Wie Frankfurt den Klimaschutz in Wohnhäusern verhindert
In 15 Stadtteilen in Frankfurt kommt der Klimaschutz für Wohnhäuser nicht voran. Die Stadt blockiert ihn, die Bewohner leiden. Was steckt dahinter?
Frankfurt – Für die einen ist es ein bürokratisches Hindernis, für die anderen ist es der Schutz angestammter Mieter. Die Rede ist von den Erhaltungssatzungen, auch Milieuschutzsatzungen genannt. Sie sollen Mieter gegen Luxussanierungen schützen und die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhalten. In 15 Frankfurter Stadtteilen gibt es inzwischen solche Satzungen.
Und zwar in der Dornbuschsiedlung, Alt-Eschersheim, in der Anne-Frank-Siedlung, am Oberschelder Weg, im östliches Gallus, in der westlichen Riederwaldsiedlung, im Dichterviertel, in Bockenheim, im Nordend-Mitte und Süd, in der Berger Straße, im westlichen Ostend, im Gutleutviertel und in Sachsenhausen-Nord. In diesen Gebieten benötigen Änderungen an Bestandswohnungen eine satzungsrechtliche Genehmigung der Bauaufsicht. Grundrissänderungen beispielsweise können nur erlaubt werden, wenn dadurch keine „weit über durchschnittliche Wohnraumgröße“ entsteht. Die endet beispielsweise bei einer Drei-Zimmer-Wohnung bei 95 Quadratmeter.
Stadt Frankfurt will mit Satzungen zum Milieuschutz Luxussanierungen verhindern
Auch Balkone mit mehr als fünf Quadratmetern oder ein Bad mit mehr als fünf Quadratmetern stehen bei einer Modernisierung auf dem Index des nicht Erwünschten. Dabei ist das durchschnittliche moderne deutsche Bad nach Angaben der „Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft“ bereits 9,1 Quadratmeter groß. In neun Fällen hat die Stadt in dem in der Milieuschutzsatzung verankerten Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. 23,5 Millionen Euro wurden dafür ausgegeben. Die Gebäude befanden nach Angaben des Baudezernates sich in mangelhaftem bis gutem Zustand. Sie waren vollständig bis teilweise vermietet. Ob die Stadt mit ihrem Investment Gewinn oder Verlust gemacht hat, war nicht zu erfahren.

Ziel des kommunalen Vorkaufsrechtes ist es häufig, mit einer so genannten Abwendungsvereinbarung einen Interessenausgleich herzustellen, der eine „Luxussanierung“ verhindert. Das ist mit einer so genannten Abwendungsvereinbarung in 133 Fällen gelungen.
Milieuschutz in Frankfurter Stadtteilen erschwert Klimaschutz
Die Satzungen zum Milieuschutz, mit der die Stadt Frankfurt am Main Luxussanierungen vor allem in den begehrten Innenstadtlagen verhindern will, sind laut Urteilen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Kassel rechtmäßig. Die Normenkontrollanträge eines Immobilienunternehmens gegen diese Regelungen seien abgelehnt worden, teilte ein Gerichtssprecher mit. Der 3. Senat des VGH Kassel hat mit den Urteilen vom 3. März 2022 die Milieuschutzsatzungen) für das Nordend-Mitte, das Nordend-Süd und Sachsenhausen-Nord für rechtmäßig erachtet, heißt es in der Mitteilung.
Gleichwohl sehen Wohnungsbauexperten die Erhaltungsatzungen durchaus kritisch. „Wenn man den Klimaschutz und Energie sparen ernst nimmt, muss man im Milieuschutz über Lockerungen nachdenken, damit die Ziele erreicht werden“, sagt ABG-Geschäftsführer Frank Junker. Er bezieht sich in diesem Falle auf eine Anforderung der Bauaufsicht, wonach bei Bestandswohnung im Milieuschutzgebiet lediglich die Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes erfüllt werden dürfen. Die städtische ABG Holding verfügt in Frankfurt über rund 51 000 Wohnungen. Die Gesellschaft baut auch Plus-Energiehäuser, die mehr Energie erzeugen als verbrauchen.
„Nicht mehr zeitgemäß“: ABG Frankfurt spricht sich für Lockerungen aus
Ähnlich äußert sich Rechtsanwalt Cedric Vornholt. Er hat auf seinem Schreibtisch viele Baurechtsfälle und sagt: „Man braucht für die Umsetzung der Klimaschutzziele in Milieuschutzgebieten eine zeitgemäße Lösung.“ Die tägliche Praxis zeige, „dass der Spielraum für energetische Sanierungen in Milieuschutzgebieten oft sehr gering ist und viele Eigentümer deswegen sinnvolle Maßnahmen erst gar nicht angehen.“
Auch Jürgen Conzelmann, Vorsitzender der Eigentümervereinigung Haus und Grund, hält die Milieuschutzsatzungen „für nicht zeitgemäß“. Sie seien eine „klare Behinderung von Investitionen“. Nicht umsonst seien die Bauanträge eingebrochen. Es gebe ohnehin keine Flächen für Neubauten im Stadtgebiet, durch die Milieuschutzsatzungen würden auch die Chancen für den Bestand nicht genutzt. Conzelmann nennt ein Beispiel: Ein Ehepaar in einer Zwei-Zimmer-Wohnung erwartete Nachwuchs. Es durfte aber das Dach nicht ausbauen, mit dem es die bestehende Wohnung hätte vergrößern können. Auch das gehört nämlich zu den Auflagen der Bauaufsicht.
Milieuschutz gegen Klimaschutz: Frankfurter Baudezernentin ist für Satzungen
Baudezernentin Sylvia Weber (SPD) spricht sich für die Milieuschutzsatzungen aus. Sie trügen grundsätzlich dazu bei – gerade in boomenden Ballungszentren – Wohngebiete stabil zu halten und sanierungsbedingte Verdrängungseffekte für die dort wohnende Bevölkerung zu begrenzen.
Sie betont aber auch, dass aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem November 2021 die Anwendung einer solchen Milieuschutzsatzung im konkreten Einzelfall nochmals deutlich verkompliziert worden sei. Daher setze sich die Stadt Frankfurt für eine Gesetzesänderung ein, das Ausüben von Vorkaufsrechten einfacher ermöglichen soll. (Thomas Remlein)
Deutlich mehr Geld für die Straßenreinigung müssen einige Frankfurter zahlen. Ihre Einsprüche aber schiebt die Stadt auf die lange Bank.