Frankfurter OB 100 Tage im Amt: Mike Josefs Macht hat gerade erst begonnen

Oberbürgermeister Mike Josef ist 100 Tage im Amt. Für Frankfurts Bürger kann seine Führungsstärke und Durchsetzungskraft eine gute Nachricht sein.
Frankfurt - Sein politisches Meisterstück lieferte der frühere Planungsdezernent Mike Josef bereits vor seiner Wahl zum Oberbürgermeister. Und zwar in seinem Ehrenamt als Frankfurter SPD-Vorsitzender. Josef saß mit dem später wegen Korruption verurteilten Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) im Magistrat. Feldmann klammerte sich an sein Amt, selbst dann noch, als Anklage wegen Vorteilsnahme im Amt, gemeinhin Korruption genannt, gegen ihn erhoben wurde. Erst Feldmanns Abwahl rund eineinhalb Jahre nach Bekanntwerden der Ermittlungen beendete die Hängepartie.
In dieser Zeit durfte Josef keinesfalls den Anschein erwecken, er sei der Königsmörder und strebe selbst nach Feldmanns Amt. Dafür ist den Sozialdemokraten Solidarität viel zu wichtig. Josef hat den Spagat zwischen Loyalität und politischer Notwendigkeit während des quälend langen Abwahlprozesses hervorragend gemeistert. Die Bewältigung dieser Situation zeigte sein Gefühl für den „Kairos“, den richtigen Augenblick, wie es die alten Griechen nannten. Eine Eigenschaft, die gute Politiker auszeichnet.
Frankfurts neuer OB Mike Josef 100 Tage im Amt
Wie sehr Josef den Rückhalt seiner Partei genoss, zeigte ein SPD-Parteitag im Juli 2022. Von 247 Delegierten stimmten nur neun gegen eine Resolution, die Feldmann zum Rücktritt aufforderte. Ein Sonderparteitag im November normierte ihn dann mit 96,6 Prozent der Delegiertenstimmen als SPD-Oberbürgermeisterkandidaten. Sein erfolgreicher Wahlkampf wäre ohne die geschlossene Unterstützung seiner Parteifreunde nicht möglich gewesen. Querschläger gab es: Der abgewählte Feldmann trat mitten im Wahlkampf aus der SPD aus. Der Austritt richte sich nicht gegen die Partei, sondern „gegen Teile des Parteivorstands“. Feldmann meinte wohl Josef.
Kurz nach seiner Wahl, noch vor seinem offiziellen Amtsantritt als OB, nominierte Josef Marcus Gwechenberger als seinen Nachfolger im Amt des Planungsdezernenten. Josefs rasche Entscheidung ließ Personalspekulationen gar nicht erst aufkommen. Gwechenberger genießt als ausgewiesener Fachmann und Stadtplaner einen guten Ruf. Bei seiner Wahl durch die Stadtverordnetenversammlung erhielt Gwechenberger auch Stimmen der Opposition. Gleichzeitig zeigt sich dabei Josefs Fähigkeit zum Netzwerken. In seiner Zeit als Planungsdezernent war Gwechenberger sein stellvertretender Büroleiter. Als Parteichef sorgte Josef bereits bei der Kommunalwahl 2021 für eine geräuschlose Erneuerung der SPD-Fraktion inklusive der Würdigung verdienter Genossen.
Neuer OB in Frankfurt: Macht besteht darin, dass man von ihr Gebrauch macht
Bei der Bundestagswahl im selben Jahr errangen Vertraute und Weggefährten Mandate. Den Frankfurter Wahlkreis 182 im Westen gewann Armand Zorn, den Wahlkreis 183 Kaweh Mansoori, SPD-Bezirksvorsitzender Hessen Süd.
