1. Startseite
  2. Frankfurt

Kundschaft spart bei der Nachhaltigkeit: Unverpackt-Läden in Frankfurt in der Krise

Erstellt:

Von: Jana Ballweber

Kommentare

Wird bei Konsumenten das Geld wegen der Inflation knapp, sparen sie bei der Nachhaltigkeit. Das bekommen auch Unverpackt-Läden in Frankfurt zu spüren.

Frankfurt - Erst Corona, dann Krieg und steigende Inflation: Wenn eine Krise die nächste jagt, bleibt niemand davon unberührt. Auch die Unverpackt-Läden in Frankfurt spüren deutlich, wie sehr die vergangenen Jahre an ihnen gezehrt haben.

Unverpackt-Läden sind Geschäfte, die für Lebensmittel und andere Produkte auf Einweg-Verpackungen verzichten wollen. Kunden können eigene Gefäße mitbringen oder Mehrweg-Gefäße aus den Geschäften ausleihen und genau die Menge eines Produktes kaufen, die sie benötigen. Viele der Geschäfte setzen auf regionale und saisonale Bio-Produkte und achten auf fairen Handel.

Unverpackt-Läden in Frankfurt haben wegen Inflation und hoher Energiepreise Schwierigkeiten

Doch wenn die Kunden ihr Geld zusammenhalten müssen, weil die Wirtschaft kriselt, kommt das als Erstes bei den Unverpackt-Läden an. Jenny Fuhrmann, Geschäftsführerin des Frankfurter Ladens „gramm.genau“ berichtet: „Die vielen Krisen sind ein Problem für den gesamten Einzelhandel. Sie treffen vor allem die kleineren, inhabergeführten Läden und die Biobranche hart.“ Weil viele Unverpackt-Läden, wie auch das „gramm.genau“ in Bockenheim, in beide Kategorien fallen, sei es besonders schwer, mit den Bedingungen klarzukommen.

Kundin füllt sich Getreide in mitgebrachtes Gefäß und spart so Verpackungsmüll.
In Unverpackt-Läden können Kunden ihre Ware ohne Plastikverpackungen in der gewünschten Menge kaufen. © Franziska Haitzmann

Zu kämpfen haben Fuhrmann und ihre Kolleginnen seit Beginn der Krise vor allem mit Lieferengpässen: „Natürlich weiß man oft nicht, woran es genau liegt, dass ein Produkt beim Großhändler nicht mehr verfügbar ist. Aber nachdem Mitte letzten Jahres ein Biogroßhändler im Raum Frankfurt sein Geschäft aufgeben musste, ist es für uns schwieriger geworden.“

Inflation stürzt Unverpackt-Läden in Frankfurt in die Krise

Der Grund: Als Unverpackt-Laden habe man hohe Anforderungen für Biolebensmittel, Fair Trade und die Vermeidung von Verpackungsmüll. „Wir können nicht überall bestellen“, klagt Fuhrmann.

Darüber hinaus spürt Fuhrmann auch die psychologischen Effekte der Krise: „Die Menschen haben Angst. Sie müssen sparen und kommen seltener.“ Insbesondere sogenannte Mischkäufer, die teilweise im Unverpackt-Laden und teilweise im herkömmlichen Discounter einkaufen, schwenkten doch öfter auf die etwas billigere konventionelle Ware um, sagt Fuhrmann.

Geschäftszweige von Unverpackt-Laden in Frankfurt fallen wegen der Krise weg

Dabei hätten sie bei „gramm.genau“ die Preise bisher einigermaßen stabil halten können. Denn wer auf Bio und Fair Trade setzt, habe weniger mit Preissteigerungen zu tun, die auf dem Markt durch Spekulationen entstehen. Fuhrmann beobachtet, dass sich die Preise für konventionelle Produkte denen für Bio-Ware langsam aber sicher annähern.

In einem Regal stehen Einweckgläser und Ölflaschen, dazu ein Schild mit der Aufschrift „Wir füllen euch auch Lebensmittel ab“.
Gläser und Flaschen zum Abfüllen der Waren werden im gramm.genau in Frankfurt wiederverwendet. © gramm.genau GmbH

Dazu sei es aber nötig gewesen, auf einige Geschäftszweige zu verzichten. Die Lieferung von online bestellten Einkäufen an die Haustür habe man sich einfach nicht mehr leisten können, berichtet Fuhrmann. „Wir blicken optimistisch ins neue Jahr, die Umsätze haben sich erholt, nachdem die letzten beiden Jahre wirklich schwierig waren“, verrät sie. Der Schritt, sich auf das stationäre Geschäft, die Lieferungen an Büros und das gastronomische Angebot zu fokussieren, seien dem Team schwergefallen. Es sei aber ein nötiger Schritt gewesen.

