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Gaststätten verzichten: In vielen Fußball-Kneipen in Frankfurt rollt der Ball nicht mehr - TV-Gebühren zu hoch

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Von: Sabine Schramek

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Wirt Michael Walter zeigt im „Zum alten Schlagbaum“ in Bornheim keine Live-Übertragungen mehr, weil es sich nicht mehr rechnet. Die Rechte für Top-Fußball werden auf immer mehr Sender verteilt und jeder Sender ruft für Kneipen besonders hohe Preise auf.
Wirt Michael Walter zeigt im „Zum alten Schlagbaum“ in Bornheim keine Live-Übertragungen mehr, weil es sich nicht mehr rechnet. Die Rechte für Top-Fußball werden auf immer mehr Sender verteilt und jeder Sender ruft für Kneipen besonders hohe Preise auf. © Rüffer

Fußballspiele gemeinsam in der Kneipe gucken gilt für viele Menschen als Erlebnis. Die hohen Preise der Bezahlsender gefährden jedoch den Spaß.

Frankfurt – Fußballspiele in der Kneipe gucken, zusammen jubeln oder fluchen: Bei Bier, Apfelwein, Expertengesprächen und guter Stimmung werden Bundesligaspiele und Champions-League-Abende zum Erlebnis. Doch die hohen Preise der Bezahlsender gefährden den Spaß.

Früher war mehr Lametta. Beziehungsweise mehr Fußball in Kneipen und Lokalen in Frankfurt. Da wurde der Fernseher eingeschaltet, und jeder war live dabei. Längst reicht ein Abo nicht mehr, die Übertragungsrechte müssen bei mehreren Sendern teuer mitbezahlt werden. Im Juni hat das legendäre „Backstage“ im Nordend nach 30 Jahren geschlossen. Gema-Gebühren, GEZ, Sky, DAZN - deutlich mehr als 1000 Euro wären im Monat fällig gewesen. Zu viel für die Betreiberin Silke Bernhardt, die all ihr Herzblut in die Eckkneipe gelegt hatte und jetzt seit Ende September - ohne TV-Fußball und mit viel Eintracht-Frankfurt-Inventar - das „New Rose“ im Vereinsheim von Concordia Eschersheim betreibt. Donnerstags und freitags als Kneipe, samstags mit Veranstaltung und sonntags, wenn die Concordia Heimspiel hat.

Gaststätten verzichten auf Fußball: „Schande für unsere Fußballfans“

„Ohne Fußball wär’s nicht schön“, sagt Kellnerin Serim in der „Haltestelle“, die früher als Karins Pilsstube an der U-Bahn-Haltestelle in Praunheim bekannt war. Hier hat sich kurz vor Corona die Adler-Rausch-Fangruppe gegründet. Die Wände sind voll von ihrem lustigen Logo mit Adler und Bembel. „Sie hatten keinen Platz, an dem sie sich treffen konnten und haben dann die Haltestelle entdeckt“, erzählt Serim. Die Kneipe hat den Charme der 60er Jahre, sogar ein Hinterhofgarten, in dem man seine eigenen Sachen grillen kann, ist dabei. „Mit Beamer, wenn Spiele sind“, schwärmt Stammgast Axel. Hier kommen junge und alte Fans zusammen, rauchen, trinken und feiern, wenn es Fußball gibt. Der Stammtisch trägt das Schild „Chaos-Platz“, dabei ist es urig und gemütlich, nur ab und zu ein bisschen laut, wenn es Fußball gibt. „Assis und Säufer kommen hier nicht hin“, weiß Axel. „Es sind Nachbarn, die einfach mal abschalten wollen.“ Zur „Haltestelle“ gehören auch die Veltins-Theke im Nordwestzentrum und der „Treffpunkt“ in Heddernheim. „Natürlich mit Fußball, weil die Gäste es so wollen“, sagt Serim.

Anders hält es die Kultkneipe „Zum alten Schlagbaum“ in Bornheim. „Wir haben Ende August alles abgemeldet, auch wenn es eine Schande für unsere Fußballfans ist“, erzählt Michael Walter, der sich lachend als „mitarbeitender Ehepartner von Susanne“ vorstellt. Die Pächterin hat die Kneipe liebevoll bis ins letzte Detail in Eintrachtfarben eingerichtet. 13 Jahre gab es Fußball, jetzt gibt es weiterhin gute Stimmung und Zusammenhalt der Stammgäste. „Rückenschwimmen will hier niemand sehen“, so Walter trocken. „Rechnerisch lohnen sich die Bezahlsender für uns einfach hinten und vorne nicht.“ Die Gäste kommen trotzdem und schielen zwischendurch auf Fernseher, die an der Berger Straße stehen.

Dass es nicht schlimm sein muss, keinen Fußball live zu übertragen, weiß auch Oliver Thies von der „Klapper 33“ in Alt-Sachsenhausen. „Wir hatten noch nie Sky oder Dazn, die Fans kommen trotzdem zum Feiern“, schmunzelt der Betreiber am Zapfhahn, der ständig läuft. „Gemütlichkeit, Bier und gute Musik mögen die Leute. Auch ohne die teuren Sender werden wir allgemein als Fußballkneipe betrachtet.“ Vorglühen und Nachfeiern sind hier Alltag.

Gemütlichkeit, Bier und gute Musik: Wo Fans aus aller Welt einkehren

Fußball im ganz großen Stil gibt es nach wie vor im O’Reilly’s Irish Pub im Bahnhofsviertel. Ohne Fußball ist der riesige Pub ein gemütlicher Treff mit edlem Ambiente für Reisende und Anwohner. Bei Spielen geht es heiß her. Sport läuft immer auf sieben Sendern über elf Bildschirme. „Daran wird sich auch nichts ändern, die Leute kommen ja her, um Fußball zu sehen“, sagt Dali, der hier als Schichtleiter arbeitet.

Dass bei fast jedem großen Spiel die Polizei in der Nähe des Pubs ist, weil Fans aus aller Welt hier gar zu heftig feiern, liegt in der Natur der Sache. Der Pub ist groß, liegt direkt gegenüber vom Hauptbahnhof und damit auf dem Weg ins Nachtleben. Dort, wo sich harte Eintracht-Fans nach dem Spiel treffen, kochen immer wieder Emotionen der Freude oder des Frusts hoch. (Sabine Schramek)

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