Josef pflegt gute Kontakte zu den Altvorderen in der SPD und tauscht sich mit ihnen aus. Zu diesen zählen der ehemalige Planungsdezernent Martin Wentz, der frühere Sozialdezernent Franz Frey und Ex-Bürgermeister Joachim Vandreike. Vandreikes ehemaliger Pressesprecher Ralph Klinkenborg unterstützte Josef im Wahlkampf.
Macht besteht darin, dass man von ihr Gebrauch macht. Das mussten zuallererst die Grünen spüren, die als stärkste Kraft die Koalition mit SPD, FDP und Volt führen. Man darf davon ausgehen, dass Josef die SPD als Oberbürgermeister zur stärksten Kraft im Römer machen will, wie dies dereinst Petra Roth mit der CDU gelang.
Mike Josef: Taktisches Geschick, Durchsetzungskraft
Kurz vor der Sommerpause änderte Josef die Dezernatsverteilung. Es ist das stärkste Machtmittel eines hessischen Oberbürgermeisters. Anders als vereinbart, wies er das Gesundheitsressort dem Verkehrsdezernenten Wolfgang Siefert zu anstatt der Sozialdezernentin Elke Voitl (beide Grüne). Hintergrund der Neuverteilung der Aufgaben war eine Auseinandersetzung mit Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst (FDP), die einige Aufsichtsratsmandate in städtischen Gesellschaften nicht an den neuen Oberbürgermeister abgeben wollte, die diesem rangmäßig zustehen. Josefs Taktik dabei war zwar ein bisschen so, als ob der Nachbar Hugo Ärger mit seinem Nachbarn Heiner hat und seinen Nachbarn Kuno ohrfeigt mit dem Auftrag, die Watschn an Heiner weiterzuleiten.
Gleichwohl ist die Taktik im Falle Wüst aufgegangen. Die Grünen besannen sich auf ihre Führungsverantwortung in der Koalition. Wüst räumte ihre Aufsichtsratsposten, die sie ohnehin nur dem Machtvakuum durch Feldmanns Abwahl zu verdanken hatte.
Ein Oberbürgermeister mit Führungsanspruch muss sich am Anfang durchsetzen. Das hat Josef getan. Die Außenwirkung des Vorgehens unmittelbar nach seiner Wahl ist dabei zu vernachlässigen, weil schnell vergessen. Auch der Vorwurf von Machtspielchen zieht nicht. In der Politik geht es immer um Macht.
Auch Josef kann in 100 Tagen nicht alles gelingen
Im Falle des Neubaus von Schauspiel und Oper städtischen Bühnen gelang Josef ebenfalls ein Befreiungsschlag. Die Stadt Frankfurt hat mit der Frankfurter Sparkasse (Fraspa) und der Hessischen Landesbank (Helaba) eine Absichtserklärung unterzeichnet, wonach auf einem Grundstück der beiden Geldhäuser das Schauspiel an der Neuen Mainzer Straße gebaut werden kann, die Oper kann am Willy-Brandt-Platz neu errichtet werden. Bei einer anderen diskutierten Variante hätte in die Wallanlage eingegriffen werden müssen, was vor allem die Fraktion der Grünen störte. Der Neubau des Theaters soll dann Teil der Kulturmeile werden. Das letzte Wort zu dem Vorschlag hat die Stadtverordnetenversammlung. Es wäre eine Lösung für die nächsten 50, vielleicht sogar 100 Jahre.
Natürlich kann auch Josef in 100 Tagen nicht alles gelingen. Als Standort für die Multi-Funktionshalle hatte die SPD-Fraktion zunächst den Flughafen im Blick. Als Kompromiss schlug Josef den Standort am Waldstadion vor. Dort ist allerdings die verzwickte Frage der Verkehrsanbindung zu klären.
Für Frankfurts Bürger kann Josefs Führungsstärke, seine Durchsetzungskraft und Fähigkeit zum Netzwerken eine gute Nachricht sein. Fest steht jedenfalls: Seine Macht hat gerade erst begonnen. (Thomas Remlein)