Krise als Dauerzustand bei Frankfurter Unverpackt-Laden

Auch ein anderer Frankfurter Unverpackt-Laden hat mit den verschiedenen Krisen zu kämpfen: „Wir haben im November 2019 aufgemacht und sind praktisch direkt in die Corona-Krise geschlittert“, berichtet Marlen Richter, Geschäftsführerin der „Auffüllerei“ in Bornheim/Nordend. „Krise ist bei uns also schon fast Normalität“. Schon während der Pandemie habe sich das Kaufverhalten vieler Kunden verändert, die hohe Inflationsrate seit Beginn des Krieges ebenfalls.

Richter kämpft vor allem mit den steigenden Rohstoffkosten bei den Lieferanten: „Es vergeht praktisch keine Woche, ohne dass wir eine Mail von Lieferanten bekommen, dass die Preise steigen“. Verpackung, Strom, Frachtkosten, alle diese Dinge sind seit Beginn des Krieges teurer geworden. Auch schlechte Ernten und der Ausfall von Weizenlieferungen aus der Ukraine haben die Lage Richter zufolge verschärft.

Unverpackt-Laden in Frankfurt muss Preissteigerung an die Kunden weitergeben

Die Preissteigerungen habe man in Teilen an die Kunden der „Auffüllerei“ weitergeben müssen. Denn zusätzlich zu den Rohstoffen rechnet Richter mit enormen Mehrkosten beim Strom für den Laden. Doch auch Richter bleibt optimistisch: „Wir waren sehr erleichtert, dass die Inflationsrate seit Ende des Jahres stagniert. Dadurch ist jetzt hoffentlich die Angst bei den Kunden etwas weg.“ Denn Richter spürt weiterhin, dass die Kundschaft nachhaltig handeln will: „Dieser Wille ist nicht weg“.

Aus diesem Grund begrüßt Richter, dass auch größere Unternehmen von der Politik nach und nach gezwungen werden, klimafreundlicher zu handeln. Denn was bei Unverpackt-Läden wie der „Auffüllerei“ oder „gramm.genau“ ohnehin zur Philosophie gehört, schlägt sich auch immer mehr in Gesetzen für die gesamte Branche nieder.

Frankfurter Unverpackt-Läden fordern bessere Bedingungen für nachhaltigen Einzelhandel

Durch die Einführung des Lieferketten-Gesetzes sind nun auch große Unternehmen verpflichtet, darauf zu achten, dass bei der Herstellung ihrer Produkte auf ein Mindestmaß von Menschenrechts- und Umweltschutz geachtet wird, lobt Richter. Auch dass alle gastronomischen Betriebe seit diesem Jahr eine Mehrweg-Option für Verpackungen anbieten müssen, findet sie richtig.

Fuhrmann fodert aber noch deutlicheres Handeln der Politik: „Auf vegane und regional produzierte Bioprodukte sollte eine reduzierte Mehrwertsteuer erhoben werden. Der Staat sollte auch Mehrweg-Systeme finanziell unterstützen, damit wir die Kosten dafür leichter decken können.“

Optimismus für das neue Jahr: Unverpackt-Läden wollen der Inflation weiter trotzen

Um die Krise zu meistern, rücke man bei den Unverpackt-Läden dann untereinander auch mal zusammen, erzählt Richter, die auch als Vorständin im Verband der Unverpackt-Läden in Deutschland fungiert: „Wir bilden Einkaufsgemeinschaften mit den beiden anderen Unverpackt-Läden in Frankfurt. So können wir bei den Großhändlern bessere Konditionen bekommen und vor allem auch Verpackungsmüll vermeiden, weil wir größere Mengen bestellen können.“

Sowohl Richter als auch Fuhrmann sind optimistisch, dass ihre Geschäfte die aktuellen Krisen gut meistern können. Denn die Überzeugung bleibt, dass für den Klimaschutz die Vermeidung von Müll und Lebensmittelverschwendung und ein Fokus auf regionale Bioprodukte zu einem fairen Preis unbedingt nötig sind. (Jana Ballweber)

Auch interessant

Kommentare