Sie kämpfen gegen die Armut in der Welt

Die internationale Kampagnen- und Lobbyorganisation „One“ ist sicher, dass die extreme Armut in vielen Teilen der Welt bis 2030 beendet werden kann. Acht ihrer Jugendbotschafter erklärten gestern Probleme und Lösungen.
Zwischen dem Uhrtürmchen und einem Laternenpfahl in Bornheim Mitte flatterte gestern Nachmittag die Armut der Welt. Bunte Plakate, befestigt an einer langen Schnur, informierten über die Lebenssituation vieler Menschen, die ihre Freizeit niemals in Cafés oder Einkaufszentren verbringen: „Du musst schmutziges Wasser trinken! Noch immer leben 743 Millionen Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser“, stand dort etwa zu lesen. Oder: „Weltweit leben 1,2 Milliarden Menschen in extremer Armut. Sie haben kein Geld, um sich Medikamente zu kaufen.“
150 Jugendbotschafter
Die Idee für die Plakate stammt von Anna Epah (20), die sich als Jugendbotschafterin der internationalen Kampagnen- und Lobbyorganisation „One“ für ein weltweites Ende der extremen Armut bis 2030 einsetzt. Mit sieben weiteren „One“-Jugendbotschaftern war sie gekommen, um Passanten für die Entbehrungen von rund 870 Millionen Menschen zu sensibilisieren und Unterschriften für eine Petition zu sammeln, die beim kommenden G-7-Gipfel in Bayern den Staatschefs überreicht werden soll. Insgesamt haben 150 deutsche Jugendbotschafter bislang 160 000 Signaturen gesammelt. „Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, wie gut wir es in Deutschland haben, und solchen Menschen helfen, denen es nicht so gut geht“, erklärte Ali Can (21). Vor allem aber solle Druck auf politische Entscheider ausgeübt werden, aktiv gegen Armut vorzugehen. „Wir setzen auf Dialog und Konfrontation“, so Can: „Wir sprechen Politiker an und zeigen ihnen, dass hinter unseren Forderungen Menschenmassen stehen. Jeder Politiker will schließlich Stimmen sammeln.“
Ein privilegiertes Leben
Damit sich aber auch Massen mit „One“ solidarisieren, braucht es Aktionen wie die gestrige. Die Jugendbotschafter warten dann mit unangenehm hohen Zahlen auf, die das Leiden in der Dritten Welt dokumentieren. Wobei Anna Epah betonte: „Armut besteht nicht nur aus Zahlen, Ziffern, Diagrammen, sondern aus Menschen, die dahinter stehen.“ Sie selbst erlebte die Armut als Praktikantin auf den Philippinen, wo sie half, Kinderprogramme in Slums umzusetzen. „Eine sehr einprägsame Zeit“ sei das gewesen, erzählte sie. Seither ist ihr bewusst, dass sie zwar „nicht reich, aber unglaublich vermögend“ sei: Ausbildung, Studium und selbstbestimmtes Leben in Deutschland machten sie zu einem privilegierten Menschen – ebenso wie die meisten Passanten in Bornheim Mitte. „Mir geht es gut, auch ohne teure Kleidung und bestes Essen“, erklärte Epah. Wenn die Menschen dies öfter verinnerlichten, sei schon viel gewonnen, zumal es viel helfen würde, wenn die Menschen einen Teil ihrer großen Klamotten- oder Spielzeugsammlung für den guten Zweck spendeten: „Die Veränderung beginnt im Kopf.“
Dass der Reichtum von Industrienationen zu einem guten Teil auf der Ausbeutung und Armut von Entwicklungsländern basiert und daher nur eingeschränktes Interesse besteht, die Situation zu verändern, ist den Jugendbotschaftern dabei durchaus bewusst. „Die Wirtschaft ist zu stark, um Armut vollständig zu beenden. Wir sind realistisch“, gab Epah zu. Ali Can antwortete aber mit einem Gandhi-Zitat: „Man soll die Veränderung sein, die man sich für die Welt wünscht.“ Die Jugendbotschafter glauben schließlich fest an die Kraft des Willens: „Das Ende der extremen Armut ist keine Utopie“, meint Can.
(peh)