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Interview mit Sacha Stawski: „Auch Juden können Antisemiten sein“

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Gegen die geplante propalästinensische Tagung in Frankfurt soll es eine Protestkundgebung mit prominenten Rednern geben. Organisator Sacha Stawski erklärt im Gespräch mit FNP-Redakteur Daniel Gräber, um was es ihm dabei geht.

Das Amtsgericht Frankfurt hat klargestellt, dass die umstrittene Tagung „50 Jahre israelische Besatzung“ am 9./10. Juni stattfinden darf. Warum akzeptieren Sie die Gerichtsentscheidung nicht, haben Israelkritiker kein Recht auf Meinungsfreiheit?

SACHA STAWSKI: Selbstverständlich hat jeder das Recht, die israelische Regierung zu kritisieren. Das geschieht übrigens auch in Israel jeden Tag. Denn es handelt sich um eine intakte, liberale Demokratie. Die Grenze zum Antisemitismus wird aber überschritten, wenn die Existenz des jüdischen Staates grundsätzlich in Frage gestellt wird. Und darum geht es den Veranstaltern der Frankfurter Konferenz. Das zeigt schon ein Blick auf die Rednerliste. Deshalb ist die Gerichtsentscheidung aus unserer Sicht juristisch durchaus angreifbar.

Auf der Rednerliste stehen auch jüdische Namen.

STAWSKI: Auch Juden können Antisemiten sein. Das klingt paradox, ist aber leider so.

Hauptkritikpunkt war bisher die Nähe der Veranstalter zur BDS-Bewegung. Denn die ruft zum Boykott von Produkten aus den „besetzten Gebieten“ auf.

STAWSKI: Diese Aktionen haben einen ganz widerlichen Nachgeschmack. Sie erinnern an die „Kauft-nicht-bei-Juden“-Propaganda der Nationalsozialisten. Zudem hält BDS bewusst unscharf, um welche Gebiete es genau geht. Sodastream, der israelische Hersteller von Trinkwassersprudlern, hat wegen der Boykottaufrufe eine Fabrik aus dem Siedlungsgebiet zurück ins israelische Kernland verlegt. Doch BDS hat Sodastream immer noch auf ihrer Liste stehen. Das zeigt: Die Aktionen richten sich nicht nur gegen die Siedlungspolitik, sondern gegen den Staat Israel an sich.

Angemeldet hat die Tagung der Frankfurter Arzt und Psychotherapeut Matthias Jochheim. Ist er ein Antisemit?

STAWSKI: Er war 2010 an Bord des Schiffs Mavi Marmara, das angeblich Hilfsgüter nach Gaza bringen sollte. Wäre es Jochheim und seinen Mitstreitern wirklich um die Unterstützung notleidender Palästinenser gegangen: Warum haben sie keine Lastwagen geschickt? Für Hilfslieferungen ist die Grenze offen. In Wirklichkeit ging es ihnen darum, eine militärische Reaktion zu provozieren, um Israel als Aggressor darzustellen. Gegen diese einseitige Dämonisierung wehren wir uns.

Zu Ihren Verbündeten zählt Bürgermeister Uwe Becker (CDU). Er hat versucht, die Konferenz in Frankfurt zu verhindern.

STAWSKI: Becker wird bei unserer Gegenveranstaltung am 9. Juni als Protestredner auftreten. Auch die Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Grüne) und Michaela Engelmeier (SPD) sowie die Stadtverordnete Jutta Ditfurth (Ökolinx) haben bereits zugesagt. Das zeigt, wie breit das politische Spektrum unserer Unterstützer ist.

Ihre Kundgebung soll direkt vor dem Tagungsort, dem Ökohaus in Bockenheim, stattfinden. Wollen Sie deren Redner übertönen?

STAWSKI: Nein, wir wollen die Veranstaltung nicht stören. Aber wir wollen der dort verbreiteten sehr einseitigen Sicht auf den Nahostkonflikt unsere Argumente entgegensetzen. Es geht um Aufklärung. Damit wollen wir diejenigen Tagungsteilnehmer erreichen, deren Meinung noch nicht gefestigt ist. Und wir hoffen, dass sich auch innerhalb der Veranstaltung Leute zu Wort melden, die Behauptungen der Referenten kritisch hinterfragen.

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