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Frankfurter Traditionsmetzgerei schließt nach 115 Jahre: „Es sind einige Tränen geflossen“

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Von: Matthias Bittner

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Corona, Fachkräftemangel und Inflation besiegeln das Aus der Metzgerei Ebert in Frankfurt. Bis Ende August ist das Geschäft noch geöffnet.

Frankfurt - Schon wieder schließt ein Frankfurter Familienbetrieb: Jetzt hat es die Metzgerei & Feinkost Ebert erwischt. Ende August sind die beiden Filialen in der Freßgass und in der Großen Eschenheimer Straße dann Geschichte. „Nach 115 Jahren ist uns dieser Entschluss denkbar schwergefallen. Die Folgen der Corona-Pandemie, die anhaltende Personalknappheit, sowie Inflation und Preissteigerungen machen es uns aber leider unmöglich, unseren Betrieb wirtschaftlich und mit Freude weiter zu betreiben“, erklärt Eigentümer Michael Ebert.

Metzgerei in Frankfurt schließt: Viele Auflagen sind mittlerweile untragbar

Zuletzt hätten ihm zudem zahlreiche Anordnungen, Auflagen und Hygienevorschriften, die für den Betrieb der Metzgerei zu berücksichtigen seien, die Freude an der Arbeit erschwert. „Der zeitliche Aufwand dafür ist mittlerweile ein untragbarer und kostspieliger Posten geworden“, sagt Ebert. Er führt den Familienbetrieb mit 29 Mitarbeitern seit rund 20 Jahren in vierter Generation. Seine Mutter Anna (77) steht noch täglich hinter der Theke. Sie sagt: „Es ist schon traurig, es sind einige Tränen geflossen.“

Allerdings, so gesteht Michael Ebert, sei er jetzt erleichtert, das Kapitel in einigen Monaten abschließen zu können. Bestätigt sieht sich der 57-Jährige durch Reaktionen von Kollegen. „Viele haben gesagt, dass ich Recht habe.“ Grundsätzlich durchlebe das Fleischerhandwerk eine Krise - zuletzt haben mehrere Betriebe geschlossen, Haxen Reichert in Höchst war der prominenteste. Aber auch geänderte Ernährungsgewohnheiten hätten zu einem Absatzrückgang beigetragen. „Die Zeiten, in denen ein großer Topf mit Fleisch auf den Tisch gestellt wurde, sind vorbei. Die Jüngeren ernähren sich vegan, manche wollen Fisch“, sagt Anna Ebert.

Das Lachen ist Anna Ebert und ihrem Sohn Michael vergangen: Zuletzt war die Arbeit mehr Last denn Vergnügen. Corona, Inflation und Fachkräftemangel haben schließlich dazu geführt, dass das Familienunternehmen seine zwei Filialen schließt.
Das Lachen ist Anna Ebert und ihrem Sohn Michael vergangen: Zuletzt war die Arbeit mehr Last denn Vergnügen. Corona, Inflation und Fachkräftemangel haben schließlich dazu geführt, dass das Familienunternehmen seine zwei Filialen schließt. © privat

Erste Gedanken über eine mögliche Geschäftsaufgabe seien mit zunehmender Dauer der Corona-Pandemie und -Maßnahmen aufgekommen. Mit der Pflicht zum Home-Office seien von heute auf morgen die Kunden ausgeblieben, viele seien nicht wieder gekommen - vor allem die zahlungskräftige Kundschaft aus dem Taunus fehle. Im Januar 2022 war zunächst die 2003 in der Freßgass eröffnete Suppenstube geschlossen worden. Dadurch habe man sich auch erhofft, den Personalmangel ausgleichen zu können, was nur zum Teil gelang. Das eigentliche Problem: „Es kommt ja kein Nachwuchs nach“, bedauert Anna Ebert und führt aus: Die junge Generation wolle nur noch Bürojobs machen und am liebsten geregelte Arbeitszeiten.

Metzgerei Ebert in Frankfurt: Spitzname trifft nicht mehr zu

1908 hatte Michael Ebert die Metzgerei gegründet. Sohn Willy erwarb 1938 das heutige Stammhaus in der Großen Eschenheimer Straße und führte die Tradition weiter. Bis 1998 hatten Bernd und Anna Ebert den Hut auf, 1996 hatten sie eine zweite Filiale in der Freßgass eröffnet. Sohn Michael Ebert übernahm 1999 den Familienbetrieb.

Mit dem Aus geht der Freßgass nun ein weiteres Traditionsgeschäft verloren. Die Frankfurter verpassten der Straße um 1900 ihren Spitznamen, weil hier Familien geführte Metzgereien, Bäckereien, Feinkostläden sowie Restaurants konzentriert waren. Davon ist heute nicht mehr viel übrig. Mit ein Grund dafür: Teure Mieten können sich nur noch Ketten und Branchengrößen leisten, die allerdings nichts mit kulinarischen Genüssen zu tun haben. Die Stadt sollte besser auf der Hut sein, sonst hat die 280 Meter lange Kalbächer Gasse - so heißt die Freßgass offiziell - ihren Spitznamen bald nicht mehr verdient.

Eine Mitschuld am Niedergang der Freßgass gibt Anna Ebert der Stadt Frankfurt, die die für die Freßgass ursprünglich gültige Satzung nicht mehr konsequent angewandt habe. Laut Satzung hätte ein Laden, in dem ein Lebensmittelgeschäft betrieben wurde nur wieder an ein solches vermietet werden dürfen. Das ist laut Anna Ebert aber nicht passiert. Stattdessen belegen die Flächen von Plöger, Schlemmermeyer und wie sie alle hießen jetzt Apple oder Bekleidungsgeschäfte, kritisiert die 77-Jährige. (Matthias Bittner)

Erst vor Kurzem schloss eine andere Traditionsmetzgerei in Frankfurt ihre Pforten: Für die Fleischwurst nach eigener Rezeptur und die legendären Mettbrötchen kamen Kunden aus der ganzen Stadt zu Metzgermeister Stefan Schmidt nach Harheim. 

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