gleiche Klasse wie Lars besucht und dessen Schwester bereits im Rhönrad turnt, würde auch gerne diese Sportart betreiben. Noch steht im Weg, dass er seine Nachmittage im Hort verbringt. Aber freitags, sagt er, könne er vielleicht früher gehen.

Seinem Schulkollegen würde das sehr gefallen. Rhönradturnen, sagt Lars, mache ihm einfach viel Spaß. Er habe keine Angst, auf dem Kopf zu stehen. Aber mit einem guten Freund könnte es noch viel lustiger sein, sich zu drehen und die Welt immer wieder andersherum zu sehen.

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