In der Waldorfschule spielt die Musik

1200 Zuhörer sind begeistert von Tschaikowskis Nussknacker
Für einen Moment geht es etwas zackig zu in der Aula der Freien Waldorfschule, als der Marsch ertönt, die Kinder die Hand zum Gruß anlegen und mit den Füßen den Gleichschritt nachempfinden. Doch hier geht es nur um Zinnsoldaten unter dem Kommando eines Nussknackers. „Die Liebe, mit der das Orchester spielt und Herr Gotthardt das Stück moderiert, ist einfach herzerwärmend“, findet Dorothea Bohlen, Teilhabeassistentin der Georg-Büchner-Schule.
Und für die begeisterten 1200 Kinder, die sich aus zwölf Frankfurter Schulen zu zwei Konzerten versammelt haben, scheint es noch einmal Weihnachten zu werden. „Neulich kam der Weihnachtsmann“, stimmt Christoph Gotthardt, Leiter der Musikvermittlung des Staatlichen Schulamts, mit ihnen an und erklärt, die Weihnachtszeit gehe traditionell bis zu Mariä Lichtmess Anfang Februar. Und da Pjotr Tschaikowskis beliebtes Märchenballett „Der Nussknacker“ ein Weihnachtsstück sei, jedoch nicht alle Frankfurter Schulen Platz im Dezemberkonzert gefunden hätten, dürften Kinderträume auch im noch im Januar wahr werden.
Tatsächlich greift Tschaikowskis Ballett Motive aus E.T.A. Hoffmanns Kunstmärchen „Nussknacker und Mausekönig“ auf und erzählt vom Nussknackermännchen der kleinen Marie, das an Heiligabend zum Leben erwacht und die Zinnsoldaten ihres Bruders Fritz gegen ein Mäuseheer anführt. „Wobei der Nussknacker freilich nur ein verwunschener Prinz ist“, wie Gotthardt klarstellt.
Das Orchester der Neuen Philharmonie Frankfurt nimmt die Schüler mit auf eine winterliche Märchenreise, bei der auch himmlische und mystische Instrumente wie die Harfe oder die Celesta erklingen, ein kleines Klavier mit Klangplatten, die an ein Glockenspiel erinnern. „Damit ahmt man den Takt und die Melodie der Zuckerfee nach, die die ganze Landschaft mit Pulverschnee wie Puderzucker bestreut“, erklärt Gotthardt.
Zusammen mit den Musikern erläutert er den vorwiegend aus Grundschulen kommenden Kindern, wie eine Geige und Viola gestimmt und gespielt werden und wie man mit dem Englischen Horn einen Frosch zum Singen bringt. Die Reise geht weiter ins arabische und chinesische Wunderland, wo die Zauberflöte des Schlangenbeschwörers erklingt und Antonia Vassileva, extra für das Konzert engagiert, sich von einer arabischen in eine chinesische Tänzerin verwandelt.
„Nach der langen und kräftezehrenden Coronapause haben wir extra zwei Konzertvormittage für Tschaikowski organisiert“, erklärt Gotthardt. Beim oft schwierigen Versuch, wieder an das anzuknüpfen, was vor Corona als normal galt, sollen die Schülerkonzerte helfen, klassische Musik spielerisch zu vermitteln und Lust auf das Erlernen und Spielen von Instrumenten zu machen.
Die Schülerkonzerte gibt es seit den 1970er Jahren, rund 150 000 Schüler kamen so in Kontakt mit Orchestermusik. Gefördert werden sie vom Staatlichen Schulamt und Bildungsdezernat der Stadt Frankfurt mit einem jährlichen Etat von rund 60 000 Euro. Der „Nussknacker“ gehört ebenso zu den Klassikern wie „Peter und der Wolf“ von Sergei Prokowjew am 10. März im Titusforum und „Der Zauberlehrling“ von Paul Dukas am 22. und 23. Juni im Lessing-Gymnasium. „Ein Sommernachtstraum“ von Felix Mendelssohn Bartoldy erklingt am 11. Juli im Palmengarten (Musikpavillon).
Im „Nussknacker“ gibt es ein Happy End, als der Hochzeitswalzer erklingt, die Aula der Freien Walldorfschule zum Schunkeln bringt und die Kinder im letzten Stück begeistert klatschend ein wahres Nuss-Crescendo erklingen lassen. Gernot Gottwals