Kunst statt Knast: Kunst als Therapie und Bewährungsauflage für Jugendliche in Frankfurt

Das Projekt „Gemeinnützige Kunst“ des Vereins Kinder- und Jugendhilfe Frankfurt hilft straffällig gewordenen Jugendlichen mit Kunst als Therapie.
Frankfurt – Die beiden überlebensgroßen Holzskulpturen, die derzeit im Foyer des im Mai 2021 eröffneten Hauses des Jugendrechts Frankfurt Süd in der Aschaffenburger Straße 19 stehen, erinnern sowohl an den modernen Menschen als auch an einen, der noch unbedarft aus der Natur kommend auf die Welt blickt. Die beiden Figuren, die jeweils aus drei Teilen zusammengesetzt sind, zeigen sich unbekleidet – zwar nicht komplett, denn auf ihren Holzkörpern sind individuell geformte, keramische Elemente befestigt. Sie spiegeln eine künstlerische Auseinandersetzung junger Menschen mit Geschlechterrollen und Geschlechteridentität innerhalb jugendlicher Lebenswelten wider.
Zu sehen sind die Skulpturen derzeit zusammen mit anderen bildhauerischen Arbeiten sowie Bildern in einer Ausstellung im Foyer und in den Fluren des Hauses des Jugendrechts. Dort haben Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe, aber etwa auch der Verein Kinder- und Jugendhilfe ihre Räume und arbeiten unter einem Dach zusammen. Dass hinter den beiden Skulpturen nicht nur ein Künstler, sondern rund 14 Jugendliche und junge Erwachsene stecken, die diese in einer Gemeinschaftsarbeit unter Anleitung in der Kunstwerkstatt des Vereins Kinder- und Jugendhilfe angefertigt haben, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen.
Kunst als Therapie und Bewährungsauflage in Frankfurt: Alle unter einem Dach
Die kreativen Köpfe, die in den beiden Werken ihre individuelle Perspektive auf die menschliche Figur zum Ausdruck bringen, haben dies nicht unbedingt freiwillig gemacht. Sie alle sind straffällig geworden und wurden, anstatt in den Jugendarrest geschickt zu werden, vom Gericht dem Verein zugewiesen, der seine Haupträume samt Kunstwerkstatt in Griesheim an der Mainzer Landstraße hat. Um sie zu schützen, bleiben die Künstler anonym. Hinter keinem der ausgestellten Kunstwerke steckt ein konkreter Name, die Arbeiten sprechen für sich.
Der Verein Kinder- und Jugendhilfe Frankfurt hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch unterschiedliche Angebote Alternativen zu freiheitsentziehenden Sanktionen aufzuzeigen und präventiv durch eine pädagogische Betreuung einer erneuten Straffälligkeit der jungen Menschen entgegenzuwirken.
Die Projekte richten sich an straffällig gewordene Jugendliche und Heranwachsende im Alter von 14 bis 21 Jahren. Die Kunstwerkstatt ist eines dieser Angebote. Geleitet wird sie von Elena Rudolf, Sozialpädagogin und Goldschmiedin. Die künstlerische Leitung hat Matthias Heidel, selbst Bildhauer und Kunsttherapeut, der mit den jungen Menschen arbeitet und sie bei ihren kreativen Schaffensprozessen begleitet.
Die Öffnungszeiten der Ausstellung
Die Ausstellung im Haus des Jugendrechts Frankfurt Süd in der Aschaffenburger Straße 19 läuft bis Ende des Jahres. Sie kann unter vorheriger Terminvereinbarung per E-Mail unter verein@vkjh-frankfurt.de besichtigt werden.
Jugendkunst statt Jugendknast in Frankfurt: Etwas zu Ende bringen
Was sich für viele anhört wie ein Kunstprojekt, an dem jeder und jede gerne teilnehmen würde, stellt für die betroffenen Jugendlichen und Heranwachsenden eine Anstrengung und Herausforderung dar. „Im Durchschnitt“, erzählt es Rudolf, „kommen sie mit 30 bis 40 Arbeitsstunden zu uns, meist über einen Zeitraum von drei bis vier Monaten.“ Zweimal wöchentlich habe die Kunstwerkstatt in Griesheim für jeweils vier Stunden geöffnet. Es gehe bei dem Projekt darum, dass die Teilnehmer über einen längeren Zeitraum an einer Sache dranbleiben, etwas eigenes schaffen und zu Ende bringen sowie eine Struktur aufzubauen. „Kreativität ist eine Schlüsselkompetenz“, sagt Rudolf.
„Die Jugendlichen sprechen mit uns über ihre Probleme und Herausforderungen im Alltag. Einige von ihnen wissen noch nicht einmal, wo sie nachts schlafen können, haben oftmals seit längerem keine Schule mehr besucht und stammen aus schwierigen familiären Verhältnissen“, so Rudolf weiter. Durch die Gespräche sei es möglich, weitergehende Hilfestellungen zu leisten und sie auch in Kontakt zu bringen mit anderen Stellen. „Ich denke, dass der Moment, an dem Jugendliche den künstlerischen Prozess zu ihrem eigenen machen, dazu führt, dass sie stolz auf das sind, was sie schaffen“, fasst es Matthias Heidel zusammen. (Alexandra Flieth)
Kurze Wege und ein kooperativer Ansatz: In Hessen gibt es sieben Häuser des Jugendrechts, ein weiteres ist in Planung. Die Vorteile der Einrichtungen soll nun auch eine Studie belegen.