„Frankfurter kennen ihre eigenen Künstler nicht“: Künstlerkollektiv will das ändern
Tülay Sanlav will Menschen durch Kunst zusammenbringen. Ihr Kollektiv „Eyecandy Frankfurt“ kämpft dafür auf Instagram und im Nordwestzentrum.
Frankfurt – „Warum kennen die Frankfurter ihre eigenen Künstler nicht?“ Wenn Sängerin und Mixed-Media-Artistin Tülay Sanlav von Künstlern spricht, meint sie Musiker, Tänzer, Fotografen, Autoren, Designer und Tätowierer – eben alle, die sie in ihrem Kollektiv „Eyecandy Frankfurt“ vereint.

Geboren in Istanbul und ab ihrem zweiten Lebensjahr in Frankfurt aufgewachsen, gab es in Sanlavs Leben noch nie einen Zeitpunkt, an dem sie nicht von Kunst umgeben war. Ein Produzenten-Papa mit Tonstudio öffnete ihr im Alter von fünf Jahren die Türen zur Welt der Musik – eine Chance, die sie ergriff, eine Entscheidung, die erfolgreiche Singles, Auftritte und inspirierende Kooperationen nach sich zog.
Tülay Sanlav: Künstlerszene in Frankfurt nicht gut vernetzt
Was der 54-Jährigen besonders wichtig ist? Das Zusammenkommen vieler Menschen, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten und zum Erfolg dessen beitragen. Ein Aspekt, den sie in der Künstlerszene ihrer Stadt gänzlich vermisste. „Ich war schon immer ein Netzwerk“, sagt sie, „habe schon immer Menschen zusammengebracht.“ Über die Jahre sei ihr aber aufgefallen: Man kenne immer die gleichen Menschen, die gleichen Künstler. Aber Frankfurt sei so viel mehr. „Es gibt unheimlich viele Künstler und wir tun uns nicht zusammen, wir vernetzen uns nicht gut.“ Deshalb entstand die Idee für „Eyecandy Frankfurt“.
Im März 2021 gründete Sanlav das Künstlerkollektiv und nutzt Instagram, um darauf aufmerksam zu machen. Stetiges Kontaktieren zahlreicher Künstler der Umgebung ermöglicht es Sanlav, binnen kurzer Zeit ihr Netzwerk um stolze 142 Künstler jeglicher Genres zu erweitern. „Social Media ist die perfekte Plattform, um sich zu vernetzen, weil man keine Grenzen hat.“ So machte Sanlav sogar international auf ihr Kollektiv aufmerksam und zählt heute unter anderem drei Künstler aus Afrika zu „Eyecandy“, die durch Instagram auf die Gruppe aufmerksam wurden.
Pop-up-Galeria des Künstlerkollektivs im Nordwestzentrum
Aber auch außerhalb der digitalen Welt bringt Sanlav Menschen zusammen. In Kooperation mit dem Nordwestzentrum steht dem Kollektiv eine Ladenfläche zur Verfügung, die als Pop-up-Galerie dient. Dort stellt Sanlav die Kunst ihrer Mitglieder aus und veranstaltet regelmäßig Workshops. Unter dem Motto „Be A Part Of The Art“ (zu deutsch: Sei ein Teil der Kunst) lädt sie nicht nur andere Künstler, sondern auch Kunstinteressierte zum Mitmachen ein. „Ich versuche Projekte ins Leben zu rufen, bei denen stinknormale Menschen ein Teil von der Kunst werden können.“
Zwischen Künstlern und Internet-Stars
In Kooperation mit dieser Zeitung wurde im Sommersemester an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Frankfurt ein Praxisseminar im Studiengang Journalismus und Kommunikation mit dem Titel „Tiktok trifft Tageszeitung“ veranstaltet. Ziel war eine Serie über Frankfurter Influencer, die ab sofort in loser Reihenfolge in dieser Zeitung erscheint. An der Lehrredaktion, die von Redakteurin Julia Lorenz und Prof. Dr. Katja Gußmann unterstützt wurde, nahmen 21 Studentinnen und Studenten teil. Sie haben ihre Themen selbstständig recherchiert, Interviewanfragen gestellt, Fotos gemacht und am Ende ihre Artikel unter professioneller Begleitung geschrieben. Viel Spaß beim Lesen.
Zu einem in der Galerie ausgestellten, gänzlich bemalten Klavier erzählt sie mit Leuchten in den Augen: „Im vergangenen Sommer haben wir das ,Temple Of Arts’-Festival hier im Nordwestzentrum gemacht. Da haben zwei Künstler das Klavier bemalt, während der Pianist gespielt hat.“ Anschließend habe man das Instrument für einige stehen lassen mitten im Einkaufszentrum stehen lassen, und hätten sich Leute daran gesetzt, gespielt und ihr die Videos zugeschickt. „Das war unglaublich“, sagt Sanlav. „Von Kindern bis zu voll tätowierten Bären. Manche haben ganze Klavierkonzerte gegeben. Es war so berührend.“ Es ist Sanlav wichtig, allen Menschen die Tür in die Welt der Kunst zu öffnen, sie einzuladen, selbst ein Teil davon zu werden.
Auf die Frage, welche Kriterien ein Künstler erfüllen muss, um Teil von „Eyecandy Frankfurt“ zu werden, antwortet sie: „Mir ist wichtig, dass ein Künstler etwas zu sagen hat. Deswegen soll er ein Storyteller sein, er soll versuchen, mit seiner Kunst wirklich etwas auszudrücken. Nur dann kannst du wirklich jemanden berühren, und darum geht es ja: um Berührung der Herzen.“ (Elisa Tittl)
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