Jetzt kann der kleine Abdul wieder lachen

Frankfurter Markus-Krankenhaus nimmt Hauttransplantation bei afghanischem Jungen vor
Ein bisschen verloren wirkt der kleine, schmale Achtjährige in dem großen Bett im Agaplesion Markus Krankenhaus. Kein Wunder, schließlich ist Abdul (Name geändert) weit weg von seinen Eltern, seinen fünf Geschwistern und seinem Zuhause in Dschalalabad, einer Stadt im Osten Afghanistans. Doch als Übersetzerin Hogai Wardak ihn fragt, wie es ihm geht, huscht ein so strahlendes Lächeln über sein Gesicht, dass sich eine Antwort fast erübrigt. Gut fühle er sich, und er habe keine Schmerzen mehr. Seine Haltung nötigt auch Lara Küenzlen Respekt ab. "Abdul ist sehr tapfer, er hat das alles super gemacht", lobt die Oberärztin für Plastische Chirurgie. "Er ist schon ein tolles Kerlchen."
Klein Verletzung, schlimme Folgen
Dabei liegt hinter dem Achtjährigen eine harte Zeit. Vor zwei Jahren fiel er beim Spielen unglücklich auf seinen linken Unterschenkel. Wie schwer die Verletzung war, die er damals erlitt, wissen seine Ärzte in Deutschland nicht. Klar ist nur, dass er einige Tage später beim Fahrradfahren abermals stürzte - und zwar ausgerechnet auf dieselbe Stelle. Die Folge: ein offener Bruch. Was in Deutschland problemlos zu behandeln wäre, kann in einem Land wie Afghanistan mit seiner schlechten medizinischen Versorgung schnell zur Katastrophe werden - vor allem für Familien, die in so ärmlichen Verhältnissen leben wie Abduls Eltern und Geschwister. "In Afghanistan kommt es so oft vor, dass kleine Verletzungen beim Spielen passieren, die sich dann verschlimmern", erzählt Hogai Wardak, die selbst aus dem zentralasiatischen Land stammt und ehrenamtlich für die Hilfsorganisation "Friedensdorf International" tätig ist. "Die Familien schaffen es oft nicht, die Kinder rechtzeitig zum Arzt oder ins Krankenhaus zu bringen."
Weil Abduls Wunde nicht richtig versorgt wurde, infizierte sie sich mit Keimen. Irgendwann litt der Junge an einer schweren Knochenentzündung. Lebensbedrohlich sei das gewesen, sagt Lara Küenzlen. Zwar brachten ihn seine Eltern irgendwann in ein Krankenhaus nach Kabul und schließlich sogar nach Pakistan. Doch auch dort konnte die Entzündung nicht gestoppt werden, so dass schließlich sogar die Amputation seines Unterschenkels drohte.
Hilfe vom Roten Halbmond
Abduls Glück: Auf ihn wurden Mitarbeiter der Hilfsorganisation Roter Halbmond aufmerksam, die wiederum mit Helfern von "Friedensdorf International" zusammenarbeiten. Letztere sorgten dafür, dass er im März zur Behandlung nach Deutschland gebracht werden konnte. Zunächst nach Hanau, wo die Ärzte die Knocheninfektion behandelten. Mit Erfolg. Doch noch immer klaffte ein so großes Loch in Abduls Unterschenkel, dass der Knochen frei lag und eine erneute Entzündung drohte.
Deshalb landete der kleine Patient vor vier Wochen im Markus-Krankenhaus. "Unsere Aufgabe war es, den Hautweichteildefekt zu verschließen", erklärt Lara Küenzlen. Im Klartext: Chefarzt Ulrich Rieger transplantierte Haut und Fettgewebe aus Abduls Ober in den Unterschenkel, mit Hilfe von Mikrochirurgie. Auch für einen erfahrenen Chirurgen wie Rieger etwas Besonderes. Solche Operationen führe man normalerweise nach Motorradunfällen oder bei Brustrekonstruktionen durch, aber nicht unbedingt bei Kindern, sagt die Oberärztin. Doch der Eingriff gelang. Zwar sei das verpflanzte Gewebe noch etwas dicker als die umliegenden Felder - "aber das ist typisch nach solchen Transplantationen, das geht in den nächsten Wochen wieder zurück".
Mit Abduls Zustand ist sie mehr als zufrieden: "Es ist alles wunderbar verheilt." Sein Bein dürfe er jetzt wieder voll belasten. So gut hat sich der Zustand des Achtjährigen entwickelt, dass er am Freitag sogar schon aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte. Bis zu seiner Heimreise nach Afghanistan wird er mit anderen Kindern aus sechs Nationen in der Heimeinrichtung von "Friedensdorf International" in Oberhausen zusammen sein. Und dann, verrät Übersetzerin Hogai Wardak lächelnd, wolle er auch wieder Fußball spielen. Die Schuhe dafür hat er schon.
Brigitte Degelmann