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Karriere mit Down-Syndrom: Sebastian Urbanski ist in den Vorstand der Lebenshilfe berufen worden

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Sebastian Urbanski spielt Theater und arbeitet als Synchronsprecher. 2017 erregte er mit seinem Auftritt vor dem Deutschen Bundestag großes Aufsehen.
Sebastian Urbanski spielt Theater und arbeitet als Synchronsprecher. 2017 erregte er mit seinem Auftritt vor dem Deutschen Bundestag großes Aufsehen. © Britta Pedersen (ZB)

Der gebürtige Berliner will sich vor allem dafür einsetzen, dass Inklusion und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Deutschland in Zukunft weiter vorankommen.

Frankfurt - Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck wollte ihn gar nicht mehr loslassen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beglückwünschte ihn. Spätestens seitdem er im Bundestag zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar vor zwei Jahren eine eindringliche Rede hielt, ist Sebastian Urbanski ein Promi. Ein Promi mit Down-Syndrom. „Höher kannst du nicht fliegen“, hatte sein Vater damals zu ihm gesagt. Doch Urbanski hat noch mehr Ziele.

Die große Bühne kannte der 40-Jährige bereits vor seinem Auftritt vor den Parlamentariern. Urbanski ist seit vielen Jahren Schauspieler. In Berlin ist er Mitglied der Theatergruppe „Ramba-Zamba“, in der Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung zusammen arbeiten. Zudem hat er in mehreren Filmen mitgespielt und war als Synchronsprecher tätig.

Aber auch politisch ist Urbanski aktiv: Er engagiert sich in der Lebenshilfe für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Jetzt ist er als erstes Mitglied mit Down-Syndrom in deren Vorstand berufen worden.

Guter Ausgleich

Urbanski ist es gewohnt, Vorreiter zu sein. Aufgewachsen in Ost-Berlin kommt er in einen „ganz normalen“ Kindergarten. „Dort war ich das erste Integrationskind“, erzählt Urbanski. In der katholischen Kita in Berlin-Pankow hatte er viele Freunde und fühlte sich sehr wohl.

Parallel dazu entdeckt er die Bühne für sich: Da seine Eltern große Theater-Fans sind, bastelt der Vater ein Puppentheater für ihn. „Das Holz war blau-rot angestrichen“, erinnert sich Urbanski. Als seine Eltern ihm mit Handpuppen Geschichten vorspielen, ist der Junge Feuer und Flamme. Und will selber spielen.

Mit den Nachbarkindern übt er kleinere Stücke ein, und als seine Mutter, eine Journalistin, von einem integrativen Theaterprojekt hört, ist Urbanski schnell dabei. Nach Abschluss der Schule ist das Theater für ihn ein guter Ausgleich zur Arbeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Als das Theater 2007 den Status einer Kunst-Werkstatt erhält, werden die Mitglieder fest angestellte Schauspieler – eine Besonderheit in der Theaterlandschaft.

Auch im Verein Lebenshilfe engagiert sich Urbanski. Die frühere Bundesgesundheitsministerin und jetzige Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Ulla Schmidt, fragte ihn, ob er sich vorstellen könne, eine Rede vor den Abgeordneten zu halten. Er kann und spricht dann im Bundestag als erster Mensch mit Down-Syndrom.

Er liest dort den Brief von Ernst Putzki vor, der im Rahmen des sogenannten Euthanasie-Programms 1945 ermordet wurde. Urbanski ist total aufgeregt, aber das merkt man ihm kaum an. Die Parlamentarier sind von seinem Vortrag und seinen eindringlichen Worten beeindruckt.

Wieder ist es Schmidt, die ihn gerne für den Vorstand der Lebenshilfe gewinnen möchte. Auch das kann sich Urbanski gut vorstellen. Er freut sich riesig, als er tatsächlich Anfang des Jahres in den Vorstand berufen wird – wieder als erster Mensch mit Down-Syndrom.

Vorgeburtliche Tests

Nicht zuletzt will er dort Eltern Mut machen, sich für ein Kind mit der gleichen genetischen Besonderheit zu entscheiden und es nicht abtreiben zu lassen. „Ich leide nicht am Down-Syndrom“, versichert Urbanski. Er bedauert es sehr, dass durch vorgeburtliche Tests „Menschen wie ich vor der Geburt aussortiert werden“. Nach Expertenangaben treiben neun von zehn Frauen ab, wenn sie die Diagnose Down-Syndrom bekommen.

Eine andere Nachricht macht ihm dagegen Mut: Vor kurzem entschied das Bundesverfassungsgericht, Menschen mit angeordneter Betreuung bei Wahlen zuzulassen. „Ich finde das Urteil großartig“, erklärt er. „Es bestätigt den Behinderten endlich das Recht, wählen zu dürfen wie alle anderen Erwachsenen auch.“ Und er macht sich schon Gedanken, wie es umgesetzt werden kann. Es brauche jetzt die nötige Hilfe und Unterstützung, damit den Menschen etwa in leichter Sprache erklärt werde, „wie Wahlen und Wählengehen funktionieren“.

Trotz seiner neuen Aufgabe will Urbanski mit dem Theaterspielen weitermachen. Zuletzt spielte er in dem Stück „Lost Love Lost“ unter anderem den Hamlet. Und auch seine Elektropop-Band „21 Down- beat“ ist ihm wichtig, bei der er das Keyboard spielt: „Da kann ich alles ausleben!“

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