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Heddernheim
Klassenkampf um Stiftsgarten und altes Schloss
- VonBrigitte Degelmannschließen
Würdigung des Adels ist nicht mehr zeitgemäß
Wie könnte das Heddernheimer Schloss samt Stiftsgarten saniert und öffentlich genutzt werden? Über diese Frage entbrannte am Donnerstag im Ortsbeirat 8 (Heddernheim, Niederursel, Nordweststadt) eine hitzige Debatte.
SPD, CDU und FDP hatten unter anderem beantragt, ein Nutzungskonzept für das aus dem 18. Jahrhundert stammende Gebäude zu erstellen. Dort könnte etwa ein barockes Repräsentationszimmer eingerichtet werden, um über den Lebensstil und die Zeit der damaligen Schlossherrn zu informieren. Darüber hinaus solle der Stiftsgarten den Namen Riedt-Anlage erhalten, nach der Familie des ersten Schlossherrn. Zudem könnte das Gelände gärtnerisch aufgewertet werden, etwa mit Elementen intimer Rokokogärten wie ummauerten Blumenbeeten sowie Wegen, die von Hecken gesäumt werden (wir berichteten).
Diese Pläne stoßen den Ortsbeiräten von Grünen und Linken sauer auf. Zwar plädieren auch sie für eine Renovierung und Wiederherstellung der Räume, um sie Vereinen und Initiativen zur Verfügung zu stellen - allerdings nicht in der Weise, wie das nun SPD, CDU und FDP vorschlugen. Mit ihren Bedenken blieben sie aber in der Minderheit und konnten sich letztlich nicht gegen die übrigen Mitglieder des Gremiums durchsetzen, die dem Vorstoß zustimmten.
„Adelige sollen nicht wieder auferstehen“
„Wir wollen keine Verherrlichung von Adel und Absolutismus“, begründete Grünen-Fraktionsvorsitzende Luzy Grossmann die Ablehnung. „Solche Symbole der absolutistischen Herrschaft wieder instandzusetzen, das steht uns als Ortsbeirat nicht gut an“, pflichtete ihr Helga Dörhöfer (Grüne) bei, die sogar von einer „Geschichtsklitterung“ sprach: „Ich finde es nicht gut, diese Adeligen von Riedt wieder auferstehen zu lassen.“ Auch deshalb, weil Philipp Wilhelm von Riedt, der Erbauer des Heddernheimer Schlosses, versucht habe, den Einfluss des Protestantismus im damals lutherisch geprägten Heddernheim zurückzudrängen - indem er beispielsweise dafür sorgte, dass Kinder katholisch getauft wurden.
Wichtiger Beitrag zum Wiederaufbau
Diese Argumentation erboste wiederum Joachim Rotberg (CDU). Von einer „Verherrlichung“ des Absolutismus könne keine Rede sein, protestierte er: „Das ist eine fiese Unterstellung. Vielmehr geht es hier um eine reflektierte Betrachtung unserer Geschichte.“ Immerhin habe die Familie von Riedt nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges entscheidend zum Wiederaufbau Heddernheims beigetragen. Unter anderem habe sie Wirtschaft, Handel und Handwerk gefördert und eine Schule errichten lassen.
Auch die Befürchtung der Grünen, dass durch eine Aufwertung des Stiftsgartens Spielmöglichkeiten verloren gehen könnten, wiesen die Antragsteller zurück. „Es werden keine Flächen für Kinder weggenommen, sondern wir wollen die Flächen aufhübschen“, betonte Stephanie Mohr-Hauke (SPD). Nachfahren der Familie von Riedt hätten außerdem bereits signalisiert, dass sie für das geplante Repräsentationszimmer Ausstellungsstücke zur Verfügung stellen würden.
Grüne und Linke konnte sie damit nicht überzeugen. Die stimmten nur wenigen Punkten des Antrags zu, etwa dem Vorschlag, den Stiftsgarten eventuell unter Denkmalschutz zu stellen. Die Pläne seien „ein bisschen altmodisch“, meinte Gesa Aden (Grüne) und plädierte dafür, bei der Sanierung beziehungsweise Umgestaltung von Schloss und Stiftsgarten neu zugezogene Bürger stärker zu berücksichtigen.
Stephanie Mohr-Hauke, die sich bereits seit zehn Jahren für die Erhaltung und öffentliche Nutzung des Gebäudes einsetzt, hielt dagegen, dass gerade Initiativen aus dem Stadtteil großes Interesse an dem Projekt hätten. Sie verwies auf ein Konzept, das der Bürgerverein schon vor mehreren Jahren erstellt habe. Demnach könnte das Schloss „ein zentraler Ort der sozialen und kulturellen Begegnung“ werden - was umso wichtiger sei, weil es in Heddernheim bisher keinen Bürgertreffpunkt gebe und weil es an Räumen für Vereine und Veranstaltungen fehle. Dafür solle der nun vorgestellte Antrag eine Basis schaffen. brigitte degelmann
KOMMENTAR:
Weg mit den ideologischen Scheuklappen!
Von Brigitte Degelmann
„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten“, sagte einst August Bebel, einer der Gründerväter der deutschen Sozialdemokratie. Vor diesem Hintergrund kann man den Vorstoß von SPD, CDU und FDP im Ortsbeirat 8, wie dem Heddernheimer Schloss endlich wieder neues Leben eingehaucht werden könnte, nur begrüßen. Denn damit würde auch ein wichtiges Stück Ortsgeschichte in den Fokus gerückt.
Umso bedauerlicher ist es, mit welcher Vehemenz vor allem die Grünen in dem Gremium am Donnerstag gegen den Antrag agitierten - ohne selbst konstruktive Vorschläge zu liefern, was mit dem Gebäude und dem dazugehörigen Stiftsgarten geschehen könnte. Die Anregungen von SPD, CDU und FDP stattdessen als „Verherrlichung des Absolutismus“ und „Geschichtsklitterung“ zu geißeln, ist schlicht absurd.
Natürlich soll man das Wirken der einstigen Schlossherrn kritisch hinterfragen, muss es sogar. Aber bitte ohne ideologische Scheuklappen. Genau dafür kann der nun verabschiedete Antrag eine gute Basis bilden.